Produzentenpaar Klingohr: "Meine Frau sagt zuerst auf jeden Fall nein"
Ein Leben für Film und Fernsehen: Die Klingohrs erzählen über ihr turbulentes Leben.
KURIER: Wie ist aus Rudolf eigentlich Purzl geworden?
Purzl Klingohr: Ich ging in die Textilschule – als einer von nur drei Burschen mit 17 Mädchen. Eine nannte mich „Purzi“. Als Hahn im Korb habe ich das gerne angenommen – und aus Purzi ist später der Purzl geworden.
Wie kommt man von der Textilschule zum Film?
Purzl: Ich schloss mich damals auf der Straße spontan einem Freund an, der sich gerade zur Filmakademie anmelden wollte. Dort habe ich dann wie er behauptet, seit dem achten Lebensjahr zu fotografieren – und wurde aufgenommen. Er nicht. Eigentlich wollte ich Gartenarchitekt werden. Die Farbenlehre und der „Goldene Schnitt“ bis hin zum Aktzeichnen in der Textilschule waren aber eine gute Grundlage, um später Kamera zu machen.
Sie, Inge, haben mit Ihrem Mann die Filmproduktionsfirma aufgebaut, die Finanzen gemacht und leiten nun nach dem Rückzug Ihres Mannes 2012 gemeinsam mit ihren Söhnen die Firma. Mischt er sich wirklich nicht mehr ein?
Inge Klingohr: Im Hintergrund schon ein bisschen – und er ist auch ständig da. Die Söhne machen das aber wirklich perfekt.
Geht ihr euch nie auf die Nerven?
Inge: Oja, schon manchmal. Begonnen hat er ja allein, aber ich musste nach seinem schweren Autounfall mit Genickbruch plötzlich die Firma führen, ohne vom Filmgeschäft Ahnung zu haben.
Purzl: Es war dramatisch, fünf Wirbel waren betroffen. Dennoch war ich nie auf Reha, weil das Geschäft ist wichtiger gewesen. Wir waren gerade 30 und 34 Jahre ...
Inge: ...und die Kinder klein.
Purzl: Der Arzt im Spital Oberwart meinte: „In der nächsten halben Stunde wissen wir, ob Sie überleben.“ Ein ziemlich „interessanter“ Moment. Dann kam meine Frau mit dem älteren Sohn, damals gerade vier. Der Arzt meinte, er solle seinem Vater noch einmal ein Busserl geben. Da sind die Energien zurückgekommen, da wollte ich weiterleben.
Inge: Und ich blieb dann bei ihm, dem Schwerverletzten, der sich nicht bewegen konnte, zehn Tage lang als eine Art Intensivschwester, weil das gab es damals in Oberwart nicht. Es war schon heftig.
Purzl: So ist sie dann auch in die Firma hineingerutscht, ins Produzenten-Dasein. Fast hast du es mir weggenommen.
Inge: Da hat es dann schon Krisen gegeben, weil auf einmal war ja ich die Chefin!
Begonnen hat die 1969 gegründete Firma mit Werbung.
Purzl: Ich habe aufgehört mit der Werbung, als ich – noch als Kameramann – einen Werbespot für eine Besteckfirma drehen musste. Da kamen zwei Reiter mit großen Hüten, um die Besteckfirma zu überfallen. Völlig krank! Danach habe ich mich auf Dokumentation konzentriert.
Sie produzieren schon lange die „Seitenblicke“. Wie hat sich das Format entwickelt?
Purzl: Vor uns war das eine Art Schlüssellochgeschichte. Ich habe es ein bisschen ernsthafter angelegt und zum Beispiel auch die Kunst mit hineingenommen.
Inge: Und er hat dann gemeinsam mit dem Ossi Schellmann auch die „Seitenblicke-Night-Tour“ erfunden, weil er auch für jene etwas tun wollte, die sich diese Events nicht leisten können. Das dort gesammelte Spendengeld fließt an „Licht ins Dunkel“. Ich habe es ausgeführt – bis heute. Wir haben bis jetzt sieben Millionen Euro gesammelt.
Sie haben sogar einmal den in Konkurs gegangenen Nationalzirkus ersteigert, um ihn zu retten, und ihn nach einem halben Jahr der Familie Knie zurückgegeben.
Purzl: Ich habe den Zirkus gemeinsam mit einem Industriellen ersteigert und war dann halt ein halbes Jahr auch Zirkusdirektor. Ich weiß daher, wie es im Zirkus zugeht – ein harter Job.
