Literaten erteilen Palästina-Aufruf von Festwochen-Chef Milo Rau Absage

Am 4. Oktober hatte sich der Intendant der Wiener Festwochen, Milo Rau, in einem "Brief an meine Freunde" zur Parteinahme für die palästinensische Seite im Krieg zwischen Israel und der Hamas aufgerufen. Der Text, der sich vorderhand an Akteurinnen und Akteure der Kulturwelt richtete und auf der Website des städtischen Kulturfestivals nachzulesen ist, hat nun scharfen Widerspruch provoziert: In einer "Absage an einen Aufruf von Milo Rau" formulierten prominente Literatinnen und Literaten, darunter Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und Bestsellerautor Michael Köhlmeier, Kritik an der Parteinahme Raus, die sie als sensationalistisch und einseitig geißeln.
Die Vorlage
Rau hatte in seinem Brief vom 4. Oktober zunächst darauf Bezug genommen, dass der Begriff "Genozid" für das Vorgehen Israels gegen Palästinenser im Gazastreifen weiter umstritten sei: "Wir haben viele Monate, ja Jahre verloren mit linguistischen Spielereien", schrieb Rau wörtlich, um dann das "Schweigen" von Kulturschaffenden mit jenem Schweigen zu vergleichen, das die Bevölkerung im Dritten Reich angesichts des Holocaust an den Tag gelegt habe.
Die Kulturszene mache sich damit zum Mittäter, so Rau: "Wie viele hunderttausende Menschen müssen noch auf die Straße gehen, bevor wir als Künstler:innen, Kurator:innen, Regisseur:innen und Festivalorganisator:innen endlich Verantwortung übernehmen? Bevor wir unsere Bühnen von Orten des beredten Schweigens in Orte des Widerstands verwandeln?", heißt es in dem Brief.

Die Absage
Genau diese Vergleiche stoßen den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern der Entgegnung aber heftig auf: "Ihn (Rau, Anm.) stört nicht das Schweigen über die antisemitischen Attacken und Attentate in vielen Ländern. Zu leise noch findet er jene, die gegen den Judenstaat hetzen. Von einem solchen Schweigen wissen die jüdischen Menschen in Europa nichts. Sie hören das Gebrüll jener Hunderten Manifestationen, in denen die Vernichtung Israels gefordert wird. Aber Milo Rau reicht es nicht. Ihm geht es um einseitige Schuldzuweisungen im Nahen Osten", heißt es in der "Absage".
Besonders empörend finden die Literatinnen und Literaten die Gleichsetzung des "Schweigens der Kritik an Israel, das es nicht gibt, mit dem Schweigen gegenüber der Schoah. Ja, er schreckt nicht einmal vor dieser Geschichtsrelativierung zurück."
Rau, der zuletzt einen Essayband wegen unkorrekter Pauschalisierungen gegenüber Heinz-Christian-Strache einstampfen musste, gehe es "nicht um die Menschen in Gaza und Israel. Er will Aufmerksamkeit und Quoten - und zwar auf Kosten des jüdischen Lebens in Österreich", führt die Entgegnung weiter aus. Namentlich gezeichnet ist die "Absage" von den Literatinnen und Literaten Fabian Eder, Olga Flor, Karl Markus Gauß, Sabine Gruber, Monika Helfer, Miguel Herz-Kestranek, Elfriede Jelinek, Michael Köhlmeier, Dörte Lyssewksi, Martin Prinz, Doron Rabinovici, Gerhard Ruiss, Robert Schindel, Katharina Stemberger und Vladimir Vertlib.