Marc-Uwe Kling: "Man muss Milliardären wieder bisschen Geld wegnehmen"

Ein Mann mit Bart und Schirmmütze - Marc-Uwe Kling - sitzt auf einer Treppe vor einer bemalten Wand.
„Elon & Jeff on Mars“ heißt ein neuer Comic von Marc-Uwe Kling. Warum Milliardäre nur auf den ersten Blick lustig sind und man auf manche Absurditäten selbst mit viel Fantasie nie kommen würde, erzählt er im Interview .

Marc-Uwe Kling ist vor allem im Duo mit dem anarchistischen Känguru bekannt. Darüber hat er nicht nur Bücher ("Die Känguru-Chroniken") geschrieben und Filme gedreht, sondern eine Zeitlang einen täglichen Comic gemeinsam mit Bernd Kissel gemacht. Einmal war da Thema, dass Elon Musk und Jeff Bezos beide zum Mars wollen. Comic-Marc-Uwe sagte da zum Känguru: „Ich würde mir eine Sitcom darüber ansehen.“ Die haben Kissel und er nun quasi selbst geschrieben, in Graphic-Novel-Form: „Elon & Jeff on Mars“ (Carlsen Verlag).

Kurier: Entspringt dieser Comic dem tiefsitzenden Wunsch, dass, wenn Elon Musk und Jeff Bezos schon unbedingt ihr Geld im Raketenantrieb verbrennen, sie dann bitte wenigstens selbst drin sitzen sollen und möglichst weit weg fliegen sollen?

Marc-Uwe Kling: Auf jeden Fall, das regt der Comic an. Wenn ihr zum Mars fliegen wollt, dann geht doch!

In dem Strip kommt nicht so ganz heraus: Gehört das Copyright zu der Idee dem Känguru oder Ihnen?

Das Känguru hat sowieso die Rechte an allem, ich hab da irgendwann meine Seele für eine Schachtel Schnapspralinen verkauft. Oder, nein, ich hab die Seele vom Känguru. Wichtiger Unterschied.

Elon Musk ist eine Fundgrube an Sonderbarkeiten, war es ein Wettlauf mit der Zeit, dass er nicht die Pointen noch vor Ihnen erfindet?

Es war jedenfalls so, dass wir ab und zu ein Update gemacht haben, wenn noch mal was besonders Skurriles passiert ist. Wie da, als er seinen Mitarbeiterinnen Sperma angeboten hat. Das war nicht im Originalskript.

Als Milliardär könnte man das Geld theoretisch auch für Sinnvolles verwenden, den eigenen Planeten zu retten zum Beispiel.

Absolut, und der Witz ist: Es ist viel günstiger, die Erde zu retten als den Mars zu terraformen. In dem Comic geht es – exemplarisch an den beiden gezeigt – um die Art Überreichtum, der aktuell unsere Demokratie gefährdet: Denn wenn sich so ein Typ einfach ein Massenmedium kaufen kann und das nach Gutdünken umgestalten kann, wie er will, so dass seine Meinung verstärkt wird und alles was er nicht will, gedrosselt, dann ist das in einer Demokratie eigentlich nicht duldbar. Das ist ja nicht nur Musk, es gibt einen ganzen Haufen Milliardäre mit ihren eigenen Megafon-Massenmedien. Dann gibt’s andere Milliardäre, die ihr Geld mit Kohle, Öl und Gas gemacht haben, die seit Jahrzehnten Millionen in die Leugnung des menschengemachten Klimawandels stecken und dadurch die ökologischen Grundlagen unseres Zusammenlebens gefährden. Dann gibt’s Milliardäre, die aktuell am KI-Wettrennen teilnehmen, und wenn dieses Rennen nur auf Profit getrimmt wird, bei so einer wirklich wichtigen revolutionären Technologie, dann ist das ist potentiell ganz schlecht für die Menschheit. Da gibt’s ja schon einige Science-Fiction-Autoren, die sich da diverse Szenarien ausgedacht haben, warum das unschön enden könnte. Da sollte durchaus jemand draufsehen und den Finger drauf haben. Aktuell ist das leider auch ein Milliardär, der US-Präsident, von dem kann man es nicht erwarten. Das einzige, was den interessiert, ist sich selbst zu bereichern und von seinen Minions beklatscht zu werden.

