ORF-Moderatorin Teresa Vogl: "Ich hatte das Gefühl, ,mein Ö1' zu verraten"

Teresa Vogl ist für „100 Jahre Radio“ gemeinsam mit Michael Ostrowski ROMY-nominiert. Das Voting läuft noch bis Montag auf ROMY.at.
KURIER: Der Albtraum Ihres Interviewers zumindest ist es, bei der „Millionenshow“ an einer 50-Euro-Kulturfrage wie „Von wem ist die Zauberflöte?“ zu scheitern und dann auf alle Zeiten blamiert zu sein. Begleitet Sie eine ähnliche Sorge?
Teresa Vogl: Haben Sie mich schon mal bei der Millionenshow gesehen?
Nein!
Eben (lacht).
Aber Sie moderieren die bekanntesten Kulturevents. Läuft man da nicht immer Gefahr, sich irgendwo peinlich zu verstolpern und dann ganz viel Häme zu ernten?
Diese Moderationen sind ein Mix aus viel, viel Vorbereitung und ein bisschen Improvisation. Aber ja, es lebt davon, wenn man auch auf den Moment reagieren kann – und da muss man viel Wissen ansammeln. Als ich bei Ö1 angefangen habe, dachte ich mir: Oh mein Gott, die Kollegen werfen hier alle mit Opus-Zahlen um sich, die sind wandelnde Lexika. Aber jetzt, nach 15 Jahren Radio und eben auch Fernsehen, merke ich: Das ist ein Mosaik, das sich mit der Zeit zusammensetzt. Und dann bewegt man sich immer sicherer.
Das Spannende am Kulturjournalismus ist aber trotzdem: Es ist kein Massenphänomen, aber die Menschen, die sich dafür interessieren kennen sich wirklich gut aus. Ein anspruchsvolles Publikum, oder?
Es stimmt. Aber ist auch total schön, dass sich das Publikum mit Inhalten so intensiv auseinandersetzt. Diese Menschen als Moderatorin begleiten zu können – beim Neujahrskonzert, beim Opernball – ist ein wahnsinniges Privileg, ein Geschenk. Auch wenn es natürlich ein Amt auf Zeit ist. Aber den Menschen Kultur so zu vermitteln, dass sie sich angesprochen fühlen und vielleicht Aspekte entdecken, die sie so nicht präsent hatten, ist ein wunderschöner Job und macht großen Spaß.
Ein Job aber, der leider stark unter Druck ist, wenn man sich international umschaut – da wird der Kulturjournalismus zurückgefahren.
Das stimmt. Aber in Österreich schöpfen wir vergleichsweise noch aus dem Vollen. Viele internationale Kolleginnen und Kollegen beneiden uns um unsere Kultursender, um unsere Kulturredaktionen, die es in allen großen Tageszeitungen gibt. Wir müssen alle versuchen, mit Kulturberichterstattung in die digitale schöne, vielleicht auch gar nicht so schöne neue Welt hinüber zu kommen. Wir sind die Generation, die vieles ausprobieren, neue Formen und Wege finden muss. Das ist eigentlich auch eine sehr spannende Zeit.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass es einen gewissen Flaschenhals gibt: Vieles in der Kultur ist auf Dauer und nicht auf einzelne Momente angelegt, das lässt sich schwer verlustfrei in die sozialen Medien übersetzen.
Ich versuche selbst auf Instagram immer wieder Einblicke in meine Arbeit zu geben. Man darf nur nicht den Fehler machen, komplett analoges Programm in die neuen Medien hieven zu wollen, weil das wird einfach nicht funktionieren. Es gibt jedoch bei kulturellen Themen sehr wohl einzelne Aspekte, die man online aufbereiten kann und die dann vielleicht eine Art Impuls sind für die Konsumentinnen, sich eingehender damit auseinanderzusetzen.
Wie wird man eigentlich Moderatorin für Kultur? Als Karriere ist das sehr spitz, es gibt so gut wie keinen Job wie den Ihren.
Radio war immer mein Traumort, mein Sehnsuchtsmedium. Umso mehr freut es mich, dass Michael Ostrowski und ich nun für „100 Jahre Radio“ nominiert sind – natürlich nur stellvertretend, denn die Sendung war eine Teamarbeit, die erste Unterhaltungsshow, die wir gemeinsam in der Kulturredaktion entwickelt haben. Mit unserem ORF Radiosymphonie-Orchester unter Christian Kolonovits und so vielen herausragenden Solistinnen und Solisten. Ich komme selbst aus dem darstellenden Bereich, habe eine Gesangsausbildung und Schauspielunterricht genommen. Aber ich habe gemerkt, dass ich mich auch mit den Hintergründen auseinandersetzen will. Im Gymnasium habe ich viele Abende lang Ö1 gehört, ich wollte unbedingt dort arbeiten. Und das habe ich zum Glück geschafft.
Und das Fernsehen?
Das hat sich eigentlich mehr oder weniger zufällig ergeben. 2016 habe ich für die Wiener Philharmoniker das Vorprogramm des Sommernachtskonzerts moderiert, für das Livepublikum, 100.000 Menschen, kurz bevor das Fernsehen eingestiegen ist. Danach wurde ich gefragt, ob ich nicht zum Fernsehen überlaufen möchte (lacht).
Ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann?
Ich habe lange überlegt! Ich hatte das Gefühl, „mein Ö1“ zu verraten, wenn ich einfach so mit wehenden Fahnen überlaufe. Ich habe dann aber natürlich zugestimmt – mit der Bedingung, dass ich das Pasticcio weitermachen darf. Das ist für mich die schönste Musiksendung überhaupt, die wollte ich nicht aufgeben.
Von da an ging es aufwärts – bis zu den Kultur- und Societygipfeln.
Der Opernball ist eine sehr exponierte Angelegenheit. Ich fühle mich zum Glück in der Staatsoper sehr zu Hause, habe dort zehn Jahre als Statistin gearbeitet. Ich bin froh, dass ich dort die Rolle der Kulturexpertin habe. Und über die Oper beim Opernball reden kann. Das sind vier Stunden Adrenalin, und wenn ich am nächsten Tag nicht durch das Internet geprügelt werde, habe ich es gut gemacht (lacht).
Gibt es dieses Gefühl in ähnlicher Form beim Radio?
Dort liebe ich die Erschaffung einer Welt mit den geringstmöglichen Mitteln. Eigentlich nur mit der Stimme! Die sagt so viel über den Menschen aus, man gibt viel von sich preis, natürlich auch in der Musikauswahl. Man schafft eine eigene Welt. Es gibt kaum ein Medium, das mich so mitnimmt, so berührt. Wir leben in einer visuellen Welt. Ich finde es wichtig, dass es hier um etwas anderes geht, dass man komplett ungeschminkt vor dem Mikrofon sitzen kann und mit der Stimme arbeitet.
Wobei die Gefahr besteht, dass auch hier die KI zuschlägt und künftig künstlich moderiert wird, oder?
Ich habe erst kürzlich wieder eine KI-Stimme präsentiert bekommen. Es ist einfach kein Vergleich. Wir müssen das Sprechen und die Sprache kultivieren – das macht uns nämlich zum Menschen.
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