Anke Engelke über neue Serie mit Pastewka: "Haben ein Herz für Slapstick"
Sie mischten in den Neunzigerjahren gemeinsam den deutschen Fernsehhumor auf („Die Wochenshow“, Sat.1). 2021 mischten sie in „LOL: Last One Laughing“ wieder den deutschen Fernsehhumor auf.
Nun sind Anke Engelke und Bastian Pastewka – erneut auf Amazon Prime Video – erstmals gemeinsam in einer Dramedy-Serie zu sehen. Wobei das mit dem „gemeinsam sehen“ sehr relativ ist, denn „Perfekt verpasst“ bezieht seinen entzückend eigenwilligen Humor daraus, dass die beiden Singles mittleren Alters in einer deutschen Kleinstadt spielen, die wie geschaffen füreinander wirken, einander aber noch nie begegnet sind. Und hartnäckig sorgt das Drehbuch dafür – jedenfalls in den ersten der insgesamt acht Folgen – dass dies auch so bleibt.
Wie war das für Engelke, die mit Pastewka in der Lockdown-Zeit 2020 in einem „sehr kreativen und produktiven“ Brainstorming die Grundidee entwickelte?
„Das war im Writers’ Room superspannend“, sagt sie, „weil ich so ein Setup noch nicht kannte. Es ging immer darum: ,Dann ist Ralf da, Maria ist da, da fährt sie im Hintergrund vorbei, sie verpassen sich knapp.‘ Also Drehtage hatten wir schon miteinander, es wird noch konkreter mit den beiden Hauptfiguren.“
Beide waren auch als Executive Producer tätig. „Wir mochten es, in alle Prozesse involviert zu sein. Uns war aber als Schauspieler ebenso wichtig, nicht zu wissen, wie die Welt des anderen ist. Ich habe zum Beispiel bis heute das Haus von Ralf nicht von innen gesehen.“
Ralf, ein Verkäufer in einem Sportfachgeschäft, ist ein netter, aber frisch geschiedener Familienvater. Und etwas tollpatschig. Immer wieder meldet sich seine Smartwatch: „Bist du gestürzt?“
„Als ich als Anke zum ersten Mal den Sportladen gesehen habe, war das schon etwas besonderes“, erzählt sie. „Ich dachte: ,Das ist die Welt von Ralf? Das ist ja verrückt.‘ Es hat gut getan für die Rolle, dass wir wussten: Wir sehen etwas wirklich zum ersten Mal. Gespielt ist am Ende alles, aber je echter die Gefühle da sind, desto besser.“
Ihre Maria hat eine Buchhandlung in der Oberstadt, legt ihre Wege mit dem Fahrrad zurück und ist „Käsetyp 4“, wie der Milchprodukte-Straßenkeiler herausgefunden haben will. Dass sie eine Affäre mit Max (Serkan Kaya) hat, ändert nichts daran, dass sich ihr Buchhändlerinnenleben nicht mehr richtig anfühlt. Sie will sich einen Lebenstraum erfüllen: den eigenen Roman. Maria steckt aber tief im Schreibtunnel fest.
"Ich möchte nicht lange träumen"
Ob Engelke, die zuletzt ein Kinderbuch veröffentlichte, selbst unerfüllte Lebensträume kenne?
„Nein, so bin ich gar nicht“, sagt sie. „An meinem Beruf ist einfach toll, dass einem auch etwas zugetraut wird. Ich bin immer wieder überrascht, was für Angebote kommen. Wenn ich etwas machen möchte, dann versuche ich, es umzusetzen, auch im Privaten, bei Reisen zum Beispiel. Ich möchte nicht lange davon träumen, dafür ist das Leben zu kurz.“
Großes Glück
Zuletzt drehte sie die Amazon-Serie „Deutsches Haus“, über die Aufarbeitung der Naziverbrechen. „Das habe ich mir nicht gewünscht, aber es hat perfekt gepasst. Für mich war es eine große Herausforderung, so eine tragische Rolle zu spielen, historisch zu arbeiten. Oder ,Der Onkel‘: Dass das zu mir geflattert ist … was für ein großes Glück!“
Für letztere Kinokomödie drehte sie (Regie: Michael Ostrowski und Helmut Köpping) erstmals in Österreich. „Ich muss schon sagen: Dass da bezüglich einer Fortsetzung nicht mal langsam was passiert, das grenzt schon an einen Skandal. Ich finde, die Welt braucht eine Fortsetzung. Und ehrlich gesagt: Ich auch. Ich habe es geliebt, in Wien zu sein.“
Für „Perfekt verpasst“ drehte sie in der Gebrüder-Grimm-Stadt Marburg. Diese Idee kam von Pastewka.
