„Parallel Vienna“: Wo die Kunst ein bisschen Wurst ist

Lange Zeit war die Präsentation von Kunst in nüchternen weißen Räumen, sogenannten „White Cubes“, der Standardmodus der Branche. In jüngerer Zeit hat sich die Vorstellung durchgesetzt, dass Kunstwerke davon profitieren, wenn sie auf unebenen Wänden in schlecht beleuchteten Räumen hängen, die früher einmal Büros, Postverteilzentren, Wirtschaftsunis oder Krankenhäuser waren.
Im 13. Bestandsjahr der Messe „Parallel“, die diese Idee in Wien popularisierte, darf man aus kunstkritischer Sicht anmerken, dass sich die Zwischennutzungsästhetik mittlerweile abgenutzt hat. Was aber egal ist, weil die Allianz von Immobilienaufwertung und Eventbranche mit der vor den Augen ambitionierter Kunstschaffender geschwenkten Karotte mit dem Versprechen künstlerischer „Sichtbarkeit“ weiterhin gut funktioniert: 20.000 Personen sollen laut Veranstaltern bis Sonntag auf das Otto-Wagner-Areal kommen, wo die Messe drei Pavillons mit teils etablierter, teils ganz junger Kunst bespielt.

Düstere Vergangenheit
Immerhin ist die düstere Vergangenheit des Ortes, an dem zur NS-Zeit Kinder gequält und ermordet wurden, durch die Teilnahme des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes diesmal präsenter als sonst: Bilder der Roma-Künstlerin Ceija Stojka und des Auschwitz-Überlebenden Heinrich Sussmann bringen eine Ernsthaftigkeit an den Ort, in der sonst der Partymodus überwiegt. Auch die Fotos von Heimkindern der Russin Anastasia Koroshilova, lassen schlucken – die Galerie Hilger kombiniert sie mit einer Grafikserie, in der Alfred Hrdlicka einst seine Eindrücke aus einer geschlossenen Anstalt verarbeitete.
Zynismus und Zwischennutzung
Wie Peter Zawrel, Ex-Präsident des Wiener Künstlerhauses und selbst Nachfahre von Spiegelgrund-Opfern, auf Facebook kritisierte, sind Medienberichte, die den „morbiden Charme“ des Orts preisen, verfehlt.

Das Künstlerhaus selbst präsentiert sich freilich auch auf der Parallel – das Plakatmotiv ihrer aktuellen Ausstellung ist eine Scheibe Wurst. Dieses Motiv begegnet beim Rundgang durch die Räume auch anderswo, etwa in Bildern des Malers Paul Renner (Galerie Konzett), den aus Kunstpostern faschierten Würsten des Szeneoriginals Rudi Hübl oder in einem Spitalszimmer, das Rudolf Fitz und Ben Reyer als „Würstelstand“ deklarierten. Zu kaufen gibt es hier etwa lustige Verfremdungen von Wiener Logos.
In der einstigen Spitalsküche hat Impresario Stefan Bidner wiederum die Installation „Der König wohnt in mir“ von Christoph Schlingensief neu aufgebaut: Ein bedeutsames Kunstwerk, dem es aber an Kontextualisierung fehlt – wie so manchem an diesem Ort.
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