Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten, die drei Regisseure und Autoren von „Babylon Berlin“ war es dabei sehr wichtig, ein facettenreiches Porträt der Nationalsozialisten zu zeichnen. „Die große Herausforderung war, sie innerhalb ihrer Parteiorganisation so darzustellen, wie man sie noch nicht gesehen hat, sagt Tykwer dem KURIER.
Und so tauchen in den zwölf neuen Episoden nicht nur mit Schlagstöcken bewaffnete und gewaltbereit durch die Straßen Berlins ziehende Braunhemden-Träger mit Hakenkreuz-Binde auf, sondern auch jene Verlierer der Zeit, die die Auswirkungen der Wirtschaftskrise enorm zu spüren bekommen, sich im Stich gelassen fühlen und sich an (vermeintliche) Hoffnungsträger wenden, die gegen das Etablissement aufbegehren. „Wenn man sich klarmacht, was damals los war, was sich da aufgestaut hat, wie die Gesellschaft wirtschaftlich gebeutelt wurde, die Leute ohne Essen und Arbeit dastanden, ist es nachvollziehbar, dass mit den Nationalsozialisten eine Bewegung erstarkte, die Hoffnung und Halt versprach und übrigens im Alltag die Menschen auch unterstützt hat. Es gab eine die Notwendigkeit und Sehnsucht nach Erneuerung und der gesellschaftliche Druck war enorm“, sagt Tykwer.
Auch die neue Staffel von „Babylon Berlin“ ist ein auf Fakten und Recherchen berufendes Drama. Die Serie schafft es von Anfang an (die erste Staffel wurde 2017 veröffentlicht) eine Zeit ins Bewusstsein zu rücken, die lange unterbelichtet war: Die Weimarer Republik. Eine kurze, aber intensive Phase der Weltgeschichte, die enorme Relevanz für das Heute hat. Sie war die Wiege der Moderne, ein Turbo für „Wissenschaft, Kunst, Musik, Technologie. Es lag eine ,Alles ist möglich’-Stimmung in der Luft. Das kann man sich heutzutage eigentlich gar nicht mehr vorstellen“, sagt Achim von Borries. Er spricht von einer Mischung aus Fragilität und Aufbruchsstimmung, die technische Revolution habe sich damals (wie übrigens auch heute) in enormer Geschwindigkeit vollzogen, was viele überfordert hat. Das rasende Tempo der Entwicklungen jener Zeit sieht auch Schauspieler Christian Friedel, der in der Serie den Polizeifotografen Reinhold Gräf gibt, als Parallele zur Gegenwart. Es gebe derzeit nur mehr gut oder schlecht, richtig oder falsch, Diskussionskultur und gemeinsame Kompromissfindung würden fehlen. Wohin Frust über politische Entscheidungen wie Coronamaßnahmen führen könnte, „möchte ich mir gar nicht ausdenken“. Indem man wie in „Babylon Berlin“ Geschichten über solch aufgeladene Zeiten und ihre Folgen erzähle, könne man, hofft Friedel, Menschen vielleicht die „Augen öffnen“ und sie dazu anregen, Sachverhalte zu hinterfragen.
„Wir wollen, dass der Zuschauer seine Schlüsse selbst zieht. Vielleicht lernt er daraus, wie gefährdet Demokratie eigentlich ist und welch hässlichen Angriffen sie ausgesetzt ist“, sagt Von Borries, der mit seinen Regie-Kollegen bereits an der Fortsetzung arbeitet. „Wenn man sich die letzte Folge der vierten Staffel angesehen hat, weiß man, dass das auf gar keinen Fall aufhören kann“, sagt Tykwer.
"Babylon Berlin": Die preisgekrönte Serie erzählt auf Basis der Bestseller-Reihe von Volker Kutscher im Berlin der 1920er- und Anfang 1930er- Jahre das ganze Panoptikum zwischen Drogen und Politik, Mord und Kunst, Emanzipation und Extremismus. Immer mittendrin: Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch), den die Zuseher durch den Alltag der Weimarer Republik begleiten. An seiner Seite: Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter.
Neue Folgen: Ab 7. Oktober wird die Serie wöchentlich in Doppelfolgen fortgesetzt. Die zwölf neuen Episoden der vierten Staffel sind exklusiv auf Sky abrufbar. Ebenfalls auf Sky abrufbar sind die Staffeln 1 bis 3.
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