Kippt der VfGH auch den ORF-Stiftungsrat? Beratungen im ersten Halbjahr
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) arbeitet an heikler Materie für den ORF: Wie das Höchstgericht mitteilte, wird im ersten Halbjahr über eine Verfassungsbeschwerde beraten, die der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) im Juni des Vorjahres eingebracht hat. Er sieht in der Besetzung des Stiftungsrats, dessen Mitglieder mehrheitlich von der Regierung bestellt würden, einen Widerspruch zur Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sollte das Höchstgericht dieser Argumentation folgen, könnte das bedeuten, dass das oberste ORF-Gremium gekippt wird. Einmal mehr eine heikle Materie für ORF und Medienpolitik: Die Stiftungsräte bestimmen unter anderem über die ORF-Führung und kontrollieren das Budget.
Der Sideletter als Auslöser
Doskozils Beschwerde geht auf die berüchtigten Sideletter der früheren und gegenwärtigen Koalitionspartner ÖVP und FPÖ bzw. ÖVP und Grüne zu Personalbesetzungen beim ORF zurück. Die Regierungsparteien hatten inoffiziell weitreichende Personalabsprachen getroffen. Im ORF geht etwa die Bestellung von Lothar Lockl zum Stiftungsratsvorsitzenden auf einen solchen Sideletter zurück. Dass diese Absprachen das Licht der Öffentlichkeit erblickten, hat im Vorjahr für heftige Kritik gesorgt. Für Doskozil war das der Beweis, „wie stark der Einfluss der Bundesregierung auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist“.
Von ORF-Gesetz bis EMRK
Im Juristendeutsch des VfGH wird das Vorbringen so beschrieben: "Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der beiden Kollegialorgane liege wegen des maßgeblichen Einflusses der Bundes- und Landesregierungen nicht vor." Konkret ziele Doskozils Beschwerde auf Teile von § 20 des ORF-Gesetzes ab, die nicht mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks vereinbar; sei. Auch eine Unvereinbarkeit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur Meinungs- bzw. Rundfunkfreiheit liege vor.
Stiftungsrat derzeit mit ÖVP-Mehrheit
Aktuell hält die ÖVP die alleinige Mehrheit im obersten ORF-Gremium. Mit dieser Mehrheit wurde der Langzeit-Generaldirektor Alexander Wrabetz 2021 abgewählt. Sein Nachfolger, Roland Weißmann, zog mit den Stimmen von ÖVP-Gremienvertretern und jenen der Grünen in die Geschäftsführung ein. Doskozil hatte einen betont unabhängigen Vertreter des Burgenlandes in das oberste ORF-Gremium entsendet: Den Komponisten Christian Kolonovits.
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