Zum Saisonstart in Wien: Ein Blick auf den Kristallwürfel der Kunstwelt

Bläulich schimmern die Kristalle, deren faszinierende Treppen- und Pyramidenformen sich potenziell ins Unendliche fortsetzen ließen.
Der deutsche Künstler Simon Schubert hat die Formen aus dem Schwermetall Bismut herangezüchtet und auf einem 20 cm hohen Würfel arrangiert, der nun auf einem Sockel in der Galerie Krobath in der Wiener Eschenbachgasse ruht.
„Zeitkapsel“ nennt der Künstler das Werk, denn mit einer Halbwertszeit von 19 Trillionen Jahren soll Bismut mit einem anderen Maßstab für Zeit und Beständigkeit konfrontieren. Obwohl recht klein, wiegt das Objekt rund 30 Kilogramm. Und entfaltet so vielleicht auch jene Anziehungskraft, um die es der Wiener Kunstszene in diesen Tagen geht.

Gesammelte Kräfte
Zum 16. Mal ballen sich heuer insgesamt 24 Galerien zum Festival „Curated by“ und buhlen um die Aufmerksamkeit von Kunstfreunden, Fachleuten, aber nicht zuletzt auch von Kunstsammlern.
Das in Wien entwickelte, von der Stadt geförderte Event hat sich bewährt: Galerien laden dabei einen externen Kurator bzw. eine Kuratorin ein, der oder die entlang eines Grundthemas eine Ausstellung zusammenstellt. So entstehen neue Verbindungen zwischen Künstlern, Galerien und Sammlern; eine Fördersumme von 9.000 Euro pro Teilnehmer nimmt ein wenig von dem Druck, dass die Ausstellungen Profit abwerfen müssen.
Curated by
24 teilnehmende Galerien haben heute, Sonntag, von 12–18 Uhr geöffnet, bis 3. 10. dann jeweils Di–Fr von 12–18 und Sa von 12–16 Uhr (Eintritt frei). Es werden zahlreiche Führungen angeboten.
Parallel Vienna
Bei der Messe am Otto-Wagner-Areal präsentieren sich Galerien, Künstler und Initiativen von 10. bis 14. 9.
Viennacontemporary
Bei Wiens wichtigster Messe für Gegenwartskunst sind 101 Galerien aus 24 Ländern vertreten. 11. bis 14. 9., Messe Wien, Halle D.
Dass der Kunstmarkt im Windschatten der schwächelnden Wirtschaft selbst in den Krisenmodus geschlittert ist, macht sich allerdings auch in Wien bemerkbar. So ist die Galerie Wonnerth Dejaco im heurigen Festival-Reigen nicht mehr dabei – sie musste Ende 2024 dauerhaft schließen. Nachrichten vom Scheitern internationaler Galerien – jüngst schloss die New Yorker Blum Gallery ihre Pforten – sorgen für Verunsicherung in der Branche.
„Die meisten Wiener Galerien sind keine Großunternehmen und haben gesunde Ökosysteme. Sie können sich auch über eine schwierige Zeit retten“, sagt Emanuel Layr, Galerist und Vorstandsmitglied im Verband österreichischer Galerien. „Aber ich bin durchaus auch besorgt.“
Verregnetes Vorjahr
Im September des Vorjahres wurde der Wiener Kunst-Saisonstart, bei dem neben „Curated by“ auch noch die Messen „Viennacontemporary“ und „Parallel“ eröffnen, (siehe oben) obendrein zum Opfer der Starkregen-Katastrophe: Besucher blieben aus, Schauräume mussten schließen, internationales Publikum kam erst gar nicht. Weswegen heuer – neben einiger Nervosität – auch der Geist eines Neustarts zu spüren ist.
Bei „Curated by“ sollen Attilia Fattori Franchini und Christina Linher als neues Leitungsduo für bessere Vernetzung sorgen – und kommunizieren, dass die gezeigte Kunst bei aller Inhaltsschwere auch käuflich ist. Tatsächlich habe sich der Ruf des Festivals zu vielen „Art Advisors“ herumgesprochen, sagen die beiden: Berater finanzstarker Sammler haben erkannt, das durch das Netzwerk des Events oft rare Kunstwerke auf den Markt gelangen.

Starke Verbindungen
Bei der Messe „Viennacontemporary“ ist im Mai mit Abaseh Mirvali eine Top-Netzwerkerin als Leiterin angetreten: Die Amerikanerin mit iranischen Wurzeln leitete zuvor u. a. die „Colección Jumex“ in Mexico City, eines der wichtigsten Privatmuseen in Lateinamerika. Auch dort hätten einige Wiener Galerien einen guten Ruf, sagt sie: derlei Verbindungen gelte es gezielt zu stärken. Doch auch am Verhältnis der Hauptstadt-Szene zu den Bundesländern will Mirvali arbeiten.
Ob am Ende gar ein neues goldenes Zeitalter für zeitgenössische Kunst in Wien anbricht? Die Galerie Meyer Kainer hat ihre heurige „Curated by“-Schau jedenfalls bereits „El Dorado“ genannt. Sie widmet sich neben anderen Dingen dem uralten Wunsch, Gold herzustellen.
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