Behörde urteilt: "Missachtung der Menschenwürde" in ATV-Reality-Reihe

„Das Geschäft mit der Liebe“.
Die KommAustria stellt bei "Das Geschäft mit der Liebe" "schwerwiegende Rechtsverletzungen" fest, darunter "Aufstachelung zur Gewalt gegen Frauen". Format wurde nach öffentlicher Kritik heuer eingestellt.

Die Medienbehörde KommAustria hat nach Prüfung der Reality-TV-Reihe „Das Geschäft mit der Liebe“ bei dem ATV-Format "Missachtungen der Menschenwürde sowie Aufstachelungen zur Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts" festgestellt. Diese Tatbestände stuft die Behörde als "schwerwiegende Verletzungen" des Audiovisuelle Mediendienste-Gesetzes (AMD-G) ein. Zudem habe ATV beim Anbieten der Reihe via Streaming gegen Jugendschutzbestimmungen verstoßen, wie die KommAustria am Montag, 15. Dezember, via Aussendung mitteilte.

„Das Geschäft mit der Liebe“ begleitet männliche Singles, die zumeist im Ausland Frauen suchen, die ebenfalls an intimen Beziehungen interessiert sind. Konkret beanstandet wurde die Folge 5 der elften Staffel, „Wodka Exzesse“, deren Inhalte auch Gegenstand einer öffentlichen Debatte wurden. In der betreffenden Folge der Reihe suchten zwei Protagonisten Partnerinnen in Kasachstan, drei weitere in Thailand. Vor allem in Bezug auf die Frauen in Thailand sei es laut KommAustria zu Aussagen und Handlungen gekommen, die "Frauen stark zu Objekten degradierten, in deren Menschenwürde eingriffen und daher in schwerwiegender Weise das Gebot zur Achtung der Menschenwürde verletzten."

Sexuelle Gefügigkeit

Auch das Verbot der Aufstachelung zur Gewalt gegen Personen auf Grund ihres Geschlechts sei "in schwerwiegender Weise verletzt" worden, so die Behörde. Nach Ansicht der KommAustria vermittelten die Aussagen und Handlungen der Protagonisten einem durchschnittlichen Publikum, "dass Frauen grundsätzlich jederzeit, auch gegen Widerstand, sexuell gefügig zu sein haben, ihre Einwilligung in sexuelle Handlungen ohnehin nicht erforderlich sei und die sexuellen Handlungen sogar mit Gewalt erzwungen werden könnten." Da dies zumindest in dieser Folge gegen den "offensichtlichen Widerstand der betroffenen Frauen" unverhohlen dargestellt werde, schaffe dies "einen Anreiz zu Gewalt".

In der Sendung zog ein Protagonist seine „Begleiterin“ trotz deren offensichtlicher Gegenwehr in eine Toilette und deutete sexuelle Handlungen an. "Er forderte die offenbar schwer alkoholisierte Frau auf, ihn oral zu befriedigen", schildert die KommAustria. "Später warf er sich die schreiende Frau über eine Schulter und schleppte sie davon, offenkundig mit dem Ziel, ohne ihre Einwilligung geschlechtliche Handlungen vorzunehmen."

Wirklich oder nicht wirklich - egal

ATV habe die redaktionelle Verantwortung offenkundig nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen, so die KommAustria. Entgegen einer Stellungnahme des Privatsenders sei nicht entscheidend, ob es „hinter den Kulissen“ bei den Dreharbeiten "wirklich oder nicht wirklich zu den angedeuteten, inkriminierten Handlungen gekommen sei oder ob die betroffenen Frauen auf Grund sprachlicher oder räumlicher Barrieren die verbalen Entgleisungen nicht hätten verstehen können, da es allein auf die Ausstrahlung und dementsprechend die Wirkung der Sendung auf das Publikum ankomme", so die Behörde sinngemäß.

Bei der Bereitstellung der Sendung auf Joyn sei überdies gegen Jugendschutzbestimmungen des § 39 Abs. 1 AMD-G verstoßen worden. "Die Sendung wurde über einen Zeitraum von mehr als drei Tagen bereitgestellt, ohne sicherzustellen, dass sie von Minderjährigen üblicherweise nicht wahrgenommen werden kann, da sie im Bereitstellungszeitraum frei zugänglich und ohne Einschränkungen abrufbar war", schreibt die Behörde.

Polit-Kritik an "Das Geschäft mit der Liebe": Umstrittene Folge offline genommen

Im März hatte vorab auf dem Streamer Joyn verfügbares Videomaterial heftige Kritik ausgelöst. In einer Szene war zu sehen, dass einer der jüngeren Protagonisten sich in vulgärer Sprache über die sexuelle Verfügbarkeit einer thailändischen Frau äußerte und einzelne Praktiken beschrieb. Auch war zu sehen, dass der Mann die offenbar alkoholisierte Frau huckepack davontragen wollte.

Dies wurde zunächst von Falter-Chefredakteur Florian Klenk in sozialen Medien thematisiert und kritisiert. Kurz danach meldete sich Medienminister Babler zu Wort. Er kritisierte  „offenes Zurschaustellen sexueller Ausbeutung von Frauen“, dies habe „weder medial im TV noch sonst irgendwo in unserer Gesellschaft etwas zu suchen“. Er wolle das Gespräch mit der Geschäftsleitung suchen.

Offline genommen und geprüft

Die Frauensprecherinnen von SPÖ, ÖVP, Neos und Grüne forderten am Sonntag Konsequenzen. Und die gab es noch am selben Tag. ATV teilte mit, dass die fünfte Folge der elften Staffel, die kommenden Mittwoch ausgestrahlt werden sollte, nicht gezeigt werde. „Da in der betreffenden Folge die Qualitätskontrolle versagt hat“, wurde „die Folge, sowie alle Clips daraus, offline genommen“, sagte ATV.

Danach wurde die ATV-Realityshow monatelang geprüft. Ab Ende Juli wurde die gesamte elfte Staffel von Neuem gezeigt. Alle Folgen wurden nicht nur neu geschnitten, sondern auch die Off-Texte überarbeitet. So werde das Verhalten der Männer stärker kritisiert, beteuerte der Sender damals. Auch ein "Warnhinweis" wurde vor den einzelnen Folgen eingeblendet.

Nach Auslaufen der Staffel gab ATV bekannt, dass "Das Geschäft mit der Liebe" nach fünfzehn Jahren eingestellt wird.

INFO: Ausführliche Begründung der KommAustria

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