War der Kauf von Twitter nur ein Vorgeschmack auf das, was wir jetzt in den USA beobachten?

Es gibt viele Kommentatoren, die sagen, das war es, was Trump am Ende geholfen hat, wiedergewählt zu werden, dass Musk da so massiv mit Meinungsmacht in Twitter reingegangen ist. Und das ist genau der Punkt: Wie kann das sein, dass ein Typ diese Macht ausüben darf. Ich glaube, da sollten wir so als Gesellschaft nacharbeiten und es muss auch mal wieder ein bisschen Geld weggenommen werden. Denn diese Vermögen, die wachsen ja immer von alleine weiter. In der letzten Dekade ist das ungefähr neun Prozent ihres Vermögens, was diese Überreichen mehr gekriegt haben, ohne dass sie etwas dafür gemacht haben. Deswegen wäre mein catchy Vorschlag: 10 Prozent ab 10 Millionen. Vermögenssteuer - das heißt dann eigentlich nur, dass das Vermögen nicht mehr von alleine wächst. Es sieht alles gerade sehr düster aus, aber ich glaube das ist auch so ein bisschen eine Chance: Denn was in den USA passiert, da kann man den Leuten klar machen, dass das nicht gut ist. Das versteht vielleicht auch ein AFD Wähler.

Philantropie ist nicht mehr sehr in Mode, oder? Musk spendet ja großteils sich selbst…

Das ist ein guter Trick. Was die als Philanthropie verkaufen, ist politisches Lobbying, die gründen ihre angeblich gemeinnützigen Stiftungen, in Wahrheit verbreiten sie halt Lügen über die Klimakrise oder beeinflussen Politik damit. Das ist keine Spende an einen guten Zweck, sondern eine Spende an den eigenen Geldbeutel.

Oder man verschafft sich politische Posten damit… Hätten Sie der Allianz Musk-Trump mehr Zeit gegeben?

Nein. Das war total absehbar, dass die beiden nicht auf Dauer miteinander klar kommen, die sind ja beide so spotlightsüchtig. Da kann man die Cleverness, die Musk früher so attestiert wurde, wirklich hart hinterfragen, denn dass es so läuft, dass Trump übrigbleibt und Musk den kürzeren zieht, das hätte man ihm sagen können. Aber wahrscheinlich war er zu sehr auf Ketamin.

In dem Comic sagt Elon einmal, er würde Venedig gleich kaufen und nicht nur mieten wie Jeff. Ist man sich als Autor der Verantwortung bewusst, dass man die auch noch auf blöde Ideen bringen könnte?

Ich hab mir schon Gedanken gemacht. Es gibt ja diesen Spruch „,1984' war als Warnung gedacht und nicht als Anleitung.“ Ganz viel, was im KI-Bereich passiert, ist missverstandene Science Fiction. Scarlett Johansson musste gegen Open AI klagen, weil die Stimme, die ChatGPT hatte, so klang wie ihre, weil sie die KI im Film „Her“ gesprochen hat.

Zwei Personen ziehen Raumanzüge an, gehen nach draußen auf den Mars und bereiten sich darauf vor, Golf zu spielen.

Bei einem Interview zum Film „Die Känguru-Verschwörung“ hat Dimitrij Schad, der ja sie spielt, gesagt, seine liebste Verschwörungstheorie ist, dass wir alle in einer Simulation von Elon Musk leben. Kommt Ihnen das nach der Arbeit an dem Comic wahrscheinlicher vor? 

Wenn ich so drüber nachdenke, ja. Weil alles, was Musk macht, ist am Ende ziemlich buggy, und hier in der Realität scheinen mir einige Glitches und Fehler vorzukommen.

Aktuell haben zwölf Menschen Musks Gehirnchip Neuralink implantiert. Finden Sie das bedrohlich?

