NS-Verbrecher als Leistungsträger?

Literatur am Ring: Buchpräsentation „Die letzten Tage“ von Martin Prinz
Der für den österreichischen Buchpreis nominierte Autor Martin Prinz las im Parlament aus dem Tatsachenroman „Die letzten Tage“.

Die Einladung war brisant: Am Mittwoch las der Schriftsteller Martin Prinz im Parlament aus seinem Tatsachenroman „Die letzten Tage“. Darin rekonstruiert er die sogenannten „Endphaseverbrechen“ der letzten Kriegswochen 1945 im niederösterreichischen Höllental und beleuchtet die Strafprozesse vor dem Wiener Volksgericht im Jahr 1947 gegen führende lokale NS-Funktionäre, die unter dem Deckmantel pseudo-legaler Standgerichte Todesurteile gegen vermeintliche Deserteure, und Gegner des NS-Regimes, verkündeten und vollstreckten. Der im Februar erschienene Roman, von dem bereits vier Auflagen gedruckt wurden, stand an der Spitze der ORF-Bestenliste und befindet sich als einer von fünf Romanen im Finale des Österreichischen Buchpreises.

Angst und Courage

Umso bemerkenswerter ist, dass das Parlament den Autor, der kürzlich auch mit dem Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich ausgezeichnet wurde, nun zur Lesung lud. „Ich war überrascht, dass ich eingeladen wurde. Und zwar ziemlich genau ein Jahr, nachdem Walter Rosenkranz Parlamentspräsident wurde. Das ist ein wirklich mutiger Akt“, sagt Prinz zum KURIER.

Indes schien man im Parlament dann doch noch Angst vor der eigenen Courage zu haben. Der vorgesehene Raum in der Parlamentsbibliothek war rasch ausgebucht (knapp 80 Leute passen offiziell hinein, es wurden letztlich über 90), einen größeren Raum konnte man nicht mehr organisieren. Parlamentspräsident Rosenkranz, mit dem Prinz gerne gesprochen hätte, tauchte nicht auf und Parlamentsdirektor Harald Dossi ging kurzfristig auf Urlaub.

Prinz rückte eine andere Abwesende in den Blickpunkt des Abends: Marie Landskorn, die im April 1945 in Reichenau von 15- bis 16-jährige Hitlerjungen als eine von mehreren Frauen erschossen wurde. Laut Zeugen mit den Waffen in der einen und Marmeladebroten in der anderen Hand. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Dank Prinz’ Buch gibt es neue Hinweise.