Medientage: Burda-Chef Welte sieht "Geist der Freiheit in Gefahr"
Künstliche Intelligenz (KI) und die schwierige ökonomische Situation haben auch am zweiten Tag der 30. Österreichischen Medientage am Erste Campus in Wien die Branche beschäftigt. So warnte Philipp Welte, Vorstand des nationalen Verlagswesen von Hubert Burda Media, vor einem "Höllensturm an gefälschten Inhalten", der mit dem Aufkommen von KI die Gesellschaft überrollen werde. Zum EU-Medienfreiheitsgesetz äußerte er sich ablehnend, und den Geist der Freiheit sah er in Gefahr.
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KI-Anwendungen wie ChatGPT bezeichnete Welte als "intelligente Kopiermaschinen", die helfen könnten, schneller und effizienter zu werden. Doch die Grenzen zwischen Realität und Fiktion werden verschwimmen, prophezeite er. "Als Reaktion auf diesen Tsunami aus künstlich produziertem Müll werden Menschen nach Marken suchen, denen sie vertrauen." Und Menschen würden sich früher oder später von sozialen Medien und der darin auffindbaren Desinformation abwenden - "und das ist unsere Chance", so Welte mit Blick auf die Medienbranche.
Die Politik müsse regulatorische Rahmenbedingungen schaffen, damit man nicht weiter in die Abhängigkeit von Technologiegiganten rutsche. Dabei gehe es auch stark um Nutzungsrechte bzw. Vergütungsansprüche. "Roboter dürfen unsere Inhalte nicht einfach nutzen", so Welte. Auch dürfe die Beweislast für die Nutzung nicht bei den Rechtehaltern, sondern auf Seite der Anbieter liegen, plädierte der Medienmanager.
EU plane "Eingriff in Pressefreiheit"
Vom geplanten Medienfreiheitsgesetz auf EU-Ebene hält er wenig. "Es ist nicht weniger als die Beaufsichtigung der Presse durch die EU-Kommission und ein Eingriff in die Pressefreiheit", sagte Welte. "Die Abschaffung der Freiheit der Presse trägt den klangvollen Namen 'Media Freedom Act'." Medien seien unbequem und daher suche die Politik nach Wegen, diese zu regulieren - "bis zur ökonomischen Atemnot", meinte Welte, der auch als Vorstandsvorsitzender des Medienverbands der freien Presse (MVFP) agiert.
Auch gegenüber den öffentlich-rechtlichen Medien fand er kritische Worte. Diese würden sich völlig risikofrei in den digitalen Kanälen breit machen. Es handle sich um ein "chancenloses Hase-Igel-Rennen", mit dem sich Verleger konfrontiert sähen. Der deutsche Staat leiste sich das teuerste öffentlich-rechtliche Mediensystem der Welt und nehme damit der freien Presse "sukzessive die Luft zum Atmen". Alles in allem sei "der Geist der Freiheit in Gefahr" und der "Zustand unserer liberalen Demokratie traurig", zeichnete Welte ein düsteres Bild.
Markus Mair, CEO der Styria Media Group, sah mit Blick auf KI bei der Generierung von Serviceinhalten "große Potenziale". Auch seien die Chancen, die mit derartigen Anwendungen einhergehen, größer als die Bedrohungen. Aber vonseiten der Politik sei mehr Tempo notwendig, sagte Mair. Bei Google und Co. würden bereits Fakten geschaffen und man hechle permanent hinterher - so auch mit dem geplanten EU-AI-Act, der aber noch so manches Jahr auf sich warten lassen dürfte. "Europa muss sich gut überlegen, welchen Stellenwert es künftig einnehmen möchte", so der Medienmanager.
Heute-Herausgeberin Eva Dichand zeigte sich überzeugt, dass KI die Welt verändern werde. Solange KI-Anwendungen lediglich auf von Menschen produzierte Infos zurückgreifen, könne man diese noch mit Meinung und guten Geschichten übertreffen und für das Publikum Mehrwert schaffen. Wenn KI aber etwa Bewusstsein messen könne oder im Bereich der Gefühle aktiv werde, werde es schwierig, so Dichand.
