Gericht stimmte Entlassung von ORFIII-Betriebsrat zu: "Wirklich gravierend"

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien hat am Dienstag der Entlassung eines Betriebsrats von ORFIII zugestimmt. Der Sender hatte dem Mitarbeiter eine nicht genehmigte Nebenbeschäftigung vorgeworfen und wollte deswegen das Arbeitsverhältnis beenden. Der Beklagte sah in dem Verfahren eine Retourkutsche für seine Tätigkeit als Betriebsrat. Weil er als solcher über erhöhten Kündigungs- und Entlassungsschutz verfügt, landete die Sache vor Gericht.
Es sei "unstrittig", dass das Betriebsklima bei ORFIII "sehr schlecht" war, so die Richterin in ihrer mündlichen Urteilsbegründung. Das sei aber nicht Gegenstand des Verfahrens. Nicht eine fehlende Meldung der Nebenbeschäftigung habe zur Entlassung geführt, sondern die Honorarnote, die in dem Zusammenhang gestellt wurde: Der Betriebsrat hatte als verantwortlicher Redakteur im Jahr 2021 an einer Dokumentation gearbeitet. Von ORFIII wurde dafür eine Produktionsfirma beauftragt, welcher der Mitarbeiter zusätzlich eigene Leistungen in Rechnung gestellt hatte.
Dass er die rund 5.000 Euro für Schnitttätigkeiten erhalten habe, sei "nicht plausibel", führte die Richterin aus – zumal eine andere Person ebenfalls geschnitten haben soll. In Österreich sei es oft der Fall, dass man sich "nachher mit großen Augen fragt: Was war eigentlich meine Leistung?" Dass keiner Kündigung, sondern einer Entlassung zugestimmt wurde, erklärte die Richterin mit dem Verhalten des Betriebsrats im Verfahren: Es sei keine Einsicht wahrzunehmen, er sehe sich "zu 100 Prozent als Opfer". In der Sache sei es nie um einen Konflikt zwischen den Interessen als Redakteur und Betriebsrat gegangen, er habe aus Eigeninteresse gehandelt. Unter ihrem Vorsitz sei noch nie ein Betriebsrat entlassen worden, so die Richterin: „Das ist wirklich gravierend.“
Die Rechtsvertreterin des Betriebsrats meldete direkt im Anschluss Berufung an, das Urteil ist nicht rechtskräftig. ORFIII zeigte sich in einem Statement „erfreut“, dass das Gericht der Argumentation des Senders gefolgt sei und "die dienstlichen Verfehlungen des Arbeitnehmers und Betriebsrats als Entlassungsgrund anerkannt hat." Dadurch sei die Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit bestätigt.
"Kluft" zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat
Zuvor hatten mehrere Zeuginnen im Verfahren das schlechte Betriebsklima bei ORFIII geschildert. Dieses hat im Vorjahr auch die unabhängige Compliance-Stelle des ORF beschäftigt, nachdem schwere Vorwürfe gegen den Führungsstil von Geschäftsführer Peter Schöber publik wurden – unter anderem war von Mobbing und psychischer Gewalt die Rede. Schöber behielt nach Abschluss der Untersuchung seine Position, wurde jedoch entmachtet und steht laut ORF-General Roland Weißmann „unter Beobachtung“.
Die Beziehung zwischen dem Beklagten und Peter Schöber sei im Vorjahr „Hauptsache“ des Betriebsrats gewesen, erklärte eine ehemalige Betriebsrätin, die nicht mehr bei ORFIII arbeitet. Sie sei zwar nicht in alle Tätigkeiten des Gremiums eingebunden gewesen, habe aber das Gefühl gehabt, dass es "eine Kluft" zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat gab.
