Johnny Depps „dunkle Seite“ wurde erst kürzlich in dem Verleumdungsprozess gegen seine Ex-Frau Amber Heard breitgetreten; seitdem gilt er in Hollywood als heißes Eisen, von dem man lieber die Finger lässt. Besonders in den USA wurde Kritik darüber laut, dass mit „Jeanne du Barry“ Johnny Depp ein Comeback geboten wurde – noch dazu, wo der Film auf dem Festival in Cannes Premiere feierte.
Maïwenn, die ihren Nachnamen Le Besco abgehängt hat, um sich von ihrem französisch-algerischen Elternhaus zu distanzieren, trägt beim Zoom-Interview Sonnenbrille. Sie vermeidet den direkten Blick in die Kamera und hält stattdessen ihr linkes Ohrläppchen ins Bild: „Wenn jemand fallen gelassen wird, weil er persönliche Probleme hat oder weil er für sein Privatleben kritisiert wird, ist das Zensur. Ich finde das verabscheuungswürdig. Man sollte das Berufliche und Private bei Künstlern nicht vermischen. Das sind zwei Paar Schuhe.“
Die 47-jährige Regisseurin und Schauspielerin hat selbst schon für viel Kontroversen gesorgt.
#MeToo-Gegnerin
Maïwenn gilt als Kritikerin der #MeToo-Bewegung und bespuckte erst kürzlich einen Journalisten, der über die (mittlerweile eingestellten) Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegenüber ihren Ex-Mann Luc Besson berichtete. Bereits in jungen Jahren hatte Maïwenn den doppelt so alten Regisseur kennengelernt, ihn mit 16 Jahren geheiratet und ein Kind von ihm bekommen. Die Ehe ist längst geschieden.
Was nun die Zusammenarbeit mit Johnny Depp betrifft, so verlief sie nicht ganz spannungsfrei: „Beim Dreh gab es sehr angenehme, aber auch weniger angenehme Momente“, gibt die Französin zu: „Johnny Depp ist eine Person, die in der Öffentlichkeit steht und stark unter Beschuss ist. Das ist sehr schmerzhaft für ihn. Er kann extrem großzügig sein, sich aber auch wieder sehr divenhaft benehmen. Es gab aber auch viele fröhliche Momente. Zudem habe ich den Eindruck, dass in Amerika die Schauspielstars am Set die Chefs sind. In Frankreich ist das anders. Ich musste ihm klarmachen, dass ich die Regisseurin bin und meine Version der Geschichte erzähle.“
Maïwenn Version der Geschichte erzählt von einer attraktiven jungen Frau „aus dem Volk“, die sich dank ihres Liebreizes und ihrer ungebrochenen Gutmütigkeit mithilfe mächtiger Männer zur Lieblingsmätresse des Königs hocharbeitet.
Das Wort Ausbeutung will die Regisseurin in diesem Zusammenhang nicht hören: „Jeanne fühlt sich nicht ausgebeutet“, behauptet sie überzeugt: „Sie ist die Nutznießerin der Situation und zieht daraus Profit. Am Hof ist sie in der glücklichen Lage, dass sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann und sich zufällig auch noch in den König verliebt. Sie sieht die Früchte ihrer Arbeit. Echte Ausgebeutete sehen die Früchte ihrer Arbeit nicht.“
In diesem Sinne missversteht Maïwenn ihren altbackenen und nicht wenig eitlen Kostümfilm als „Emanzipationsgeschichte einer „Selfmadefrau, in die ich mich vor 17 Jahren verliebt habe. Ich mag sie nicht nur, weil sie schön ist, sondern auch, weil sie sehr komplex ist. Sie hat gute, aber auch schwierige Seiten. Ich empfinde ein persönliches Einverständnis mit ihrer Figur.“
Fiese Frauen
Trotz dieser Beteuerungen ist von weiblicher Selbstermächtigung in „Jeanne du Barry“ nichts zu spüren, sieht man davon ab, dass Jeanne die Haare entgegen der höfischen Sitten provokant offen trägt und ihre Umgebung mit dem Anziehen von Hosen brüskiert. Ihre Verbündeten sind durchgehend mächtige Männer, denen sie sexuell zu Diensten ist und die sich letztlich als doch recht „nett“ erweisen. Innerhalb des patriarchalen Systems bleibt Jeanne Einzelkämpferin. Ihre größten Gegnerinnen sind – ausgerechnet – fiese Frauen, die ihr neiderfüllt und unsolidarisch entgegentreten.
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