Talkmasterin Sandra Maischberger: "Es gibt 100.000e Riefenstahls"
Ein Treffen in Kitzbühel am Rande der KURIER-Romy.
KURIER: Warum funktionieren Talks immer noch?
Sandra Maischberger: Weil im Moment unfassbar viel passiert! Die Talks haben vor allem die Funktion, dem Publikum dabei zu helfen, zu verstehen, was gerade geschieht.
Liegt der Erfolg auch darin, dass es immer mehr „Deep Fakes“ gibt, während ein Talk authentisch ist?
Wir kämpfen gerade selbst gegen ein Deep Fake unserer eigenen Talkshow: Ich sitze da also mit meinen Gästen, mache aber plötzlich gemeinsam mit Friedrich Merz Werbung für Finanzprodukte.
Auf Social Media?
Ja. Das sind unbekannte Betreiber, die nicht zu fassen sind. Eine Hydra: Man schlägt einen Kopf ab, andere wachsen schon nach.
Einige Ihrer Interviews, unter anderem mit Helmut Schmidt, sind als Bücher erschienen. War er ihr Lieblingsgesprächspartner?
Er hat mich auf eine sehr harte Art und Weise „trainiert“: Man musste seine Fragen nicht nur gewissenhaft formulieren, sondern auch durchdenken. Er hat nicht den kleinsten Fehler durchgehen lassen. Ich fand vieles an seiner Haltung beeindruckend, über manches haben wir gestritten: zum Beispiel über seine krasse Haltung, dass uns Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern nichts angehen.
Sie haben wiederholt Sebastian Kurz interviewt. Warum? Als Kanzler hatte er nicht nur beim Thema Migration eine gegenteilige Position zu Angela Merkel. Insofern war es für uns wahnsinnig interessant, so eine Stimme zu hören. Durch seine neuen Tätigkeiten hat er viele internationale Kontakte und bringt auch andere Perspektiven in unsere Sendung ein, die für unseren Diskurs bereichernd sind.
Ist er ein Quotenbringer?
Das weiß ich nicht. Er wird geschätzt wegen einer klaren Sicht und einer klaren Ausdrucksweise. Im Moment sind differenzierte Betrachtungsweisen der internationalen Politik unglaublich gefragt.
Wie oft ist Ihre Einladepolitik eine Gratwanderung? Sie wurden kritisiert, AfD-Vertreter zu holen.
Wir werden kritisiert, wenn wir sie einladen, und wir werden kritisiert, wenn wir sie nicht einladen. Wir bieten niemandem eine Bühne, die haben sie in den sozialen Medien selbst, weil die AfD dieses Medium von Anfang an zu nutzen gewusst hat. Daher war die Entscheidung: Befassen wir uns mit einer Realität, die ohnehin da ist, oder klammern wir sie aus. Die Partei stellt uns vor Herausforderungen, weil sie in Teilen nicht am Boden des Grundgesetzes steht, in anderen Teilen aber schon. Wir als öffentlich-rechtlicher Sender haben die Pflicht, das abzubilden.
Welche Tiefs haben Sie als Moderatorin erlebt?
Der Worst Case in einer Talkshow ist immer, wenn ein Gast die Sendung verlässt.
Für die Quote ist das aber gut!
Ich empfinde es als Niederlage, zweimal ist es mir passiert.
Und Höhepunkte?
Ein Höhepunkt, der eigentlich ein Tiefpunkt war, war das Gespräch mit Robert Habeck am Vorabend des Kriegsausbruchs in der Ukraine. In diesem Moment jemanden vor sich zu haben, der schon weiß, was passiert – er war gebrieft von den Amerikanern, konnte es aber noch nicht sagen – vermittelt einem das Gefühl, am Puls der Zeit zu sein.
Ersetzt die Künstliche Intelligenz uns Journalisten?
Ich war dieses Jahr mit meinem Riefenstahl-Film in China und habe dort eine Kollegin gesehen, die eigentlich ein Bot war. Wir haben eine Chance, weil wir echt sind. Aber wir werden uns sehr stark wappnen müssen gegen Falschmeldungen.
