Letzte "Liebesg‘schichten" mit Spira: "Selber schuld!"
*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*
"Mein Herz für ein Herz zu geben, uhuu uhuu …" – wenn diese heimelige Peter Kraus-Melodie erklingt, ist klar, dass der Fernsehsommer an seinem Höhepunkt angelangt ist. Elizabeth T. Spiras "Liebesg‘schichten und Heiratssache", bewährtes Gegengift des ORF bei akutem sommerlichen Quotenschwund, gingen am Montag in die 23. Runde.
Und es wird die unausweichlich letzte Staffel sein, die noch von der Grande Dame des niveauvollen Fernsehkuppelns gedreht wurde. Am 9. März starb Elizabeth Toni Spira. "In ihrem Sinne" hat Claudia Linzer mit dem gesamten Team die neuen Folgen fertig gestellt.
Kein Schmalz
Nichts deutet darauf hin, dass die Erfinderin und Chefin des Formats nicht mehr lebt. Kein Hinweis, keine Widmung, kein extra angerührtes Schmalz. Spiras rauchige Stimme führt wie eh und je souverän durch die Bekenntnisse der Liebeswerber.
"Man kann’s ja ned erzwingen, dass sie dich liebt oder gern hat", sagt Kandidat Otto (74) am Beginn der Folge. Eine in ihrer Schlichtheit ungemein kluge Aussage. Wie eine der vielen, die Spira seit 1997 in zahlreichen Privatdomizilen des Landes gesammelt hat.
Pensionist Jacky (63) aus Graz erzählt, dass er "atemschutzuntauglich" für seinen Dienst bei der Berufsfeuerwehr geworden ist, weil er einmal "vom Baam owagflougn" ist.
Spiras lapidare Nachfrage: "Und warum sind Sie auf den Baum hinauf?"
Sie bekommt auf jede Frage, auch wenn diese noch so baff macht, ihre Antwort, was nach wie vor das offene Erfolgsgeheimnis der "Liebesg’schichten" ist.
Karin, 49, die sagt, sie suche "einen netten Mann", entgegnet Spira: "Und warum haben Sie keinen?"
Wir erinnern an Otto: "Man kann’s ja ned erzwingen."
Letzte Staffel von "Liebesg'schichten und Heiratssachen"
Äußerlichkeiten
Aber auch Otto ist kein in irgendwelchen Sphären schwebender Weiser, seine Ansprüche wirken dann doch auch sehr erdgebunden: "Nicht zu klein, nicht zu groß, nicht zu dick und nicht zu dünn, gesellig soll sie sein." Und etwas später: "Sie soll nicht zu schiach sein."
Schlankheit bevorzugt auch Kandidat Ewald (69), "auch wenn ich nicht viel Wert auf Äußerlichkeiten lege."
Jacky, der eine Blutwurst zum selber Kochen im Kühlschrank hat, formuliert es ähnlich, nur ein bisschen anders: "Sie muass afoch passen. Nur ned z’dick. des bin i aa … fast selber."
Spira: "Man will sich ned in den Spiegel schauen dauernd."
Da muss Jacky lachen.
Spätestens jetzt können sich jene melden, die meinen, Spira mache sich über ihre Gesprächspartner lustig. Man kann es aber auch einfach das Aussprechen einer tiefen Wahrheit nennen.
Selber schuld!
Aber lassen wir am besten Spira selbst antworten: "Susi, Sie haben sich an uns gewandt, selber schuld! Was gibt‘s in Ihrem Leben, das sie ändern wollen?"
Das ist äußerst bestimmt, aber nicht scharf formuliert. Die angesprochene pensionierte Lehrerin findet auch nichts Böses an diesem "selber schuld" – auch wenn sie eingesteht, "peinlicherweise" schon zwanzig Jahre lang alleinstehend zu sein.
