"Jetzt reden Sie’s aber ein bisschen schön, Herr Strache"

"Jetzt reden Sie’s aber ein bisschen schön, Herr Strache"
Folgt nach der Wien-Wahl das baldige politische Ende des Heinz-Christian Strache? Das Interview auf Puls 24 spürte einer Frage nach, die niemand mehr beantworten kann oder will.

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

„HC Strache im ersten Interview“ schreibt der Nachrichtensender Puls24 am Mittwochabend in Großbuchstaben.

Interviewerin Corinna MIlborn fragt aber zu Beginn: „Herr Strache, ist das unser letztes Interview mit Ihnen als Politiker? Ich bin mir da nicht so sicher gewesen bei der Vorbereitung.“

"HC Strache im letzten Interview“, das wäre tatsächlich ein mutiger Titel gewesen.

Heinz-Christian Strache sagt: „Nein, ich bin der Parteichef des Bürgerteams HC Strache, das bleibe ich. Wir haben Großes versucht, sind aber leider nicht hoch genug gesprungen.“ 

Strache spricht damit die soeben geschlagene Wien-Wahl an, bei der sein Team HC ganz klar den Einzug in den Gemeinderat verfehlt hat.

Man habe „zu wenig finanzielle Mittel“ gehabt, keine Strukturen aufbauen können.

„Natürlich ist es enttäuschend, weil wir das Vertrauen der Wähler nicht bekommen haben.“

Sehr oft fällt das Wort „Löwenherz“. Jenes nämlich, mit dem seine Mitarbeiter gekämpft hätten.

„Ich sage, das ist der Beginn und nicht das Ende.“

Der ehrenamtliche Heinz-Christian Strache

Seine Arbeit gehe weiter, ehrenamtlich, „das ist sozusagen letztlich auch mein Wollen“.

Auch das Wort „ehrenamtlich“ fällt gefühlt fünfzig Mal in 25 Minuten. Der ehrenamtliche Heinz-Christian Strache, ist das die Überschrift über dem nächsten Kapitel im letztendlich patscherten politischen Leben des HC Strache? Was macht der ehrenamtliche HC Strache?

Aber, stopp, wollen wir das wirklich wissen? Ist es überhaupt noch sinnvoll, Strache zu einem großen Interview ins Fernsehen zu bitten?

Wollen wir wirklich hören, wie er solche Sätze sagt: „Mit Herzblut und Leidenschaft ganz bewusst die Interessen unser Bürger und Bürgerinnen vertreten.“ 

Wir hören einfach weiter zu.

"Jetzt reden Sie’s aber ein bisschen schön, Herr Strache"

„Jetzt reden Sie’s aber ein bisschen schön, Herr Strache“

Er gebe den Platz in den Bezirksvertretungen bewusst seinen Mitarbeitern. „Da will ich nicht den Platz versitzen“, sagt er. Er werde mit dem Geld aus der Parteienförderung „Veranstaltungen sicherstellen“ und eine „Medien-Online-Platttform" aufbauen.

Dass er keines der Bezirksratsmandate, um die er sich unter anderem beworben hatte, annehme, „ist das nicht eine Geringschätzung?“ fragt Milborn. Immer wieder stört sie die Strachesche Schönfärberei.

Aber nein, das sei eine „Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen“, meint Strache.

Er erzählt von einem Unternehmer aus Oberösterreich, der ein Antreten des Team HC bei der Landtagswahl im nächsten Jahr ermöglichen wolle. Dieser habe ihm seinen „Respekt“ ausgedrückt und vom „zweithöchsten Plus, das in Wien gelungen ist“ gesprochen, also gleich nach der ÖVP.

„Jetzt reden Sie’s aber ein bisschen schön, Herr Strache“, sagt Milborn.

Strache kann nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft schönreden, er sieht in OÖ schon das „starke Comeback eines Bürgerteams“. 

Wenn schon HC in Wien kein Comeback gelungen ist, dann muss es offenbar das „Bürgerteam“ richten, und zwar in OÖ. Aber ein Comeback bedingt auch, dass man irgendwann schon einmal da war.

Er selbst werde in OÖ nicht antreten, sondern das tun, was er immer getan habe: Als Parteichef die Bundesländer unterstützen. Als Parteichef der FPÖ hatte Strache aber wenigstens immer irgendein politisches Mandat.

Strache als rechter Pilz

Aber offenbar ähneln die Zukunftsaussichten Straches jenen des Peter Pilz bei zackzack.at: als spätberufener Journalist. Sein zukünftiges Medienprojekt solle „eben nicht ein Parteimedium“ sein. Dem Linksrutsch, den man bei der Wien-Wahl gesehen habe, wolle er eine „Mitterechtsmedienonlineplattform“ entgegensetzen. Es brauche eine große medienpolitische Breite, „teilweise“ sei die Medienlandschaft „verengt“.

Dass Strache eine Weite in die verengte Medienlandschaft bringt, bezweifelt auch Milborn, unter Verweis auf bestehende weit rechts stehende Portale und Postillen.