Zum ausführlichen KURIER TV-Gespräch mit Sandra Maischberger
Muss man als Talkerin ein politisches Neutrum sein?
Ich versuche, meine Meinung nicht in meine Sendung zu tragen, und schlage mich auf keine Seite. Dass man mir manchmal eine Haltung ansieht, ist aber unvermeidbar. Alles andere wäre ja eine Maschine.
Waren Sie in Ihrer Karriere mit Hass konfrontiert?
Die Sendung ist auf Social Media, ich persönlich nicht. Ich bewundere Armin Wolf, dass er da in den Nahkampf geht! Manchmal zeigt mir mein Team die Angriffe auf meine Person. Aber je brutaler es wird, desto weniger kommt es an mich heran, weil ich das nicht ernst nehme. Viel mehr trifft mich eine Kritik, bei der ich selbst weiß, die Sendung war nicht gelungen.
Sie haben 2024 einen Film über Leni Riefenstahl gedreht. Kann so eine Art von Propaganda wieder erfolgreich sein?
Die Macht der Bilder ist noch stärker geworden. Wir haben es mit Mächten zu tun, die völlig skrupellos und im großen Stil Wahrheit verdrehen oder Lügen verbreiten. Darum war uns der Film auch so wichtig. Das Thema ist so aktuell wie nie. Es gibt 100.000e Riefenstahls.
Sie sprechen kaum über Ihr Privatleben, haben sogar Ihre Ehe geheimgehalten.
Auch vor den Familien! Wir wollten uns ein Versprechen geben und haben das mit jeweils zwei besten Freundinnen und Freunden getan. Ein Jahr später haben wir es den Müttern gesagt. Die waren beide zu Recht sauer.
Zur Person:
Sandra Maischberger moderiert und produziert eine der bekanntesten Talkshows Deutschlands, die im ARD unter „Maischberger“ läuft. Auch Filme hat sie gedreht, zuletzt 2024 über Leni Riefenstahl.
Sie haben auch Ihren 18-jährigen Sohn geschützt.
Er sollte sein Leben leben, die Romy in Kitzbühel war sein erster öffentlicher Auftritt. Wir haben ihn darüber entscheiden lassen.
Sieht Ihr Sohn Ihre Sendungen?
Er kriegt vieles mit, weil die Sendungen auch auf Youtube und Instagram präsent sind. Vieles von dem, was ich über diese Kanäle weiß, weiß ich, weil ich einen Teenager zu Hause habe.
Sogar Ihr Schmuck wurde Thema, als Sie vorübergehend Ihre Bernsteinkette, ein Geschenk Ihres Mannes, nicht trugen.
Ich mache mir nicht viel aus Schmuck, aber dieser bedeutet mir sehr viel, deshalb habe ich ihn auch geklebt, als der Stein kaputt ging.
Es gibt eine Glaubwürdigkeitskrise der Medien. Wie kommt man raus?
Durch harte Arbeit. In Krisen haben wir einen hohen Zulauf. In diesen Momenten müssen wir beweisen, dass das, was die Menschen bei uns erfahren, dreimal gecheckt worden ist. Und wenn wir einen Fehler machen, reden wir darüber, korrigieren ihn. Wir müssen auch auf die Plattformen, wo die Jungen sind, sonst sind wir nicht mehr relevant.
In der Pandemie haben uns viele Menschen nicht mehr vertraut.
Stimmt, das wurde auch verstärkt durch „Blasen“ in den sozialen Medien. Die Pandemie ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir manchmal zu einer Massenbewegung tendieren. Auch bei der Flüchtlingskrise dachten viele Deutsche anfangs: „Wir tun was Gutes.“ Davor sind auch wir Medien nicht gefeit, müssen aber sehr schnell kritisch hinterfragen. Fehler sind nicht unsere Schwäche, sondern unsere Chance, weil wir im Umgang mit Fehlern zeigen können, was wir wirklich sind.
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