Wirbelwind statt Starkregen: Kunstmesse Viennacontemporary stellt sich neu auf

„Wir wollten, dass es sich hier geräumig, offen und hell anfühlt!“, sagt Abaseh Mirvali. Die erst im Mai angetretene künstlerische Leiterin der Messe „Vienna Contemporary“ versteht sich darauf, mit ihrem Enthusiasmus anzustecken und, durchaus im positiven Sinne, Wirbel zu machen.
Ganz buchstäblich manifestiert sich diese Bewegung darin, dass die Kojen der Galerien, die bis Sonntag in der Wiener Messehalle D Kunst anbieten, nun anders als im Vorjahr quer zum rechteckigen Grundriss der Halle stehen, was neue Spazierrouten – aber auch ein paar „tote Ecken“ – zur Folge hat. Das Architektenduo Claudia Cavallar und Lukas Lederer versammelte die Galerien dazu um einen zentralen Platz, gab der Gastronomie viel Raum.
Denn eine Kunstmesse ist eben mehr als ein Verkaufsort: Hier werden oft Künstlerkarrieren gestartet, Museumsankäufe angebahnt, Ideen für Ausstellungen geboren. Damit das funktioniert, will der Mix aus Kunst, Events und Publikum gut abgestimmt – im Kunstsprech „kuratiert“ – sein.
Mirvali baute bei der Vienna Contemporary auch auf einige gut etablierte Formate auf: Die sogenannte „Zone 1“ versammelt ausgewählte Künstlerinnen und Künstler, deren Galerien dank Förderung des Bunds vergünstigte Konditionen vorfinden: Heuer zieht etwa der Wiener Künstler Tobias Iszó (Christine König Galerie) mit aus Holz geschnitzten, verfremdeten Alltagsobjekten Aufmerksamkeit auf sich.

Alles ist „kuratiert“
Die Erste Stiftung, ein Langzeitsponsor der Messe, ermöglicht seit dem Überfall auf die Ukraine 2022 die politisch prononcierte Spezialausstellung „Statements“, die heuer starke Videos präsentiert, darunter die Doku-artige Arbeit „Propaganda Theater“ von Jonas Staal, die Putins und Trumps Spin-Doktoren auf Parallelen abklopft.
Doch auch das kommerzielle Angebot der Messe gibt sich „kuratiert“ – wobei aufstrebende Galerien, durch das rote Label „Emerging“ an der Koje gekennzeichnet, im Zentrum des von Mirvali entfachten Wirbels stehen.
In diesem Pool rührte Antonia Lia Orsi von der „Vienna City Gallery“ als Kuratorin nochmals um: Unter dem Label „VC Vault“ holte sie etwa den Kunstverein Autokomanda aus Belgrad und die Brüsseler Dependance Gallery, die mit den teils in Wien lebenden Künstlerinnen Julija Zaharijević, Josef Strau und Michaela Eichwald eine anspruchsvolle Präsentation bestreiten. Man muss die vielen Labels nicht verstehen, um zu erkennen, dass die Messe auf diese Art viel Neues und Unbekanntes zutage fördert.
Dass sich mehrere Galerien einen Stand teilen, ist dabei eine Neuerung, die auch schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen geschuldet ist. Die Ausstellerin Alex Zawadzki, mit ihrer „Second Act Gallery“ aus London angereist, steht nicht an, zu sagen, dass Umsätze massiv zurückgegangen sind – auch infolge des Brexit würde in ihrem Heimmarkt internationale Kundschaft ausbleiben.

Dass Zawadzki nun die höchst skurrilen, aus Musikinstrumenten, Skateboardrollen und afrikanischen Waffen zusammengeschraubten Objekte des Künstlers Masimba Hwati in Wien anbietet, liegt daran, dass dieser – wenngleich aus Zimbabwe stammend – in der österreichischen Hauptstadt lebt. Für Künstler ist Wien längst Drehscheibe; bei den Sammlern ist hier noch Luft nach oben.
Niedrigere Preise
Dass die Galerien hier nach neuem Publikum suchen – und Sammler generell vorsichtiger kaufen – ist auch am Preisniveau der Vienna Contemporary zu merken: Nur selten übersteigen die angebotenen Werke die 10.000-Euro-Marke. „Auch Leute, die es sich leisten könnten, sind interessiert, sich im niedrigeren Preissegment zu bewegen“, sagt der Galerist Sebastian Suppan, der zusammen mit der Schweizer Kali Gallery Gemälde zwischen 1.500 und 6.500 Euro anbietet.
Werke etablierter Künstler wie Hermann Nitsch oder Hubert Schmalix gibt es aber auch. Sie hängen am Rand des neuen Messe-Parcours.
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