"Was wir bisher an KI gesehen haben, war nur ein Gruß aus der Küche", sagte APA-CEO Clemens Pig und ortete einen großen Bedarf an Einordnung. Die EU-Kommission sei zwar mit dem geplanten AI-Act bemüht, doch werde dieser wohl zu spät kommen. "Wir sind als Medien gefordert, uns aus eigener Kraft mit dem Thema zu beschäftigen", meinte er und trat dafür ein, KI auf den eigenen Plattformen zu bespielen und damit letztlich auch die eigenen Inhalte zu schützen.
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30 internationale Filmproduktionen
Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) präsentierte erfreuliche Zahlen für die Filmbranche. So hätten mittlerweile über 30 internationale Filmproduktionen um die neue Filmanreizförderung FISA+ angesucht. National profitieren derzeit 68 Projekte von der neuen Förderschiene, die einen Teil der Produktionskosten vergütet und auch einen Bonus für klimafreundliche Produktionen vorsieht.
Mayer sprach von der größten Reform seit der Gründung der österreichischen Filmförderung. Man habe das Volumen der Fördergelder damit um 50 Prozent erhöht. Auch Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann des Fachverbands der Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich, zeigte sich über die neue Förderung erfreut: "Gemeinsam ist hier etwas Großes gelungen." Es werde Wertschöpfung geschaffen und auch der Finanzminister profitiere davon, wie erste Zahlen zeigen würden. "Es ist eine Win-Win-Situation für alle", so Dumreicher-Ivanceanu.
Kopfzerbrechen bereitet der boomenden Film- und Fernsehbranche ein Fachkräftemangel. "Wir basteln an einer Nachwuchsförderschiene", sagte Mayer dazu. Erst- und Zweitproduktionen sollen mit einem eigenen Budgetvolumen gefördert werden, um sich so nicht mit großen Produktionen matchen zu müssen, skizzierte die Staatssekretärin das Vorhaben.
"Das Kino ist zurück"
Prinzipiell stellte Mayer fest: "Das Kino ist zurück." So seien zwischen 4. und 10. August 500.000 Kinotickets verkauft worden. Maßgebliche Zugpferde waren "Barbie" und "Oppenheimer". Aber auch österreichische Filme verbuchten erfreuliche Zahlen. "Griechenland" mit Thomas Stipsits kam laut Mayer auf über 200.000 Kinobesucher. Der Literaturessay "Elfriede Jelinek - Die Sprache von der Leine lassen" kam auf 25.000 Besucher. "Das war so nicht vorherzusehen", freute sich die Politikerin.
Raab lädt Branche zu gemeinsamem KI-Prozess
Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) wird die Branche demnächst einladen, einen gemeinsamen KI-Prozess aufzusetzen. Noch niemand wisse genau, in welche Richtung es gehe, aber klar sei, dass zum Thema Künstliche Intelligenz für die Medienbranche eigene Überlegungen angestellt werden müssten. Man sei hierbei auch auf Medienunternehmen und deren Expertise im operativen Geschäft angewiesen, sagte Raab am Donnerstag bei den 30. Österreichischen Medientagen in Wien.
Gefragt nach einem eigenen KI-Fördertopf für Medienhäuser, meinte Raab, dass es "nicht immer nur ums Geld" gehe. "Bei KI muss man grundsätzlicher nachdenken, welche Rahmenbedingungen und auch welche Unterstützung es braucht", sagte die Ministerin.
Raab nutzte den Auftritt beim Branchentreff, sich für mehr Diversität in den Führungsetagen von Medienunternehmen auszusprechen. "Es gibt sehr viele Journalistinnen, aber in den Führungsetagen wird es dünn", sagte sie. Es handle sich um keinen Kampf von Frauen gegen Männer. Aber sie werbe dafür, die Fakten zu sehen: Mit Frauen in Führungspositionen steige der Gesamtprofit eines Unternehmens, so Raab, die aber Abstand davon nahm, in Medienhäuser "hineinregieren" zu wollen. Diversität sei nicht zuletzt wichtig, um als Spiegel der Gesellschaft wirken und alle Themen abdecken zu können, meinte sie.
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