Protest mit leeren Titelseiten: Viel Aufsehen, Ministerin schweigt

Protest mit leeren Titelseiten: Viel Aufsehen, Ministerin schweigt
Heimische Zeitungen protestierten mit leeren Titelseiten gegen die Medienpolitik der Regierung. Die zuständige Ministerin schweigt dazu.

Mit weißen Titelseiten haben die wichtigsten österreichischen Printmedien – darunter die Kronenzeitung, die Kleine Zeitung, der Standard und der KURIER – am gestrigen Tag der Pressefreiheit auf eine gefährliche Entwicklung hingewiesen: Die heimische Medienpolitik hat zwar die Finanzierung des ORF auf neue Beine gestellt, aber weder für dessen Entpolitisierung noch dafür gesorgt, dass den anderen Medien angesichts eines ORF mit stark ausgedehnten Online-Möglichkeiten genügend Raum für das wirtschaftliche Überleben bleibt.

Kein Kommentar

Viele Medien abseits des ORF sind aus verschiedenen Gründen – darunter der immens gestiegene Papierpreis und die Teuerung – in einer überaus heiklen Lage. Diese wirtschaftliche Schieflage bedroht, so betonten auch Leitartikel in den teilnehmenden Medien, auf Dauer die Meinungsvielfalt und den demokratischen Diskurs in Österreich. Dieser konzertierte Warnruf der Medien sorgte für einiges Aufsehen, für Unterstützung aus der Opposition – und für Schweigen der zuständigen Medienministerin Susanne Raab (ÖVP): Sie ließ über einen Sprecher ausrichten, dass sie keinen Kommentar abgeben wolle.

Es wäre nicht die Medienbranche, wenn es nicht auch Debatten zwischen den Medien gegeben hätte: Der Falter sieht in der Aktion lediglich einen „Angriff auf den ORF“, prominente ORF-Journalisten argumentierten auf Twitter für den eigenen Arbeitgeber.

Die Opposition aber signalisiert Verständnis: „Die heutigen Zeitungscover belegen die derzeitige Situation: Die Medienlandschaft in Österreich steht unter einem enormen Druck. Es braucht dringend eine Antwort auf die Frage, wie wir in Zukunft sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger vertrauenswürdige Nachrichten erhalten“, sagte etwa Neos-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger, die auch warnte: „Österreich darf nicht Ungarn werden.“

Auch die FPÖ – deren Anhänger laut ORF-„Report“ Journalisten am 1. Mai mit „Lügenpresse“-Rufen niederschrien – sorgt sich um die Pressefreiheit und fordert laut Aussendung, dass „die Möglichkeiten der Regierung zur Einflussnahme auf Medien zurückgedrängt werden“ müssten. Die Entpolitisierung des ORF fällt in Österreich den Parteien traditionell jedoch nur dann ein, wenn sie gerade in Opposition sind. In diese Richtung gab es bei der bisherigen Debatte rund um das neue Mediengesetz in der schwarz-grünen Regierung keinerlei Bewegung.

"Schreckensszenario"

Standard-Chefredakteur Martin Kotynek warnte im „Mittagsjournal“ vor dem „Schreckensszenario“, dass letztlich „nur noch ein zentraler Player“ – der ORF – übrig bleiben würde und die anderen Redaktionen „verschwinden oder nur noch ein Schatten ihrer selbst“ wären.

Zu diesem Szenario kann man ergänzen, dass dieser zentrale Player unter unvermindertem politischen Einfluss stehen würde – was rasch zu einer medialen Übermacht der jeweiligen Regierung führen könnte.

Laut dem Entwurf zum Mediengesetz, der derzeit in Begutachtung ist, dürfte der ORF erstmals exklusiv für online produzieren, hätte stark erweiterte Videomöglichkeiten auf der Website und dürfte Videos auch länger als die bisherigen sieben Tage online lassen.

Im Gegenzug würde der Textanteil auf ORF.at verringert. Und mit der neuen Haushaltsabgabe sollen mindestens 710 Millionen Euro an den ORF fließen.

Die Verleger kritisieren, dass sie angesichts dieses erweiterten ORF-Online-Angebots mit privat finanziertem Online-Journalismus keine tragfähigen wirtschaftlichen Modelle errichten können.

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