"Kulturerbe" von der Lenin-Statue bis zu Mutters Kleiderschrank

Es ist überall: In historischen Innenstädten, am Wiener Heumarkt oder am Neustifter Kirtag begegnet uns das „Kulturerbe“, mal zu Objekten oder Bauten geformt, mal in immateriellen und durchaus „situationselastischen“ Aggregatszuständen.
Was dieses Erbe ausmacht, wofür und vor allem für wen es gut ist, wird heute mehr hinterfragt als je zuvor.
Die Ausstellung „Was uns wichtig ist“ (bis 30. 10.) bietet nun einen Resonanzraum, um in Ruhe über identitätsstiftende Dinge nachzudenken. Das Wiener Museum für Volkskunde erweist sich mit seiner vielfältigen, mitunter schrägen Sammlung hierfür als passender Ort, überlässt im konkreten Fall aber zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern die Bühne.
Verschüttet
Da stellt etwa Viktoria Tremmel die faszinierende Geschichte von Anne Lister vor, die im England vor 1840 explizit über lesbischen Sex schrieb – was so skandalös war, dass ihre Schriften lange nicht zum Kulturerbe werden konnten, wenngleich sie für die Gesellschaftsgeschichte enorm aufschlussreich sind.
Zwischen Material und Memoria existieren auch die von Carola Dertnig sorgfältig ins Bild gerückten Kleidungsstücke, die die Mutter der Künstlerin einst trug. Dass deren Modebewusstsein in Wien um 1968 mehr als nur persönliche Vorliebe war, verdeutlicht dazu ein eindringlicher Text.
Die Frage der Identitätsangebote für jene, die Wurzeln an mehr als einem Ort haben, kommt in der Schau ebenso vor (Muhammet Ali Baş) wie jene nach dem Umgang mit belasteten Denkmälern (Anna Jermolaewa, Klemens Wihlidal): Wenn man der Schau etwas anlasten kann, dann, dass sie ihren Fokus sehr breit anlegt, zugleich aber Vertrautheit mit den angerissenen Themen verlangt. Nichtsdestotrotz: ein anregender, durchdachter Zugang.
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