Freilich sieht Strache weiteren Bedarf an solchen Inhalten. „Der Wähler hat immer recht“, spricht Strache noch einmal den Linksruck an, „aber die Probleme werden nicht weniger.“ Er erwähnt nicht etwa die Probleme der Arbeiterschaft, sondern jene der von der Corona-Krise gebeutelten Unternehmerschaft.

Milborn: „Sie sagen, der Wähler hat immer recht. Das heißt, Rechtspopulismus zieht vielleicht einfach nicht mehr. Vielleicht hat der Wähler recht und Sie nicht.“

Spesen ohne Fingerabdrücke 

Sie spricht Straches Erklärungsnot in Sachen Spesen und teuren Reisen an. „Sie haben selber einen Lebensstil entwickelt, den die Wähler nicht mehr goutiert haben.“ 

Strache bringt die bekannten Gegenargumente, an einer Stelle sagt er: „Jetzt denken wir doch beide einmal logisch.“

Um kurz darauf so etwas zu sagen: „Auf diesen Rechnungen sind keine Fingerabdrücke von mir drauf.“

Aber er zeigt sich überzeugt: „Viele werden sich noch entschuldigen müssen“, es werde eine „Vorverurteilungsmaschinerie betrieben, „Stasi-Methoden, die in der politischen Auseinandersetzung nichts zu tun haben.“ Darunter fällt aus der Sicht Straches die Ibiza-Affäre.

Milborn kürzt das zum Glück ab und erklärt, darüber werde man ohnehin noch auf juristischem Wege hören. Sie will wissen, wie Strache inhaltlich weitermachen wolle. Sie erzählt, vor dem Interview mit einer türkischstämmigen Frau gesprochen zu haben.

Der auserzählte Strache

Die Frau habe gemeint, fünfzehn Jahre lang hätten sie in Wien die Strache-Plakate von „Daham statt Islam“ bis „Wiener Blut“ verfolgt. Es sei ein gewisses Unbehagen da, dass Strache diese „Hetze“ nun mit seiner Medienplattform betreiben wolle.

„Wollen Sie das weiter machen?“ fragt Milborn.

„Nein“, sagt Strache, er sei differenzierter geworden, sei ja Vizekanzler gewesen. Er sagt dann irgendwas über den „radikalen Islam“ der weiterhin eine Bedrohung sei. Der differenzierte Strache ist also immer noch Strache.

Aber irgendwie scheint Strache auserzählt zu sein, das wenigstens zeigt dieses Interview. Am Ende wähnt man sich überhaupt in einer Endlosschleife.

"Jetzt reden Sie’s aber ein bisschen schön, Herr Strache"

Strache sagt: „So gesehen sind wir ja neben der ÖVP, die plus 11 Prozent gemacht hat, die einzige Bewegung, die mit 3,27 - jetzt muss ich noch einmal schauen - den höchsten Zugewinn haben, aber es leider nicht geschafft haben.“

Der Moment, in dem Strache sich noch einmal über das eigene Wahlergebnis vergewissern muss und dabei kurz auflacht, spricht Bände.

„So kann man es auch hinrechnen“, sagt Milborn.

„Man muss es ja immer positivistisch sehen“, sagt Strache. 

Gemeint ist „positiv“. Oder will Strache nun vielleicht sogar unter die Philosophen gehen? Der Positivismus als philosophische Richtung fordert ja, „dass Erkenntnisse, die den Charakter von Wissen beanspruchen, auf die Interpretation von tatsächlichen, sinnlich wahrnehmbaren und überprüfbaren Befunden beschränkt werden.“ (Wikipedia)

Eindeutig überprüfbar ist, dass Strache „bei weitem den Einzug verfehlt hat“. Zum Abschluss lenkt Milborn den Blick noch einmal auf dieses Faktum.

"Ist es das wert?"

„Fragen Sie sich manchmal: Ist es das wert?“ Ob er manchmal nicht überlege, „einfach aufzuhören und sich zurückzuziehen?“

Strache: „Ich mache das ehrenamtlich, aus Leidenschaft und aus Herzblut“, er wolle „eine Bürgerplattform aufbauen … weil es das braucht in unserem Heimatland.“

„Das wollten halt nur ein paar tausend, Herr Strache“, sagt Milborn, mit fast mitleidsvollem Ton.

„Na was heißt, nur ein paar tausend?“, sagt Strache, „bitte es waren 23.688 Stimmen, die beim ersten Antritt gelungen sind! Und wir werden das Vertrauen der Leute, die zu Hause geblieben sind und mir 2015 noch das Vertrauen geschenkt haben, zurückgewinnen.“ Es werde bald einen Katzenjammer über den Linksrutsch geben.

„Könnten Sie es psychisch überhaupt, sich einfach zurückzuziehen? Man hat bei Ihnen den Eindruck, Sie müssen sich zurückkämpfen.“

„Ja, das ist meine Bestimmung“, sagt Strache, „auch jetzt, wo ich kein Mandat habe, setze ich meinen Weg fort.“

„Meine erste Frage ist beantwortet“, beschließt Milborn das Gespräch. „Das war nicht das letzte Interview, dass Sie als Politiker gegeben haben.“

Bestimmt nicht. Das wird Strache sicherstellen.

 

LINK: Das Interview zum Nachschauen

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