Sogar ein Wirtshaus haben Sie gegründet. Purzls Paradiesgartl war ja eigentlich nur als Kulisse für „Frisch gekocht“ gedacht.
Purzl: Nach zwei Jahren wollte mich meine Familie fast entmündigen, weil es so viel gekostet hat. Aber heute ist es ein gut gehendes Wirtshaus, das ein afghanischer Flüchtling übernommen hat. Er macht einen tollen Job.
Inge: Er ist immer gut für neue Ideen, die halt manchmal sehr kostspielig sind.
Purzl: Meine Frau sagt zuerst auf jeden Fall nein, und ich muss mir viel einfallen lassen, dass es dann doch funktioniert. Letzten Endes ist sie meistens einverstanden.
Sie ist der Chef?
Inge: Nein.
Purzl: Fast. Ein Beispiel: Ich habe den Motorbootschein gemacht, und sie hat gesagt: „Um Himmels willen, kauf dir kein Boot!“ Dann bin ich zum Dietrich Mateschitz mit der Idee gegangen: „Drei alte Deppen kaufen sich ein Boot in Amerika und fahren quer durch die Welt.“ Daraus wurde dann eine Serie für Servus-TV. Ich bin aus der Firma dafür ausgestiegen, weil der ORF damals nicht glücklich war, wenn man für einen anderen Sender gearbeitet hat.
Inge: Unsere Söhne Nils und Niki führen diese Zusammenarbeit mit Servus TV fort und haben auch erfolgreiche Formate entwickelt.
Zum ausführlichen "Salon Salomon" mit Purzl und Inge Klingohr
Sie sind seit über 50 Jahren verheiratet und wirken sehr harmonisch.
Inge: Das täuscht, wir sind nicht immer einer Meinung!
Denken Sie an Pension?
Inge: Ich ein bisschen mehr als er. Er mit seinen tollen Filmchen ...
Purzl: Filmchen sagt sie. Pah! Ich stelle gerade einen Klimt-Film über ein verschollenes Gemälde fertig. Der Klimt-Forscher Alfred Weidinger und ich verfolgen dieses Bild seit 12 Jahren – das Porträt eines Afrikaners. Es wird am 22. Dezember im ORF gesendet.
Interspot Film GmbH
Purzl und Inge Klingohr sind legendäre Fernseh- und Filmproduzenten. Sie wurden mit Dokus für „Universum“ berühmt und produzieren bis heute „Seitenblicke“ (für den ORF) „Quizmaster“ und „Quizjagd“ (Servus TV). Die Firma wird mittlerweile von Inge Klingohr gemeinsam mit den Söhnen Niki und Nils geführt. Purzl Klingohr betreibt nun
seine eigene Produktionsfirma „TV und more“. Er hat sechs Romys für sein Schaffen bekommen.
Trifft Sie die Medienkrise auch? Alle schauen Serien.
Purzl: Wir haben vieles selbst entwickelt, zum Beispiel war die Hansi Hinterseer-Show eine Erfindung von mir. Die erste Sendung habe ich selbst finanziert. Seither sind 67 Folgen entstanden. Auch die Kochsendung „Andi und Alex“ habe ich erfunden. Diese Form der Entwicklung gibt es nicht mehr.
Inge: Die Krise ist da, das spüren wir alle. Das analoge Fernsehen ist aber trotzdem noch nicht am Ende. Auch die Streamingdienste greifen auf große TV-Geschichten zurück. Durch den Eurovision Contest ist das nächste Jahr für Fernsehproduzenten aber auf jeden Fall schwierig. Dorthin fließt natürlich viel Energie.
Wie kann man als Produzent trotz Netflix & Co überleben?
Inge: Der Markt ist im Umbruch.
Purzl: In manchen Momenten denkt man sich dann schon: Oh, hätten wir damals, als es Angebote gab, verkauft!
Inge: Ich bin stolz auf meinen Mann und meine Söhne ...
Purzl: Und ich bin stolz auf meine Frau.
War immer klar, dass die Söhne übernehmen werden?
Purzl: Ja. Sie haben mit dem Peter Alexander Fußball gespielt und mit dem Karl Merkatz Flugzeug gebastelt. Und sie waren in Los Angeles auf der UCLA (eine der weltweit führenden Universitäten, Anm.).
Sie sind vielfacher Romy-Preisträger. Wie wichtig ist die Romy für die Branche?
Purzl: Ganz wichtig, weil damit ein Zeichen für Qualität gesetzt wird.
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