Mavi Phoenix: „Ich muss nicht übermaskulin sein“

Mavi Phoenix Künstlername von Marlon Nader, ist ein österreichischer Popmusiker, Rapper und Musikproduzent.
„Der Drama-Cowboy ist auf jeden Fall sehr männlich“, sagt Mavi Phoenix. „Und er kämpft ein bisschen damit, dass er diese Hysterie und den Hang zum Drama hat, was ja klassischerweise, aber genauso fälschlicherweise, Frauen zugeschrieben wird.“
Marlon Nader, wie Mavi Phoenix bürgerlich heißt, hat sein eben erschienenes neues Album nach diesem „Drama Cowboy“ benannt. Denn der ist sein Alter Ego. Und das Album, mit dem Phoenix besser denn je seine Liebe zu Country- und Rock-Gitarren mit Electro-Pop verbindet, folgt einer Art Konzept.
„Im ersten Teil gibt es die Songs, die sowohl im Sound als auch in den Themen rebellisch sind und anecken wollen“, erklärt er im KURIER-Gespräch. „Der zweite Teil besteht aus den introspektiveren Liedern. Und die Erkenntnis im Laufe des Albums ist, dass man sich einerseits ein bisschen von dem Drama lösen kann, es aber auch okay ist, das Drama zuzulassen.“
Es habe immer einen negativen Unterton gehabt, erzählt er weiter, wenn man ihm früher sagte, dass er sehr extrovertiert sei und viel Aufmerksamkeit brauche. War das, bevor er ein Mann war, weil so ein Wesenszug bei Männern cool ist, aber bei Frauen nicht? „Ja, das stimmt“, sagt er belustigt und traurig zugleich. „Das ist irgendwie typisch – aber eigentlich ein Wahnsinn.“
Ignoriert
Phoenix wurde als Marlene geboren, hatte aber seit der Kindheit das Gefühl, im falschen Körper zu stecken, und entschied sich vor etwas mehr als fünf Jahren für die Geschlechtsanpassung. Seit damals geht er offen damit um, ein Transmann zu sein. Auch in den Songs von „Drama Cowboy“ kommt das Thema immer wieder auf.
Zum Beispiel in „You’re Killing Me“. Man könnte diesen Text als Liebeslied lesen. Aber: „Es geht auch um den Umgang der Gesellschaft mit Minderheiten. In Österreich ist es okay, ich werde nicht gemobbt oder gar bedroht, aber in Amerika zum Beispiel werden Minderheiten langsam gekillt, weil man sie beständig ignoriert oder mobbt.“
In „Alone“ beschreibt Phoenix eine Frau, die ihren Mann und ihre Kinder liebt, aber sich manchmal denkt, wie es wäre, wenn sie alleine wäre. Er will damit die „gesellschaftlichen Blaupausen für das Leben“ infrage stellen – aus einem sehr persönlichen Grund. „Kinder sind für mich nicht wirklich ein Thema – eigene sowieso nicht, und generell vielleicht auch nicht. Da will ich mich nicht festlegen. Aber ich werde jetzt 30 und glaube, dass jeder Mensch irgendwann über dieses Thema nachdenkt, weil man mit diesen Blaupausen aufwächst. Und ich bin noch dazu als Frau sozialisiert. Da stand immer im Raum: Als Frau muss man Kinder kriegen.“
Träume
Generell beherrschen die Themen Liebe, Begierde und der Umgang damit die Songs von „Drama Cowboy“. Denn Schwierigkeiten, jemanden kennenzulernen, hatte Mavi Phoenix auch als Marlon nie. „Ich habe viele Frauen kennengelernt, denen das wirklich egal ist. Aber ich glaube, als Transmann hat man es da leichter. Wenn eine Transfrau Männer datet, glaube ich schon, dass diese Männer eher denken: ,Was sagen andere dazu? Bin ich dann Manns genug?‘“
Eine Ausnahme ist der Song „Dreams“, der nicht von der Liebe bestimmt wird. Darin geht Phoenix auf seine Musikkarriere ein. „Ich hatte einen Traum, dass ich mit dem Musikmachen aufhöre und etwas ganz anderes mache“, sagt er. „ In Wirklichkeit gibt es für mich eh nur die Musik, weil ich das so sehr liebe. Aber es ist halt manchmal wie eine Fessel, und ich denke, dass es auch okay für mich wäre, mal ein bisschen locker zu lassen und andere Dinge auszuprobieren.“
Selbstbewusst
Generell spiegeln die Songs, dass Phoenix selbstbewusster geworden ist. „Ich fühle mich jetzt viel wohler“, sagt er. „Es hat halt auch Zeit gebraucht, auch rein optisch, bis ich angekommen bin. Beim Album ,Marlon‘ war es mir noch ein Bedürfnis, zu zeigen, dass das Männliche die vorherrschende Seite in mir ist. Aber wie jeder Mensch habe ich auch eine weibliche Seite. Und mit diesem Album und mit dieser Musik habe ich zugelassen, dass ich nicht übermaskulin bin, und begriffen, dass ich nicht übermaskulin sein muss, um mich als Mann zu erleben und so gesehen zu werden.“
Hat er je bereut, seine Geschichte öffentlich gemacht zu haben? „Nein“, sagt er genauso schnell wie entschieden – und relativiert erst nach ein paar Sekunden. „Wahrscheinlich habe ich es in ein paar Nächten bereut. Aber es ist wichtig, und ich kriege so viel Positives zurück.“
Nach der Pride-Parade zum Beispiel: Da blieb ein Auto neben Phoenix stehen, und der Fahrer schrie raus, dass er sich bei ihm für das Öffentlichmachen der Transition bedankt. „Dafür habe ich das gemacht“, sagt Phoenix: „Dass die, denen es geht wie mir, sich früher damit raustrauen und nicht so lange einen Leidensdruck haben. Und dass die Leute, die nicht trans sind, sich vielleicht denken: ,So eigenartig, wie ich dachte, ist das ja gar nicht.‘“
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