ORF-Sparpläne zum Radiosymphonie-Orchester: Bestürzung in der Musikwelt

ORF-Sparpläne zum Radiosymphonie-Orchester: Bestürzung in der Musikwelt
Das Orchester ist nun wieder auf der Sparliste des ORF. "Es geht hier wirklich um eine Einstellung", heißt es aus dem Orchester.

Die vorgesehene Umwandlung der GIS-Gebühr in eine ORF-Haushaltsabgabe wird, soviel ist fix, einen Sparauftrag an den Sender mit sich bringen. Ein Posten auf der Sparliste des ORF ist das ORF Radiosymphonie-Orchester (RSO). Auf das wollte der Sender bereits in den Nullerjahren verzichten, sein Betrieb gilt manchen als anachronistische Kür. Die nun mit Sicherheit anschwellende Debatte um das Orchester wird einmal mehr unterstreichen: Auch wenn der ORF das RSO nicht braucht, die Musiknation braucht es schon.

Wichtige Rolle im musikalischen Gesamtbild

Das RSO ging 1969 aus dem Großen Orchester des Österreichischen Rundfunks hervor, nach einigen Umbenennungen ist man schließlich  beim heutigen Namen angelangt. Dass Sender Orchester betreiben, war damals selbstverständlich - um etwa die Musik zum Fernsehprogramm einzuspielen. Und, wie etwa jenes des Bayerischen Rundfunks, können diese Orchester zur absoluten Weltspitze zählen.

Das RSO hat darüber hinaus auch einen großen Teil der heimischen Musikgeschichte mit abgebildet, denn es ist neben dem renommierten Klangforum Wien jenes Orchester, das sich besonders der Neuen Musik in großer Besetzung gewidmet hat, zeitgenössischen Komponisten wie dem jüngst verstorbenen Friedrich Cerha also, die die Musiknation prägten.

In diesem Metier steht das RSO auf internationalem Niveau, die Chefdirigentin Marin Alsop (die erste Frau an der Spitze des Orchesters trat ihr Amt 2019 an, ihr Vertrag läuft bis 2025) ist hier ausgewiesene Spezialistin.

Von jener Breitenwirkung, auf die der ORF zuletzt stark gesetzt hat, ist das Orchester aber natürlich weit entfernt. Das RSO erfüllt aber einen Kulturauftrag, der sonst auch in der Orchesterlandschaft größtenteils brach liegen würde. Die Wiener Philharmoniker interessieren sich begrenzt für Neue Musik, die Wiener Symphoniker auch nicht flächendeckend.

Pullfaktor

Mit diesen beiden Orchestern plus jenem der Volksoper zusammen bildet das RSO aber auch noch etwas anderes: Einen musikalischen Pull-Faktor für Wien und damit für Österreich. Wiener Philharmoniker, Symphoniker und das RSO bestreiten viele Konzerte des heimischen Musiklebens im Musikverein und im Konzerthaus. Das RSO ist hier wohl das niederschwelligste Orchester.

Das Image als Musikstadt ist ein millionenschwerer Imagefaktor, der u. a. viele Touristen in die Stadt lockt. Sollte nun eines der großen Orchester weggespart werden, droht hier eine Einbuße auch an jenen Talenten, die dieses Image aufrechterhalten. Denn wenn es rund 100 Jobs weniger für Orchestermusiker gibt, verliert die Branche an Strahlkraft - und zumindest mittelfristig an Renommee.

ORF-Sparpläne zum Radiosymphonie-Orchester: Bestürzung in der Musikwelt

Riesendebatte in den 2000er-Jahren

Schon vor rund 15 Jahren sah sich das Orchester einer großen Spardebatte gegenüber. Damals lief die Kulturwelt und insbesondere der damalige Chefdirigent Bertrand de Billy Sturm gegen die (2008 dann begrabene) Idee, den Klangkörper einzusparen. Damals war die klassische Musik aber auch noch ein zentralerer Ort in der Kulturdebatte.

Wie eine Spardiskussion heute ablaufen könnte, sieht man an der Wiener Zeitung: Auch wenn große Teil der Medienbranche der Einstellung als Tageszeitung kritisch gegenüber stehen, wird diese allem Anschein nach durchgezogen.

Die ÖVP scheint auch beim RSO wenige Zweifel zu hegen, die klassische Orchestermusik ist nicht gerade die Kernkompetenz der Grünen - und das Gewicht, das die Worte von Künstlerinnen und Künstlern bei der Regierung haben, scheint zuletzt einer rasanten Inflation zu unterliegen. Der Aufschrei in der Bevölkerung, das wissen Politik und ORF-Führung, wird sich in Grenzen halten, was für manche Diskussion heute schon ausreicht.

Das Sparpotenzial

Das Sparpotenziel ist jedoch insgesamt vergleichsweise gering: 8,5 Millionen Euro sind für das RSO im Jahr veranschlagt, bei einem kursierenden Sparvolumen von 300 Millionen Euro auf drei Jahre verteilt würde mit der Einstellung rund 10 Prozent dieses Volumens hergestellt sein.

Im Vergleich zum jährlichen Budget von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer - das heuer bei 620,2 Millionen Euro liegen soll - ist der Posten überhaupt vergleichsweise schmal. Eine Debatte, die auf das Einsparen des Orchesters im ORF hinausläuft, würde wohl auch die dringende Frage mit sich bringen, ob der Klangkörper nicht mit dem Argument der Bedeutung für die Kulturnation ins Bundesbudget überführt werden könnte. Das ist für den Steuerzahler natürlich ein Nullsummenspiel, könnte aber durchaus argumentiert werden.

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