Engelke: „Basti und ich sind seit 28 Jahren sehr gut miteinander befreundet, inzwischen kann ich mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. So einen Freund zu haben, das ist etwas ganz Besonderes, nicht nur in dieser Branche. Wir haben schon bei der ,Wochenshow‘ festgestellt, dass wir eine ganz ähnliche Humorsozialisation haben. Interessanterweise gibt es jüngere Leute, die uns erst über ,LOL‘ wahrgenommen haben“.
Dort würden die beiden auch sicher wieder gebraucht.
„Ah!“, reagiert Engelke und lacht. „Aber da sind Basti und ich wirklich apodiktisch. Wir müssen Platz machen für andere Gesichter, die man noch nicht so kennt.“
Das vollständige Interview mit Anke Engelke, in dem auch der Interviewer plötzlich Fragen beantworten musste ...
KURIER: "Perfekt verpasst" - Ist der Titel nicht gefährlich für Versprecher?
Anke Engelke: Ich fand auch, dass es ein kleiner Zungenbrecher ist. Aber es ist bisher nicht so dramatisch, wie ich befürchtet habe.
Jedenfalls passt der Titel gut zum Inhalt der Serie. Wie ist denn die Grundidee entstanden?
Wir beamen uns mal kurz zurück in das Jahr 2020. Pandemie, Lockdowns. Basti und ich sind seit 28 Jahren sehr gut miteinander befreundet, inzwischen kann ich mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. So einen Freund zu haben, das ist etwas ganz Besonderes, nicht nur in dieser Branche. Wir haben schon bei der “Wochenshow” festgestellt, dass wir eine ganz ähnliche Humorsozialisation haben. Bei ihm ist sie ein bisschen mehr britisch, bei mir ein bisschen mehr US-amerikanisch, aber wir treffen uns da irgendwo in der Mitte. Interessanterweise gibt es jüngere Leute, die uns erst über LOL wahrgenommen haben. Wir saßen also zusammen im Kölner Studio eines befreundeten Fotografen, haben ganz brav acht Meter Abstand gehalten. Das war so ein sehr kreatives und produktives Brainstorming, es flog alles hin und her. Am Ende der Woche wussten wir über das nächste Projekt: Wir wollen nicht Geschwister sein. Wir wollen nicht Berufskolleg:innen sein. Wir wollen nicht zwei Kidnapper:innen sein. Wir wollen nicht durchs Weltall schweben und wir wollen auch nicht im Mittelalter angesiedelt sein. Wir wollen im Hier und Jetzt sein. Und wir wollen eine Liebesgeschichte erzählen. Basti hatte dann am letzten Tag der Brainstorm-Woche die Idee: Was ist, wenn die beiden sich erst mal nicht begegnen?
Gerade wenn man so ein tolles Team bildet und nach Längerem wieder etwas gemeinsam macht - wie ist es dann, wenn man beim Dreh gar nicht so viel miteinander zu tun hat?
Das war im Writers’ Room superspannend, weil ich so ein Setup vorher noch nicht kannte. Es ging immer darum: “Dann ist Ralf da, Maria ist da, da fährt sie im Hintergrund vorbei, Sie verpassen sich knapp.” Also Drehtage hatten wir schon miteinander. Es wird auch noch konkreter mit den beiden Hauptfiguren. Wir mochten es, komplett in alle Prozesse involviert zu sein. Uns war aber als Schauspieler ebenso wichtig. nicht zu wissen, wie die Welt des anderen ist. Ich habe zum Beispiel bis heute das Haus von Ralf nicht von innen gesehen. Als ich als Anke zum ersten Mal den Sportladen gesehen habe, war das schon etwas besonderes. Ich dachte: "Das ist die Welt von Ralf? Das ist ja verrückt." Es hat auch gut getan für die Rolle, dass wir wussten: Wir sehen etwas wirklich zum ersten Mal.Gespielt ist am Ende alles, aber je echter die Gefühle da sind, desto besser. Und ich fand total aufregend, dass ich bis heute einige Menschen aus Ralfs Umfeld nicht getroffen habe. Es ist schön zu wissen: Das sind zwei verschiedene Welten. Das hilft mir als Schauspielerin sehr.
Maria Lampe trifft schon in der ersten Folge auf eine Gegenspielerin. Was löst das in ihr aus?
Für Maria ist das eine Katastrophe. Beim Bowling erzählt sie ja die Geschichte von Johanna und sich vom gemeinsamen Studium, der Freundschaft, der gemeinsamen Idee. Zu sagen, wir schreiben was zusammen und dann macht es die sogenannte Freundin im Alleingang. Das ist eine große Verletzung. Das Aufeinandertreffen ist super schwierig. Ich könnte mir vorstellen, dass da viele Menschen andocken können, die wissen: Ah, da ist noch was, da liegt noch was im Argen. Das ist noch nicht geklärt. Wenn eine Verletzung wirklich tief ist, dann kann man nicht so schnell verzeihen. Es gibt Leute, die können schnell verzeihen, aber Maria nicht.
