Es gab schon einmal dankbarere Aufgaben für die beiden medienjuristischen Vertreter des Bundeskanzleramts, Matthias Traimer und Michael Kogler. Sie hatten am Dienstagvormittag vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Regierung in Sachen ORF zu vertreten. Konkret: Sie mussten darlegen, dass die Vorwürfe, das oberste ORF-Gremium, der Stiftungsrat, hänge am Gängelband der Parteien und insbesondere der Regierung, nicht zuträfen. Auf der Gegenseite: Florian Philapitsch, ehemaliger Jurist in der Medienbehörde KommAustria und nun für das Burgenland tätig. In der Funktion hatte er einen Antrag beim VfGH eingebracht, der am Dienstag öffentlich verhandelt wurde.
Bei den Fragen der Verfassungsrichter zeigte sich ein für die Regierungsseite unangenehmer Hang zu sehr kritischen Fragen. Etwa zu den politischen Freundeskreisen im ORF-Stiftungsrat. Die 35 Mitglieder sind formal unabhängig von der Politik, dennoch schließen sie sich zu sogenannten Freundeskreisen zusammen. Dass diese etwa bei Generaldirektorswahlen genau im Paket abstimmen, ließ auch die Höchstrichter die Augenbrauen hochziehen.
Erst im Vorjahr hatte der VfGH ein wegweisendes Urteil in Sachen ORF gefällt: Damals wurde die bisherige Gebührenfinanzierung als verfassungswidrig beurteilt. Die Folge: Ab 2024 müssen alle Haushalte eine ORF-Gebühr leisten.
Wie sich zeigte, hatten die Richter äußert konkrete Fragen zur politischen Unabhängigkeit des Gremiums.
Das "Ehrenamt"
Traimer und Kogler verwiesen darauf, dass Stiftungsräte hohen Anforderungen entsprechen müssten und allfällige Unvereinbarkeiten auch selbst melden müssten, bevor sie vom Bundeskanzleramt bestellt würden. Höchstrichter Michael Holoubek ließ das unbeeindruckt: "Wenn ich von diesen hohen Anforderungen ausgehe: Warum ist der Stiftungsrat ein Ehrenamt?"
Seinem Kollegen Georg Lienbacher hingegen fiel auf, dass die Leiter dieser informellen Freundeskreise "immer wieder in dieser Rolle in der Öffentlichkeit auftreten." Um das Gremium in der Öffentlichkeit zu vertreten, würde wohl der Vorsitzende des Stiftungsrates oder dessen Stellvertreter eher in Betracht kommen, sinnierte er.
Und Lienbacher hielt fest, dass im Vorfeld von Generaldirektorenwahlen oft schon vor dem Wahltag "Die Wahl des Kandidaten mit den Stimmen, mit denen er es dann geworden ist, im Vorfeld bekannt wurden. Mit einer Stimme Abweichung."
Kogler verneinte, dass es gesetzlich vorgesehen sei, dass „Freundeskreise“ existieren. Es erleichtere aber die Beschlussfassung im Gremium. Philapitsch meinte, dass allein die Existenz dieser „Freundeskreise“ zeige, dass der parteipolitische Einfluss auf den ORF viel zu groß sei.
Hängen blieb dem Publikum auch folgender Umstand: Wenn die Regierung die Gremienmitglieder einmal bestellt hat, gibt es keine rechtliche Möglichkeit, dagegen Einspruch zu erheben. Philapitsch berichtete dazu aus seiner früheren Rolle, dass ein entsprechendes Ansuchen "mangels Zuständigkeit" von der Medienbehörde nicht weiter verfolgt wurde.
Der ORF-Stiftungsrat ist das oberste Aufsichtsgremium des ORF und hat 35 weisungsfreie, ehrenamtliche Mitglieder. Die Mitglieder des Gremiums werden von Regierung (9), Parlamentsparteien (6), Bundesländern (9), ORF-Publikumsrat (6) und Zentralbetriebsrat (5) beschickt und sind - abgesehen von wenigen Ausnahmen - in parteipolitischen „Freundeskreisen“ organisiert. Seit längerem verfügt die ÖVP mit von ihr entsendeten und türkis-nahen Räten über eine Mehrheit. Aufgabe der Stiftungsräte ist unter anderem, alle fünf Jahre den ORF-Generaldirektor und kurze Zeit später auf dessen Vorschlag höchstens vier Direktoren und neun Landesdirektoren zu bestellen.
Im Falle des Publikumsrats bestimmt das Bundeskanzleramt 17 Personen aus 14 Vertretungsbereichen auf Basis von Vorschlägen repräsentativer Einrichtungen. Insgesamt sind 30 Personen in dem Gremium vertreten. Die weiteren 13 Mitglieder werden direkt bestellt - etwa von diversen Kammern oder auch der römisch-katholischen Kirche. Der Publikumsrat erstattet etwa Empfehlungen für die ORF-Programmgestaltung und entsendet sechs Mitglieder in den ORF-Stiftungsrat.
Der Antrag im Auftrag Doskozils
Den Antrag beim VfGH hatte Philapitsch für das Land Burgenland im Auftrag von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil eingebracht. Konkret beanstandete die Landesregierung die Zusammensetzung von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat. So soll der maßgebliche Einfluss der Bundes- und Landesregierung bei der Bestellung der Mitglieder der beiden Kollegialorgane im Widerspruch zur gebotenen Unabhängigkeit stehen.
Philapitsch brachte dazu vor, dass der ORF unverzichtbar sei, er aber unter politischem Einfluss stehe. Zuletzt hätten an die Öffentlichkeit gelangten „Sideletter“ der türkis-grünen Regierung, die etwa die ORF-Direktorenposten nach Parteien aufteilten, das verdeutlicht.
Der Landeshauptmann bot sich als Zeuge an
Doskozil selbst bot sich öffentlich als Zeuge für die Verhandlung des VfGH an, worauf der Gerichtshof aber nicht zurückkam. Postenbesetzungen im ORF seien „rein politisch“, meinte er im Vorfeld. „Wenn es gewünscht ist und der Verfassungsgerichtshof will von einem Politiker hören, wie das abläuft, dann stehe ich unter Wahrheitspflicht als Zeuge bereit.“
Um den Anschein einer politischen Entsendung zu zerstreuen, bestimmte Doskozil im Vorjahr den Musiker Christian Kolonovits zum Burgenland-Vertreter im ORF-Stiftungsrat. Er wolle damit ein „Signal für einen starken, unabhängigen ORF ohne jedes parteipolitische Hineinregieren“ setzen, wie er damals verkündete.
Doskozil hatte zudem als Landeshauptmann ein Anhörungsrecht bei der Bestellung des burgenländischen ORF-Landesdirektors. 2021 kam es zu einer Verlängerung des Vertrags von Werner Herics. Doskozil dürfte damit aber nicht sonderlich glücklich gewesen sein, soll er sich doch für Chefredakteur Walter Schneeberger ausgesprochen haben. Danach folgte der VfGH-Antrag.
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