Frank Gehry: Der Architekt der globalisierten Kultur

Guggenheim Museum Bilbao
Mit seinen Bauten, allen voran dem Guggenheim Museum Bilbao, revolutionierte der Kalifornier die Architektur und veränderte Kultur und Tourismus.

Es gibt herausragende Architekten. Und es gibt Jahrhundertfiguren, die nicht nur Gebäuden ihren Stempel aufdrücken, sondern zu Symbolfiguren einer ganzen Epoche werden. Die mit ihrem Werk Städte neu definieren und Touristenströme, Geldflüsse und die Repräsentationsbedürfnisse der Eliten in neue Bahnen lenken.

Der Architekt Frank O. Gehry, der am Freitag nach einer kurzen Atemwegserkrankung 96-jährig in seinem Haus in Santa Monica, Kalifornien, verstorben ist, hätte vermutlich gesagt, dass er nicht bewusst in dieser Position gelandet sei. „Man fängt mit Architektur an, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen“, sagte er der New York Times im Jahr 2012. „Man beginnt Architektur nicht als Egotrip.“ Nachsatz: „Das kommt später.“

Star architect Frank Gehry dies at 96

Der Star-Architekt

Die Nachwelt wird den visionären Gestalter, der 1929 als Frank Owen Goldberg in Toronto, Kanada, zur Welt kam, seit 1947 aber in Los Angeles lebte und arbeitete, dennoch als Prototyp des „Star-Architekten“ in Erinnerung behalten: Gehrys Name allein garantierte Aufmerksamkeit, und seine Bauformen – geschwungen, scheinbar in permanenter Bewegung – signalisierten lange den Standort der neuen kulturellen Hotspots in einer neuartig vernetzten, globalisierten Welt.

Mit dem 1997 eröffneten Guggenheim Museum im spanischen Bilbao etablierte Gehry sein Erfolgsrezept. Der spektakuläre Bau fungiert selbst als Skulptur, gibt aber auch eine Hülle für Kunst ab, die, befeuert von einer neuen, globalen Sammlerschicht, zu jener Zeit selbst immer größer und raumgreifender wurde. 

Dass der Bau Massen von Touristen in die zuvor darbende Industriestadt zog, wurde als „Bilbao-Effekt“ bekannt, und bald wollte jeder Mäzen, der etwas auf sich hielt, ein Gehry-Gebäude haben: Microsoft-Gründer Paul Allen ließ sich 2000 sein „Museum of Pop Culture“ von Gehry planen, der Milliardär Bernard Arnault beauftragte ihn mit der besonders luftig anmutenden „Fondation Louis Vuitton“ in Paris (2014), die Pharma-Erbin Maja Hoffmann mit dem glitzernden Kunstbau „Luma“ in Arles (2021). Gehrys lange verzögerte Guggenheim-Dependance in Abu Dhabi soll 2026 eröffnen.

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Klassikfan und Rebell

Der Architekt setzte aber auch im Bau von Konzertsälen neue Maßstäbe, allen voran mit der „Walt Disney Concert Hall“ in Los Angeles, die 2003 eröffnete und die dem Klassikfan ein besonderes Anliegen gewesen sein soll. Der Pierre-Boulez-Saal in Berlin, 2016 eröffnet, gilt als weiteres Meisterwerk. Anders als bei seinen Kunsträumen, denen man oft vorwarf, mit ihren schrägen Wänden und Drehungen dem Kunstgenuss im Weg zu stehen, werden diese Konzertgebäude auch aufgrund ihrer akustischen Qualitäten hoch gelobt.

Angesichts von Gehrys enormer Sichtbarkeit im globalen Kulturbetrieb ist es leicht, zu vergessen, dass die Karriere des Sohns jüdisch-polnischer Einwanderer erst relativ spät startete. Nach seinem Architekturstudium und einigen Jahren in der Firma des aus Wien stammenden Shoppingmall-Erfinders Victor Gruen machte sich Gehry 1962 selbstständig – und umgab sich zunehmend mit Künstlerfreunden, die ihrerseits Inspirationen aus dem kalifornischen Surfer-Lebensgefühl aufnahmen.

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Die kühle Strenge der Moderne war dieser Gruppe ebenso fremd wie das Spiel mit Zitaten, das die sogenannte Postmoderne kennzeichnete. Mit seinem eigenen Wohnhaus in Santa Monica, das er 1977/’78 mit relativ einfachen Mitteln umgestaltete, „dekonstruierte“ Gehry die Schachtel-Architektur des amerikanischen Alltags (das Wiener MAK, dessen Langzeit-Direktor Peter Noever gute Kontakte zu Gehry pflegte, erwarb 1994 ein Modell und Entwurfszeichnungen des Gebäudes).

Als Gehry 1989 den renommierten Pritzker-Preis erhielt, war er bereits 60. Im selben Jahr eröffnete sein erstes Gebäude in Europa, dass Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Zwei ineinander verschlungene Türme in Prag – wegen der tänzerischen Anmutung als „Ginger und Fred“ bekannt – folgten 1996.

Am Anfang: Ein Karpfen

Nach Inspirationen gefragt, erzählte Gehry gerne eine Anekdote über seine Großmutter, die einst einen lebenden Karpfen mit nach Hause gebracht hatte, der vor seiner Verarbeitung einen Tag lang in der Badewanne schwamm. Die zappelige Energie und die glänzende Anmutung der Schuppen wird man auch in Gehry-Gebäuden wie dem Guggenheim Bilbao finden, das Fisch-Motiv bemühte der Architekt teils ganz explizit.

MARTa Herford

Die Befreiung der Formen hatte da und dort auch ein paar machohafte Untertöne: Ein New York Times-Kritiker verglich die wehenden Formen des Bilbao-Museums einst mit Marilyn Monroes wehendem Rock; die Konzeptkünstlerin Andrea Fraser drehte ein satirisches Video, in dem sie sich zu dem vor erotischen Metaphern strotzenden Text des Museumsaudioguides befummelte. Die Klientel, der Gehry ein Denkmal setzte, hatte Genderdebatten noch vor sich.

Es brauchte jedenfalls fortgeschrittene Computertechnik, um die großen Visionen baulich umsetzen zu können – auch in diesem Feld erwies sich der Architekt als Pionier. Der Nachhall seines Werks wird noch lange zu hören und zu sehen sein.

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