Perfekt gepasst
Es geht ja auch um nicht erfüllte Lebensträume. Gibt's da bei Ihnen auch was, wo Sie sagen: Das wollte ich schon immer machen? Sie haben zuletzt ein Kinderbuch gemacht.
Nein, so bin ich gar nicht. An meinem Beruf ist einfach toll, dass einem auch etwas zugetraut wird. Ich bin immer wieder überrascht, was für Angebote kommen. Und je weniger konkret ich meine Wünsche formuliere, desto offener ist der Fächer dessen, was mir angeboten wird. Ich hab noch nie geäußert, was ich unbedingt gerne machen würde. Wenn ich etwas machen möchte, dann versuche ich, es umzusetzen, auch im Privaten, bei Reisen zum Beispiel. Ich möchte nicht lange davon träumen, dafür ist das Leben zu kurz. Gerade im Beruflichen freue ich mich auf alles, was kommt. Weil ich immer wieder überrascht werde. "Das Deutsche Haus" habe ich mir nicht gewünscht, aber es hat perfekt gepasst. Der Moment war richtig und für mich war das spielerisch auch so eine große Herausforderung, so eine tragische Rolle zu spielen, historisch zu arbeiten. Oder "Der Onkel": Dass das zu mir geflattert ist … Was für ein großes, großes Glück!
Als Maria Lampe dann, durch dieses Erlebnis herbeigeführt, sich daran setzt, endlich ihr Buch zu schreiben, fällt es ihr sehr schwer. Sieht sie sich gezwungen dazu, das zu machen?
Wie toll! Sie psychologisieren. Das macht ja Spaß. Ich finde die Fragen immer interessanter als meine Antworten. Aber so einen Realitätsabgleich finde ich immer ganz gut. Träume und Wünsche, haben Sie denn da was? Sind sie da mehr Team Maria, die Träume und Wünsche hat und irgendwas machen will? Oder sind Sie mehr Team Anke, die sagt: Ich mach, was das Leben mir schenkt?
Sicher gibt es Träume, aber man kann halt nicht alles umsetzen. Aber ich bin schon ganz zufrieden, wie es gelaufen ist.
Ah, interessant! Aber wenn man sie zwingen würde, das Leben anders zu gestalten, was wäre die Alternative? Wo könnten Sie sich sich selber vorstellen?
Keine Ahnung, es passt eigentlich gut so. (lacht)
Bestimmt wissen Sie's! Aber es geht mich auch nichts an. Aber ich kann Ihnen noch etwas sagen zum Thema verpasste Chancen. Da können, glaube ich, alle andocken, die sagen: Ah, ich weiß den Moment, an dem ich anders hätte abbiegen können. Und es wäre so spannend zu wissen, was dann passiert wäre. Aber wenn Sie Ihren Beruf lieben, dann ist das fast schon märchenhaft schön. Wie viele Menschen gehen zur Arbeit und sagen: Oh Gott, bin ich froh, wenn es vorbei ist ...
Ja, mich freut auch, dass ich immer wieder interessante Menschen zum Interview treffe. Zurück zur Serie: Was interessiert Maria an dem Kerl?
Ist das nicht schön, dass beim ersten indirekten Zusammentreffen von Maria und Ralf auf der Bowlingbahn Sophie ihn zitiert: “Ja, bin frisch geschieden, aber meine Frau und ich haben entschieden, es nicht groß zu feiern.” und dass das genau Marias Humor ist!?. Danach sagt sie ja sinngemäß: Der tut mir auch leid. Und das sind zwei unglaublich wichtige Emotionen, die wir hier angerissen haben. Humor und die emotionale Ebene. Maria ist, wie so viele Menschen, im eigenen Leben ratlos, kann und möchte aber anderen Menschen Ratschläge geben. Die besten Fußballtrainer sind nicht unbedingt die besten Fußballspieler.
Apropos Fußball: Wie haben Sie die EM in Deutschland erlebt? Oder nervt Sie so ein Trubel eher?
Mich nervt so schnell nichts. Ich finde alles gut, was uns zusammenbringt, und finde alles schlecht, was uns auseinander bringt. Und Fußball bringt uns zusammen, selbst wenn es da auch wieder Diskussionen gab. Bei Großveranstaltungen können nie alle einer Meinung sein. Wir sind uns aber im Großen und Ganzen einig, dass es eine friedliche Veranstaltung sein soll und dass wir fair miteinander umgehen.
Gedreht wurde "Perfekt verpasst" in einer eher kleineren Stadt für deutsche Verhältnisse, in Marburg. Wie war das?
