"Die Schande am K2" im TV: Wenn ein Leben zu wenig zählt

"Die Schande am K2" im TV: Wenn ein Leben zu wenig zählt
ServusTV rollt in der „Bergwelten“-Doku „Die Schande am K2“ den tragischen Fall vom Juli auf, als  Dutzende Bergsteiger einem verletzten Höhenträger die Hilfe verweigerten.

Rehmat Ullah, ein Funktionär des Alpinklubs von Pakistan, bringt es in der Doku auf den Punkt: „In der Kathmandu-Deklaration heißt es: Wenn du am Berg bist und da ist jemand in einer Notlage – egal ob von deiner Expedition oder nicht –, du bist aus humanitären Gründen verpflichtet, zu helfen. Bei Muhammad Hassan war das nicht der Fall.“

Der 27-jährige Hassan arbeitete als Höhenträger, um seine in ärmlichen Verhältnissen lebende Familie zu ernähren. Er war am 27. Juli 2023 viel höher als sonst tätig und wurde bei einem Lawinenabgang auf rund 8.200 Metern Höhe schwer verletzt. Er starb nach wenigen Stunden.

Flaschenhals

Die Bilder (angefertigt mittels Drohne für ServusTV) gingen um die Welt. Hassan war relativ schlecht ausgerüstet. Schlechter als jene mehr als siebzig Alpinisten, die über ihn hinweg  stiegen, um ihr heiß ersehntes und teuer finanziertes Ziel zu erreichen. Der 8.611 Meter hohe Berg gilt als einer der gefährlichsten. Nicht zuletzt durch die Schlüsselstellen Bottleneck (engl. für Flaschenhals) und Traverse, die beide von einem gewaltigen Hängegletscher (Großer Serac) bedroht werden.

Mehr dazu: Drama am K2: Dutzende Bergsteiger steigen über sterbenden Höhenträger

Expeditionstourismus

Der Tiroler Hotelier, Ex-Rennfahrer und Ex-Politiker Willi Steindl widmet sich  dem Bergsteigen und arbeitete mit „Bergwelten“-Kameramann Philip Flämig an einer Doku über seine K2-Expedition. Dabei  fiel ihnen auf, dass der Chogori (ein alternativer Name des Berges) immer mehr Expeditionstourismus anzieht.

 

"Die Schande am K2" im TV: Wenn ein Leben zu wenig zählt

Im Basislager des K2 war Willi Steindl noch guter Dinge

Auch Extremalpinistin Gerlinde Kaltenbrunner zeigt sich nach einem Besuch vor zwei Jahren „ganz schön erschüttert. Das hat sich so verändert. Da sind nur große, kommerzielle Expeditionen dort, auf einmal steigen alle mit Flaschensauerstoff auf.“ 
Die Österreicherin hatte 2011 mit der Ersteigung des K2 einen besonderen Rekord erzielt. Sie war die erste Frau, die ohne Flaschensauerstoff alle Achttausender erklommen hat.

Das K2-Basislager auf dem Godwin-Austen Gletscher

An dem Tag, als Muhammad Hassan starb, stellte eine andere Frau einen aus heutiger Sicht bedenklichen Rekord auf. Innerhalb von 92 Tagen bestieg die Norwegerin Kristin Harila gemeinsam mit Sherpa Tenjen Lama alle 14 Achttausender – mit teuren Helikopterflügen zwischen den Basislagern, unter Zuhilfenahme von Sauerstoff. Just in der Todesstunde Hassans feierte sie ihren Rekordgipfelsturm via Instagram – in der Meinung, es sei „alles in Ordnung“, wie sie in der Doku sagt. Aus ihrem Team blieb der brasilianische Kameramann Gabriel Tarso beim verletzten Hassan. Zu wenig,  um den Mann ins nächste Camp zu bringen.

Tarso kommt in der Doku ebenso zu Wort wie Harila, die ihr Handeln erklärt, sowie Hassan Shigri, der verzweifelt versuchte, seinem Cousin zu helfen. Er sagt: „Alle stiegen drüber und gingen vorbei. Der Platz war eng, wir saßen da, und ich hielt ihn in meinen Armen. Da stieg einer mit dem Steigeisen auf mein Bein. Er wollte, dass ich Platz mache.“

NEPAL-NORWAY-MOUNTAINEERING-MOUNTAINS

Kristin Harila (rechts) und ihr Team beim Jubeln

Dunkelziffer

Der Psychiater Reinhard Haller  sagt: „Ich glaube, dass diese Art von Verbrechen eine recht hohe Dunkelziffer hat.“ Ohne die Anwesenheit des „Bergwelten“-Teams hätte wohl auch dieser Fall nicht die westliche Welt erreicht. 

„Wie soll man sich  freuen über so einen Gipfelerfolg?“, sagt der Extremalpinist Hans Kammerlander. „Wenn man weiß, man ist an einem Schwerverletzten vorbeigegangen. Das ist sehr skrupellos. Diese Leute sollten für so ein Tun bestraft werden.“

Zuvor hatte ein Wetterfenster die Möglichkeit eröffnet, den K2  in Angriff zu nehmen. Es war die letzte Möglichkeit in dieser Saison. In der Nacht, als der entscheidende Anstieg begann und ein Lawinenabgang am Bottleneck gemeldet wurde, entschied sich Steindl dazu, umzukehren. In der Doku, die die beklemmenden Stunden schildert,  sagt er auf rund 8.100 Metern Höhe: „Das Schwerste ist, umdrehen zu können – und ich glaub, ich kann’s.“ Auf Anraten seines erfahrenen Sherpas sagt er: „Wir drehen jetzt um. Traum geplatzt. Aber mein Leben ist mir wichtiger.“

Die bedrückenden Umstände rund um den Tod von Muhammad Hassan erfasste  er erst beim Auswerten der Drohnenvideos. Gemeinsam mit Tarso besuchte er die Familie des Verstorbenen – und versprach, ihnen zu helfen. 

Die Doku endet mit einem positiven Ausblick. Über Spendengelder soll vor Ort eine Alpinschule gegründet werden. Auch dies soll helfen, Unglücke wie jenes am 27. Juli zu verhindern.  

 

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