Jacky, 63-jähriger Pensionist aus Graz
Sucht „eine Partnerin, die zu mir passt und mit mir ein paar Dinge macht.“ Jacky ist seit zwei Jahren allein, denn „die Scheidung ist eingetroffen.“ Nach ein paar Teneriffa-Urlauben war die Ehe zu Ende, aber er möchte seiner Ex-Frau nichts unterstellen, denn: „Ich versteh’ mich noch gut mit ihr.“ Die Trennung kam recht plötzlich und Jacky war „komplett fertig“, aber jetzt fühlt er sich bereit für eine neue Partnerin, wenn eine kommt, die ihn will. Mit einer neuen Partnerin würde Jacky gerne wandern gehen, an die Adria auf Urlaub fahren oder Radfahren. Seine große Leidenschaft ist das Schnapsen, aber das müsste die neue Dame an seiner Seite nicht mit ihm teilen – „sonst muss man sie auch noch gewinnen lassen.“ Am Abend ist der Steirer besonders einsam, „da geht einem schon etwas ab, das kann einem der Fernseher auch nicht ersetzen.“
Karin, 49-jährige Orthopädietechnikerin aus Wien-Favoriten
Sucht „einen netten Mann.“ Seit zwei Jahren ist sie geschieden, die Ehe dauerte 13 Jahre, eine dramatische Trennung folgte. Ihr Ex-Mann erlitt ein Burn-out, es kam zum Zusammenbruch, dem ein Werkstattbrand folgte. Der selbständige Restaurator ging zurück in seine Heimat Polen und nahm die gemeinsame Hündin mit. „Er hat darum gebeten, dass ich ihn freigebe.“ Die Beiden gingen im Guten auseinander: „Es wird Zeit für Neues.“ Von einem neuen Mann an ihrer Seite wünscht sich Karin eine gewisse Offenheit und „dass man nicht immer um Nähe kämpfen muss. Das ist langweilig und anstrengend.“ Ein Gentleman der alten Schule wäre schön. „Ich würde gerne eine harmonische Beziehung führen.“
Der 74-jährige Pensionist Otto aus Niederösterreich
Sucht eine Dame, „die zu mir passen würde.“ Otto hat nicht zu hohe Ansprüche, aber „sie soll nicht zu klein und nicht zu groß, nicht zu dick und nicht zu dünn sein und vor allen Dingen gesellig.“ Zweimal war Otto verheiratet, das erste Mal verließ er seine Frau, das zweite Mal war es umgekehrt. Im November hat ihn seine letzte Partnerin nach vier Jahren verlassen, die genauen Gründe kennt er nicht. „Jetzt bin ich ganz allein. Wenn man einen Partner gerne hat, dann fällt es einem noch schwerer, dass man über das hinwegkommt.“ Der Pensionist verbringt viel Zeit in seinem Garten, denn der muss gehegt und gepflegt werden, aber für eine neue Partnerin hätte er immer Zeit! Otto würde mit einer neuen Dame an seiner Seite gerne Schwammerlsuchen gehen, Sport machen und wandern, „wichtig ist, dass man sich versteht. Keppeln soll sie nicht dauernd.“
Die 68-jährige pensionierte Lehrerin Susi aus Wien-Penzing
Hätte gern jemand an ihrer Seite, denn „das Alleinleben ist nicht so lustig.“ Seit 20 Jahren ist Susi allein, aber sie war mit Gartenarbeit, den Kindern und Tennisspielen beschäftigt. Ihre Ehe hielt elf Jahre. Der Mann war Workaholic und Susi verliebte sich in einen um 16 Jahre Jüngeren. Die Wienerin war damals 33 Jahre alt und dachte „die große Liebe kann alle Schwierigkeiten überdauern.“ Als der junge Mann sie verließ, dauerte es Jahre, bis sie die Trennung verarbeitet hatte. Nun möchte Susi gefunden werden. Der neue Mann kann jünger sein, „aber nicht so, dass es in Stress ausartet. Zumindest jung geblieben soll er sein.“
Pensionistin Ulla, 62 Jahre, wohnhaft in Graz, gebürtige Finnin
