Nachruf auf den Drahdiwaberl-Gründer: Kapellmeister Weber ist tot
Erinnerungen an die frühen Achtzigerjahre: Wir waren Teenager, 14, 15 Jahre alt, verkleideten uns ungelenk als Punker – und pilgerten zu Drahdiwaberl-Konzerten.
Dort bekamen wir Dinge zu sehen und zu hören, die für uns Wohlstands-Opfer ziemlich neu waren: Nackte bis sehr nackte Akteure wälzen sich auf dem Boden, Kunstblut wird verspritzt, McDonald’s-Burger werden verschlungen und wieder ausgespuckt, in dem ganzen Chaos spielt die Band eine unglaublich packende Mischung aus Punk, New Wave und Heavy Metal. Und mitten drin steht der Zeremonienmeister persönlich, „Kapellmeister“ Stefan Weber, und zerteilt mit einer Motorsäge Fleischabfälle.
Der Mann mit der Motorsäge lebt nicht mehr. Stefan Weber, Musiker, Schauspieler, bildender Künstler und Lehrer, starb im Alter von 71 Jahren. Er litt seit Langem an Parkinson.
Es spricht für die Qualität der von Weber geleiteten Rock-Kabarett-Gruppe Drahdiwaberl, dass ich heute gar nicht mehr genau sagen kann, was sie auf der Bühne wirklich gemacht haben und was ich mir nur dazu fantasiere. (Hat Weber damals beim Donauinselfestival wirklich wurstförmige Dinge über die Bühne geschmissen und dazu gesagt, er habe uns sein „Gaga“ mitgebracht?) Drahdiwaberl putzten die Ohren und Augen durch und machten Platz für – Fantasie.
Elternschreck
Für uns verkörperte Weber damals alles, womit wir die Eltern schrecken konnten. Die Texte von Drahdiwaberl waren derb und brutal, sie waren eindeutig links – Weber war bekennender Kommunist. Er verwendete aber auch immer Textbausteine von der ganz rechten Seite – „Frauen an den Herd/wie’s sich’s g’hört/Emanzen IN den Herd“. Es war, wenn man sich auskannte, immer ganz klar, dass das als Brachialparodie gemeint war. Aber die Eltern, die sich nicht auskannten, hielten Drahdiwaberl abwechselnd für Nazis und für Stalinisten, auf jeden Fall aber für schreckliche Menschen, die sich morgens nicht die Zähne putzen und auch nicht ihr Morgengebet verrichten.
Lehrer
Dass Stefan Weber im Brotberuf Lehrer war – also eigentlich, aus unserer damaligen Sicht, mit dem Feind im Bunde – machte ihn für uns sogar noch cooler. Wir stellten uns vor, dass Weber-Unterrichtsstunden wie kleine Drahdiwaberl-Konzerte ablaufen würden. (Ein Kollege, der Webers Schüler war, zerstörte später diese Illusion.)
Dass unsere Deutschlehrerin tatsächlich mit Weber befreundet war, machte sie selbst in der Schule beinahe zum Star.
Weber wuchs in Wien auf, in einem kommunistischen Elternhaus, ab Mitte der Sechzigerjahre versuchte er sich mit Bands, aus denen dann Drahdiwaberl entstand. Viele Jahre lang war die Gruppe für ihre Konzerte legendär, ohne je ein Album zu veröffentlichen. Die erste LP „Psychoterror“ erschien 1981 und war hinreißend, „McRonalds Massaker“ folgte ein Jahr später und war ebenso gut. Mit „Werwolfromantik“ (1983) ließ der Charme bereits spürbar nach.
Falco
Webers Texte waren scharf politisch (er verhöhnte den braven Bürger, der zum Dank dann auch gern ins Konzert kam), die Bühnenshows purer Exzess, aber die Musik war immer gut. Die Band um Thomas Rabitsch war exzellent besetzt, auch wenn die Musiker ständig wechselten. Der berühmteste Wegbegleiter Webers war Falco, der bei Drahdiwaberl bis zu seinem Solo-Durchbruch Bass spielte und „Ganz Wien“ sang.
„Wir wollten die extremste und obszönste Band sein. Ich glaube, das haben wir geschafft.“ Haben Sie, Herr Prof. Weber. Haben Sie.
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