"Unstimmigkeiten festgestellt"
Die Vermutung des Beklagten, dass ein Entlassungsgrund konstruiert worden sei, um ihn loszuwerden, hielt eine andere Mitarbeiterin für plausibel, die in der Vorwoche aussagte. Sie hatte gemeinsam mit dem Beklagten 2022 ihre Tätigkeit als Betriebsrätin begonnen. Immer wieder habe es Probleme mit nicht ausbezahlten Überstunden gegeben. Die Personalleiterin sei „heillos überfordert“ gewesen – diese habe alles händisch berechnet und irgendwann den Überblick verloren. Knapp vor der Pension habe sie gekündigt. Mit dem Wechsel in der Geschäftsführung (auf Eva Schindlauer folgte Kathrin Zierhut-Kunz) und einer neuen Personalleiterin im Jahr 2022 seien plötzlich wieder Überstunden ausbezahlt worden – das habe „hellhörig“ gemacht.
Nach den Betriebsratswahlen sei der erste Schritt daher gewesen, sich die Arbeitszeiten anzusehen. Im Zuge dessen wurden „Unstimmigkeiten festgestellt“ und aufgearbeitet. Da hätten auch die Repressalien gegen den beklagten Betriebsrat begonnen: Dieser habe mit dem Generaldirektor eine außergerichtliche Einigung erwirkt – in der Geschäftsführung von ORFIII sei jedoch nicht gut angekommen, „dass das überhaupt auf den Tisch kam“. Über den Beklagten sei geschimpft worden und es habe Bestrebungen gegeben, diesen schlecht dastehen zu lassen, damit sich „das Betriebsratsproblem von selbst löst“. Das habe ausschließlich den Beklagten betroffen: „Es ging nicht gegen den Betriebsrat, es ging gegen die Person.“
"Verwirrend für alle"
Wie Nebenbeschäftigungen zu melden waren, sei nie klar kommuniziert worden, so die Betriebsrätin. Im Dienstvertrag stehe zwar, dass man diese melden müsse, jedoch nicht, dass dies über das interne System zu geschehen habe. Eine klare Anweisung diesbezüglich existiere erst seit 2024. Das spiele mit der Gehaltsoffenlegung des ORF zusammen. "Seit damals wird das streng gehandhabt.“
„Sehr verwirrend für alle“ sei die Situation um die Untersuchung der Compliance-Stelle gewesen, so die Betriebsrätin. Den Endbericht habe sie nicht lesen dürfen, mit anwaltlicher Hilfe sei jedoch ein Gespräch mit der Compliance-Stelle zustande gekommen. Ein Fragenkatalog sei beantwortet worden, wegen einer Verschwiegenheitspflicht dürfe sie dazu aber nichts sagen. Aktuell sei das Betriebsklima „gemischt“, es gebe „eine abwartende Haltung, ob es besser wird“.
„Ging alles den Bach runter“
Von schlechten Erfahrungen hat auch eine ehemalige Betriebsrätin berichtet, die mittlerweile nicht mehr im ORF tätig ist. Sie habe zunächst ein gutes Verhältnis zu Geschäftsführer Peter Schöber gehabt, sei gepusht worden. Dann „kam es leider dazu, dass ich Betriebsrätin geworden bin“. Von da an „ging alles den Bach runter“. Nachdem sie mit Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat „gewisse Dinge aufgedeckt“ hatte, habe sie gemerkt, „dass man mir nicht mehr so wohlgesonnen ist, wie davor“. Sie sei überzeugt, dass ihre Karriere ohne ihre Betriebsratstätigkeit anders verlaufen wäre.
Enormes Arbeitspensum
An den Betriebsrat hätten sich Kolleginnen und Kollegen meist wegen des enormen Arbeitspensums gewandt. Dieses habe sie selbst erlebt: „Ich habe auch Teppich verlegt im RadioKulturhaus, weil dafür kein Geld ausgegeben werden wollte“. Anfangs habe sie diese Herangehensweise noch „charmant“ gefunden, dann aber hinterfragt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien unter hohem Druck gestanden, teilweise sogar in der Nacht angerufen worden. Während ihrer Tätigkeit als Betriebsrätin habe sie auch Angst vor Konsequenzen gehabt. „Das hat sich irgendwie bewahrheitet“, so die ehemalige Mitarbeiterin.
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