Sucht einen Partner. Sie lebt seit fast sieben Jahren in Österreich, die Liebe hat Ulla nach Graz verschlagen. „Es war eine Parallelbeziehung. Ich war blind und sehr verliebt.“ Fast acht Jahre dauerte die Beziehung an, dann entschied sich Ulla, diese zu beenden. Sie blieb in Österreich, seit fünf Jahren lebt sie nun allein. Der neue Mann, den sie sich an ihrer Seite wünscht, soll gebildet sein und so wie sie eine Affinität zu Theater, Literatur, Kunst und Musik haben – „ich möchte auch gerne den Alltag teilen“. Ulla ist unabhängig, das ist sehr wichtig für sie, denn sie sucht keinen Bankier. „Die Liebe kann man nicht kaufen.“ Die emanzipierte Finnin tut sich manchmal mit den Männern etwas schwer: „Österreich ist ein Macho-Land. Die Männer in meinem Alter wollen alle um 15 Jahre jüngere Frauen.“
Ewald, 69-jähriger Pensionist aus dem Süden von Wien
Hat vor zwei Jahren seine Frau verloren. Sie hat ihm gewünscht, dass er wieder glücklich werden soll, und so versucht er es über die Sendung. Ewald ist einmal geschieden, „meine erste Frau war immer von jemandem abhängig und das halte ich nicht für einen guten Weg.“ Er heiratete ein zweites Mal und im Juni des Vorjahres verlor er seine große Liebe nach mehr als 36 Jahren Ehe. Es war ein sehr starker Verlust. Man hatte genug Zeit um voneinander Abschied zu nehmen, dennoch war es sehr schwer. „Ich habe durch den Verlust erst gemerkt, wie stark liebesfähig ich bin. Das habe ich nicht für möglich gehalten.“ Ewald wünscht sich von seiner neuen Partnerin, dass sie alle seine Sehnsüchte erfüllt, sie soll eine Freundin, Partnerin, eine lebenskluge Frau sein und bereit und offen, sich voll einzulassen. „Sie soll noch Spaß am Leben haben und Optimismus, das wäre auch gut!“ Gerne würde der Pensionist noch einige Länder mit der neuen Partnerin bereisen. Sie soll zwischen 55 und Anfang 60 sein. „Die Damen sollen es probieren und sich nicht von meinen 69 Jahren abschrecken lassen.“
Im Grunde könnte die Sendung auch "Liebesg’schichten und Scheidungssachen" heißen. Denn Spira interessiert sich immer auch für die Vorgeschichten, für das, was nicht gelungen ist. Vielleicht auch als Anwältin jener Hunderten Briefschreiber und Anrufer, die sich jede Woche bei den Postillons d’amour melden und sicher gern den Beipackzettel lesen, bevor sie den Kandidaten ihr Herz ausschütten.
Susi (68) erzählt, sie brauche zum Verarbeiten von Trennungen immer fünf Mal länger als andere. Bei Spiras Team habe sie sich gemeldet, weil sie "zu faul" sei, im Internet zu suchen.
"Man will gefunden werden", folgert Spira.
Spiel gegen die Ballmaschine
Dann wird Susanna auf dem Tennisplatz gezeigt, Spielpartner ist eine Ballmaschine. Ein raffinierter und schöner Kniff, um Agilität und Alleinsein in einem Bild zu zeigen.
Die Schnittbilder aus den Wohnungen zeigen Gewohntes wie die Porzellanvogerl, aber auch Spezielles wie Jackys Sturm-Graz-Poster aus den späten Neunziger-Jahren.
Die Musikauswahl bringt die gewohnten Herz-Schmerz-Schlager und volkstümliche Musik fürs Preisschnapsen, während es bei "Freigeist" und Hobby-Malerin Karin auch melancholische Filmmusik aus "La La Land" sein darf.
Stimme und Gestaltungswillen
Diese letzte Staffel ist – noch mit Spiras Stimme und Gestaltungswillen – tatsächlich eine echte Spira-Staffel. Und das ist mehr als gut so.
Ewald, der das Ende seiner fast 37-jährigen Ehe und den Tod seiner Frau zunächst so gefasst schildert, wird plötzlich von echten, ungeskripteten Gefühlen erfasst.
Und die finnische Wahl-Grazerin Ulla, die es im "Macho-Land" Österreich dank Mahler, Strauss und Schubert ganz gut aushält, sagt: "Ich bin ein schwieriger Fall für Sie, Frau Spira!"
Er wird garantiert gelöst, auch nach dem Tod der Spira.
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