Am Landestheater St. Pölten kam das neue Stück von Arman T. Riahi ("Die Migrantigen") zur Uraufführung.
27.04.25, 13:57
Von Susanne Zobl
Vor wenigen Monaten hätte man folgende Situation als Groteske eines totalitären Regimes à la Stalin betrachtet: die Hausmeisterin läutet ihre Nachbarn mitten in der Nacht aus dem Schlaf. Sie bringt eine Tupperware-Dose mit Kuchen mit. Die Verkostung desselben ist aber nicht der Grund ihres Besuchs. Sie hat erfahren, dass der Inlandsgeheimdienst auf dem Weg ist, um den Familienvater abzuholen.
Der nimmt die Warnung ernst und ergreift die Flucht. Seine Frau bleibt zurück. Tatsächlich suchen zwei Beamte, Kommandant und Adjutant genannt, die Frau wenige Sekunden später heim. Ein als Soldat bezeichneter Schlägertyp mit Gummigesichtsmaske begleitet sie.
So beginnt Arman T. Riahi sein Stück „Siebenundfünfzig“, dessen Uraufführung in der Theaterwerkstatt des Landestheaters Niederösterreich er selbst inszeniert hat. Die Handlung basiert auf einer realen Begebenheit. Der Titel bezieht sich auf die Anzahl der Hausbesuche, die der Geheimdienst einer Frau abgestattet hat, nach deren Ehemann gefahndet wurde.
Die Zahl 57 sei aber auch nach dem iranischen Kalender das Jahr der islamischen Revolution 1979, erklärt Riahi im Programmfolder. In welchem Staat sich die wahre Geschichte, zugetragen hat, verrät er indes nicht. Bald aber ist klar, dass diese überall spielen könnte. Man wirft dem geflohenen Mann vor, ein Charity-Konzert genehmigt zu haben, bei dem hunderte junge Menschen in Folge einer Massenpanik umkamen. Schicht um Schicht wird freigelegt, bis am Ende der wahre Schuldige enttarnt wird.
Die Handlung spielt sich ausschließlich in einer bieder eingerichteten Wohnung ab (Bühne: Ece Anisoglu). Doch ein Blick in die aktuelle Berichterstattung aus den USA genügt, um Parallelen zu Trumps Amerika zu ziehen. Das geschieht auch im Stück. Die Beamten beanstanden, dass das Paar Bücher von Stephen King, dem „Staatszersetzer“, und von H. G. Wells hat. Das Kinderbuch mit dem Titel „Der kleine schwarze Fisch“ des iranischen Schriftstellers Samad Beranghi konfiszieren sie sofort. Letzteres ist eine Parabel auf Widerstand.
Riahi, 1981 im Iran geboren, ist in Österreich aufgewachsen. Die Film-Komödie „Die Migrantigen“, die er mit seinem Bruder Arash 2017 produziert hat, verschaffte ihm zahlreiche Preise. 2019 arbeitete er diese Geschichte über zwei Wiener Bobos mit Migrationshintergrund für die „Josefstadt“ um.
Seine Qualitäten als Dramatiker und Regisseur potenzieren sich in der Produktion für St. Pölten. Denn der Autor versteht es, Spannung aufzubauen und diese bis zum Ende zu halten. Der pointierte Text fließt flott, Wortspiele, die zu Missverständnissen führen, amüsieren. Die bittere Realität schwingt stets mit.
Caroline Baas verkörpert die Frau, die ihre Haltung wahrt, mit Bravour. Michael Scherff ist ein süffisanter Kommandant, Anna Stieblich eine rührige Hausmeisterin, Augustin Groz ein aufstrebender Adjutant. Tobias Artner ergänzt als Ehemann. Einziger Einwand: dieses Stück ist zu wichtig für eine kleine Spielstätte. Aber das lässt sich ändern. Herzlicher Applaus.
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