Die zwölf Menschen find ich noch nicht bedrohlich, an sich ist das wie bei jeder Technologie, die kann man so oder so nutzen. Wenn das Leuten hilft, mit einer Beeinträchtigung besser klar zu kommen, spricht ja erst mal gar nichts dagegen, AUSSER dass es dieser Typ ist, der das kontrolliert. Dann wird schnell eine „Black Mirror"-Folge draus. Wenn er schon seine KI so manipuliert, dass sie sich als MechaHitler bezeichnet, kann er dann auch meinen Neuralink-Chip kontrollieren und ich fang plötzlich an, komische Verschwörungstheorien zu blubbern? Das sind schon Fragen, die man sich stellt.

Die KI-Technologie scheint gerade in eine ungute Richtung zu galoppieren. Was kann man tun?

Ganz wichtig ist, dass die EU nicht vor Trump einknickt und darauf besteht, weiterhin Regeln zu fordern für die Tech-Branche, dass sie nicht einfach die ganze Zivilisation an diese Tech-Bros übergibt und sagt: Macht ihr mal. Das wird nichts werden, diese Leute sind gar nicht so clever, wie sie tun und wie sie denken. Kurzfristig müssen wir mehr in den Diskurs bringen, dass Europa droht, zu einer Art digitalen Kolonie zu werden. Wenn Deutschland darüber nachdenkt, noch stärker Palantir zu benutzen, diese Überwachungssoftware von Peter Thiel, ist das in der aktuellen Situation der absolute Wahnsinn. Wir müssen das Gegenteil machen, wir müssen weg von den Monopolen, wir brauchen eine eigene Infrastruktur. Das muss politisch und systemisch gelöst werden. Was kann ich als Individuum tun? Ich arbeite mit Save Social an einer Idee, das ist der Digital Independence Day, der digitale Unabhängigkeitstag. Da macht man an jedem ersten Sonntag im Monat einen Wechsel. Jeder weiß es im Prinzip: Ich bin noch bei Amazon, könnte auch einen anderen Versandhändler aus Deutschland oder Österreich verwenden, ich bin noch bei WhatsApp, aber könnte auch zu Signal, aber es nervt, sich eine halbe Stunde einzuarbeiten. Aber diese halbe Stunde hat man Sonntag früh. Die Idee wäre, zu wechseln und darüber zu reden, um auch andere zu motivieren. Das kann niemals die alleinige Lösung sein. Aber es kann ein Kulminationspunkt werden, an dem einmal im Monat das Thema immer wieder hochkocht, bis die Politik irgendwann mal geschnallt hat, dass die da auch aktiv werden sollen.

Bei Musks Twitter sind Sie nicht mehr aktiv…

Es gibt den Account noch, aber ich nutze ihn nicht mehr. Ich habe den deshalb behalten, weil es sonst sofort einen Fake Account gibt.

Aber Bezos' Amazon zu boykottieren, das geht als Autor wohl eher nicht, oder?

Na, als Kunde geht das schon.

Sie haben mal eine Forbes-Liste zitiert, in der Smaug, der Drache aus „Der Hobbit“ zwar die reichste fiktive Figur ist, aber an Musk und Bezos längst nicht herankommen würde.

Ja, der Drache Smaug, der auf einem Berg von Gold sitzt, war da auf Platz zwei, auf Platz eins war Dagobert Duck. Aber das Erschütternde war, die waren beide nicht mal in den Top 25 der reichsten Menschen der Welt. Das bedeutet, wenn sich alle Autorinnen und Autoren der Welt absurden Reichtum vorstellen, kommen sie nicht dahin, wo diese echten Milliardäre sind. Wir können uns diese Zahlen nicht vorstellen, die ergeben keinen Sinn für uns.

Im Comic wollen sich die beiden Milliardäre gegenseitig mit Millionenbeträgen bestechen, damit der andere den Abwasch macht. Für wie viele Millionen würden Sie den Abwasch von Elon und Jeff machen?

Ach, ich würd's für 10 Prozent machen.

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