"Das Geschäft mit der Liebe": Reality-TV jetzt mit Warnhinweis

Quotenerfolge mit alkoholträchtigen Liebestrips nach Osteuropa und Thailand (Bild). Im Vorjahr sahen bis zu 172.000 zu.
Es ist noch nicht vorgekommen, dass aufgrund der bevorstehenden Ausstrahlung einer Reality-TV-Serie ein gutes Dutzend Journalisten für ein Vorab-Screening nach Sankt Marx pilgert. Aber dies geschah am Montag aus gegebenem Anlass.
Die eigentlich seit Beginn berüchtigte ATV-Reihe „Das Geschäft mit der Liebe“ ist heuer nach 15 Jahren Laufzeit zum Politikum geworden. In der Sendung reisen österreichische Männer in Länder wie Kasachstan oder Thailand, wo sie – von heimischen Frauen enttäuscht – auf Brautschau gehen. Der frischgebackene Medienminister Andreas Babler (SPÖ) kritisierte im März „offenes Zurschaustellen sexueller Ausbeutung von Frauen“. Kurz darauf forderten die Frauensprecherinnen von SPÖ, ÖVP, Neos und Grünen Konsequenzen. Die gab es rasch. ATV stoppte die Ausstrahlung der elften Staffel vor der inkriminierten fünften Folge, die davor auf Joyn vorab gestreamt worden war. Man setzte sich in den Schneideraum, um das Format zu adaptieren, und wollte noch vor dem Sommer wieder on air gehen. Die Prüfung dauerte offenbar etwas länger als geplant.
Thailand-Erzählstrang in Diskussion
„Wir haben tatsächlich lange drüber diskutiert, ob wir Thailand drinnen lassen“, sagte ProSiebenSat.1Puls4-Unterhaltungschef Oliver Svec am Montag bei dem Medientermin. Man habe das gesamte Rohmaterial mit thailändischen Frauen gemeinsam analysiert. „Hätte es Anzeichen gegeben, dass da irgendwas nicht freiwillig passiert oder dass sich die Frauen nicht wohlfühlen, dann hätten wir wahrscheinlich die gesamte Thailand-Story rausgekickt.“
Dies sei nicht der Fall gewesen, wie auch Thailänderinnen in der überarbeiteten ersten Folge, die den Journalisten gezeigt wurde, zu Protokoll geben. Laut Svec werde nun in jeder Folge eine Metaebene eingezogen, in der man Kommentare dieser Frauen sehe. Ebenfalls involviert ist der frühere „Lovecoach“ und Sendungslegende Robert Nissel, der zurückgeholt wurde. In Folge 1 zeigt dieser Verständnis für die Aufregung: „Die Sprechweise der Protagonisten ist ein bisschen zu tief. Sie haben ein bisschen übertrieben. Und da stürzen sie manche eben dann drauf, wie die Geier, aber auch übertrieben“.
Der Herr Nissel als moralische Instanz.

Die größte Aufregung ist rund um einen Ausschnitt entstanden, in dem einer der jüngeren Protagonisten sich vulgär über die sexuelle Verfügbarkeit einer thailändischen Frau äußert. Auch war zu sehen, dass der Mann die offenbar alkoholisierte Frau huckepack davontragen wollte. Dabei sei ein falscher Eindruck entstanden, sagte Svec. Besagte Szene werde auch in der überarbeiteten Version gezeigt, sagt der Unterhaltungschef. Allerdings werde man nun auch sehen, „dass der Abend da noch nicht vorbei war, die waren kilometerweit vom Hotel entfernt.“
Man habe nicht nur neu geschnitten, sondern auch die Off-Texte überarbeitet. So werde das Verhalten der Männer stärker kritisiert. Ein Beispiel: Der 21-jährige Alex reist mit dem GTI nach Ungarn, um eine „leiwande Oide“ zu finden. Der Alkohol fließt in Strömen. Der Sprecher kommentiert: „Ob es Alex an diesem Abend schafft, sich selbst schön zu saufen, bleibt ungewiss. Gerhard ist von Alex’ alkoholischem Übereifer wenig begeistert. Er weiß: Betrunkene Männer kommen bei Frauen nicht so toll an.“
Gegenübergestellt wird den suchenden Männern etwa Peter, der bereits in Thailand fündig wurde. Er ist zu sehen, wie ihm eine Frau in Österreich besuchen kommt. Er sei höflich und charmant aufgetreten und habe sie nie bedrängt, klärt die Frau über ihre Partnerwahl auf.
Eine andere asiatische Frau lässt sich über ihren Ex-Partner aus, der sie einst nach Österreich holte. Dieser habe immer herumgeschrien. Er, auch im Nachnamen ein Macho, führt dies darauf zurück, dass er von der Baustelle erhöhte Lautstärke gewohnt sei.
Vor jeder Sendung gibt es nun einen Warnhinweis (siehe Foto), der von „schockierenden Verhaltensweisen und wie man damit unweigerlich scheitert“ berichtet. „Ganz arge Aussagen“ habe man rausgenommen, betonte Svec. Allerdings sah man auch in der überarbeiteten Folge Männer über sogenannte „MILFs“ und „blade Frauen“ philosophieren. Einer, Michael, will sich in Thailand „durchtesten“.

Zu wenig eingeordnet
„Reality TV darf auch nicht vorbildhaftes Verhalten“, sagt Svec. „Menschen lernen modellhaft aus dem jeweiligen Verhalten und dessen Konsequenzen.“ Die Kernfrage sei gewesen: „Wo kann man dem Zuschauer zumuten, dass er diese Schlüsse selbstständig zieht? Vielleicht ist es tatsächlich so, dass es für die heutige Zeit zu wenig eingeordnet war.“
Nach der breiten Kritik wurden auch die internen Leitlinien nachgeschärft. Danach gefragt, ob „Das Geschäft mit der Liebe“ auch eingestellt hätte werden können, meinte Svec: „Es ist nicht so leicht, Formate zu produzieren, die so breit konsumiert werden.“ Die Sendung werde überwiegend von gebildeten Frauen geschaut, fügt er an. „Eines der Sehmotive ist, sich über solche Männer aufzuregen.“
INFO: ATV zeigt die 14 Folgen der elften Staffel von "Das Geschäft mit der Liebe" jeweils am Dienstag (20.15 Uhr) in Doppelfolgen
Das Format war zuletzt noch immer ein beträchtlicher Quotenerfolg. Die zehnte Staffel erzielte im Schnitt 153.000 Seherinnen und Seher (E12+) und 10,5 Prozent Marktanteil bei den 12- bis 49-Jährigen. Dies lag deutlich über dem Marktanteil von 3,9 Prozent, den ATV insgesamt im Vorjahr erreichte. Die stärkste Folge erreichte im Schnitt 172.000 Seher.
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