Man kann es nicht hoch genug schätzen, wenn ein Chefdirigent die Eigenschaften seines Orchesters so famos hervorzuheben weiß, wie Semyon Bychkov. Seit 2018 steht er der Tschechischen Philharmonie vor. In Wien und in Grafenegg war diese Kombination bereits öfter zu erleben. Doch diese beiden Gastspielkonzerte im Musikverein übertrafen alles.
Das erste war Dmitri Schostakowitsch gewidmet. Beim Cellokonzert in Es-Dur verlegte das Orchester seinen Schwerpunkt auf Flexibilität und Einfühlsamkeit. Denn der Solist Sheku Kanneh-Mason hielt sich auch bei den heiteren, bissigen Passagen vorsichtig zurück. In den lyrischen Sequenzen wirkte seine Kantabilität seltsam fragil.
Den für Schostakowitsch typischen Sarkasmus brachte Bychkov mit seinem Orchester bei der „Fünften“ phänomenal zur Entfaltung. Die Unerbittlichkeit des Stalin-Regimes wurde da hörbar. Streicher kleideten den Schmerz eines geknechteten Volkes in zartes Pianissimo. Im Finale ließ Bychkov volle Härte spüren, was von den prägnanten Paukenschlägen betont wurde. Die Botschaft war klar: Es gibt kein Entkommen. Kaum vorstellbar, dass man nach dieser Symphonie noch eine Zugabe hören will. Doch Bychkov überzeugt mit der sublimen Interpretation von Elgars „Nimrod“.
Absolute Harmonie
Bevor er beim zweiten Konzert mit einer anderen „Fünften“, nämlich der von Gustav Mahler überwältigte, ließ er die Schwestern Katia und Marielle Labèque ihre absolute Harmonie bei Mozarts Konzert für zwei Klaviere in Es-Dur, KV 365 ausspielen. Da wurde deutlich hörbar, wie dieser Dirigent die besondere Klangkultur seines Orchesters pflegt. Der herbe, warme Ton der Streicher, die Sinnlichkeit der Bläser erinnern an die Konzerte mit ihrem legendären Chefdirigenten Václav Neumann. Dieser prägende Klang manifestiert sich auch bei Mahler. Von diesen emotionalen Wogen lässt man sich gern mitreißen.
Ovationen. S. Zobl
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