Traumhaft schön. Ich möchte ja nicht schimpfen über Deutschlands Großstädte. Aber man macht hier und da schon unangenehme Erfahrungen, wenn man mit einem großen Film-Fuhrpark ankommt. Wir brauchen Parkplätze, müssen manchmal Straßen sperren. Marburg ist als Kleinstadt natürlich noch nicht so überlaufen, was Dreharbeiten angeht. Für dieses todesgefährliche Fahrgeschäft am Beginn wurden ein zentraler Platz und eine zentrale Zufahrtsstraße gesperrt. Marburg hat gesagt: "Quatsch, sperren wir für euch für zehn Tage. Wir freuen uns so, dass ihr da seid, ihr verrückten Filmleute. Wir machen es gern für euch. Ist schön, dass ihr Marburg zeigt." Einmal bin ich mit dem Bus unterwegs gewesen, und dann stand auch ich wegen der Dreharbeiten im Stau. "Was ist denn hier schon wieder los?", fragte jemand. "Ach, da wird gedreht." Ich wurde immer kleiner in meinem Sitz. Dabei haben sich die Menschen gefreut und gesagt: Wie toll! Das war einfach entzückend und kennt man so nicht unbedingt aus Köln oder Berlin. Uns war wichtig, dass es eine Kleinstadt ist, weil die meisten Menschen nicht in Großstädten leben. Wir wollen ja das richtige Leben abbilden.
Und wie kam man dann genau auf diese Stadt?
Bastian hat gesagt, dass es Marburg sein muss, weil er Marburg schon kannte und sehr mag. Diese Aufteilung in Oberstadt und Unterstadt fand er romantisch und spannend, die Verbindung mit den zwei Aufzügen, und dass man so eine Altstadt da oben hat, die so pittoresk und märchenhaft ist und so puppenhaft, es ist ja auch eine Märchenstadt wegen der Gebrüder Grimm, eine Philosophenstadt und eine sehr blindenfreundliche Stadt.
Größere Schramme nach Slapstick-Einlage
Es gab einen Zwischenfall gab am Set, wo sich Bastian Pastewka ein bisschen verletzt hat. Was ist da passiert?
Das war eine etwas größere Schramme. Und er hat wirklich eine Narbe, das ist belegt, die zeigt er allen auch sehr gerne. Es war ein ulkiger Zwischenfall, ich war zwar nicht vor Ort, aber ich habe die Aufnahmen gesehen. Er ist als Ralf mit einer Tasche mit wirklich hochbrisantem Inhalt in die Garage gegangen, wo unerwarteterweise ein dickes Auto geparkt war. Ralf muss mit dieser Tasche irgendwie an dem Auto vorbei, und vorbei an den Musikinstrumenten seiner Band. Das sollte lustig aussehen. Wir haben ja auch ein Herz für Slapstick. Und da ist er blöd gefallen und hat sich ein bisschen aufgespießt. Aber er hat es überlebt und es ist ein sehr lustiger Outtake geworden. Mein Mitleid hält sich in Grenzen ...
Und was hat die Smartwatch von Ralf dazu gesagt?
Die spielte dann in der Szene keine Rolle. Aber die hätte wahrscheinlich gefragt: "Sind Sie tot?"
Michael Ostrowski überlegt noch, ob es mit dem "Onkel" weitergeht. Würden Sie ihn darin bestärken?
Ja, das wäre so toll. Ich bin ja ein großer Fan, nicht nur von ihm. Er ist nicht der Einzige, der in Hilde Dalik verliebt ist. In die bin ich auch verliebt. Mit diesen Menschen zu arbeiten und befreundet zu sein, das ist ja erst mal ein Geschenk und dann noch so einen tollen, verrückten Stoff zu drehen. Ich muss schon sagen: Dass da bezüglich einer Fortsetzung nicht mal langsam was passiert, das grenzt schon an einen Skandal. Ich finde, die Welt braucht eine Fortsetzung. Und ehrlich gesagt: Ich auch. Ich liebte habe es geliebt, in Wien zu sein. Ich liebe Österreich sehr. Und aus Not fahre ich immer wieder mal privat nach Wien. Das mache ich regelmäßig. Ich kenne mich inzwischen in Wien gut aus. Wir sollten Herrn Ostrowski dahingehend ein bisschen bearbeiten, denn sonst passiert da nix.
Und ich glaube, "LOL" braucht Sie auch wieder.
Ah! (lacht) Aber da sind Basti und ich wirklich apodiktisch. Wir müssen Platz machen für andere Gesichter, für Künstler:innen, die man noch nicht so kennt. Das ist ja auch eine tolle Plattform und Spielwiese. Bei "LOL" kann man sich so toll austoben und zeigen, was man kann und wie schön man nicht lachen kann. Ich finde ganz wichtig, dass wir da ein bisschen Platz gemacht haben.
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