Robbie Williams in Wien: Kopfüber in die Comedy-Revue

Robbie Williams on His Brit Pop Tour
Robbie Williams zeigte im Wiener Ernst-Happel-Stadion die „Britpop“-Show - ein Programm voll Hits, Coversongs und Selbstironie

Nur ein Mal während seiner Show im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion wird Robbie Williams ernst. Da erzählt er, wie er während der Tour-Proben wieder mit Panikattacken kämpfte: „Meine Frau kam vorbei und sagte: ,Du solltest nicht denken, dass du vor 55.000 Leute auftreten musst, sondern genießen, dass du es kannst. Es ist nicht garantiert, dass das morgen noch so ist!`“

Ehrlichkeit

Ohne Mitleid-Hascherei, nur um zu unterstreichen, wie wichtig es ist, den Moment zu genießen, erzählt er weiter, dass seine Mum dement ist, er am Nachmittag mir ihr telefoniert hat, sie ihn aber nicht mehr erkannte. Und dass sein Vater, der so oft mit ihm einen Song gesungen hatte, Parkinson hat und deshalb heute nicht dabei ist. Der Frank-Sinatra-Hit „My Way“, den er daran anschließt, wird zu einem Triumphzug.

Es ist diese offenherzige Ehrlichkeit, mit der Williams seit jeher seine Probleme und sein Privatleben mit dem Publikum teilte, die ihn so sympathisch macht – und seine Fans so treu und hingebungsvoll. Auch im Happel-Stadion ist das von Beginn an deutlich zu spüren.

Robbie Williams beim Wien Konzert im Ernst-Happel-Stadion

„Rocket“ ist der Opener. Für die Studioversion des strammen Rocksong hat sich Williams Black-Sabbath-Legende Tony Iommi als Gast-Gitarrist geholt. Aber obwohl diese Tour „Britpop“ heißt, bleibt „Rocket“ der einzige Song des „Britpop“-Albums. Das wird nämlich erst im Herbst erscheinen.

Am Ende von „Rocket“ lässt sich Williams von einem an eine Rakete erinnernden Gerüst unter das Bühnendach hochziehen, um kopfüber wie ein Skydiver hinunter auf den Bühnenboden zu fliegen, und mit „Let Me Entertain You“ durchzustarten.

Danach stellt er klar, was seine Mission für den Abend ist: „Ich will der beste Entertainer sein“, sagt er. „Michael Jackson hat sich selbst ,King Of Pop` genannt. Deshalb habe ich entschieden, mich ,The King Of Entertainment` zu nennen`“

Stimmband-Training

Das bedeutet, dass er erst einmal mit den Wienern die Stimmbänder anwärmen will. Kurz stimmt er Hits wie „Song 2“ (Blur), „Seven Nation Army“ (The White Stripes) und „Living`On A Prayer“ (Bon Jovi) an. Natürlich lassen sich die Wiener nicht lange bitten, dabei mit einzusteigen.

Bei Hits wie „Monsoon“ und „Rock DJ“ geht Williams runter in den Graben vor der Bühne, um den Fans die Hände zu schütteln. Was da schon auffällt: Heute unterbricht er den Hit-Reigen häufig für längere komödiantische Erzählungen, die er mit schelmischen Pointen abschließt.

Zum Beispiel erzählt er der Frau, die er gerade im Graben umarmt hat, dass er Schnupfen hat: „Das ist unser ,Let’s get Covid together“-Moment. Oder dass er da unten eine „Schönheit“ wieder getroffen hat, mit der er in den 90er-Jahren geschlafen hat. Fazit: „Jetzt hat sie einen Bart!“

Robbie Williams im Wiener Ernst-Happel-Stadion

All das ist schon sehr unterhaltsam. Aber es bremst den Aufbau eines musikalischen Spannungsbogens. Zusammen singen, geliebte Melodien mit ihrem Schöpfer und Tausenden Gleichgesinnten zu zelebrieren, kann ein berauschendes Gemeinschaftsgefühl auslösen, hat es bei Robbie Williams bis jetzt immer ausgelöst. Doch mit den langen Humor-Intermezzi fällt man heute immer wieder raus aus dieser Euphorie.

Auch im Mittelteil, den Williams akustisch auf der kleinen Bühne in der Mitte des Stadions (mit Unterstützung der Vorgruppe The Lottery Winners) bestreitet, steht erst mal Comedy am Programm. Wieder stimmt Williams kurz Songs an – diesmal eigene wie „Candy“. Er will an der Reaktion der Fans, ihrer Fähigkeit, sie aufzugreifen und weiter zu singen, testen, ob sie in Österreich-Hits waren.

Swing-Momente

Williams Leidenschaft für Swing zeigt sich im zweiten Teil. Zurück auf der Hauptbühne singt er „New York New York“, einen weiteren Klassiker seines Idols Frank Sinatra. Sowohl die Band, die jetzt mit drei Bläsern und drei Sängerinnen wie ein kleines Swing-Orchester klingt, als auch Boss Robbie laufen zu Hochform auf.

Nach mitreißenden Versionen von „Kids“ und „Come Undone“ ist die Bandvorstellung wieder so ein unterhaltsames, aber die Spannung brechendes Intermezzo. Williams lässt die Musiker Songs anstimmen, die sie spontan aussuchen, agiert als Juror, der sagt, ob das gut oder schlecht ist. Als Keyboarder Owen Parker „Gangsta’s Paradiese“ anstimmt, urgiert er, ist erst zufrieden, als Parker auf „Just Can’t Get Enough“ von Depeche Mode überschwenkt.

Bei der Zugabe mit den enthusiastisch umjubelten Hits „Feel“ und „Angels“, zählt dann endlich nur mehr das gemeinsame Zelebrieren dieser Welthits.

Ja, Williams ist ein großartiger Entertainer. Aber mehr Fokus auf die Musik und kürzere Comedy-Einschübe wären noch besser gewesen.

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