Klimt beim Röntgenologen: Belvedere zeigt technischen Blick auf Kunst

Museen sind viel mehr als Ausstellungsorte: Speicher, Werkstätten, kleine Universitäten – und nicht zuletzt Labore, um Diagnosen über Aufbau und materielle Beschaffenheit von Kunstobjekten zu erstellen. Das Belvedere etwa verfügt über einen Röntgenapparat, der hochauflösende Aufnahmen in einem Format von bis zu zwei Metern Breite zustande bringt. Die Möglichkeit zur technischen Analyse sorgte in der Vergangenheit dafür, dass private Leihgeber dem Museum in jüngerer Zeit Klimt-Werke anvertrauten, die sonst wohl in der Versenkung verblieben wären.
Mit der neuen Sonderausstellung in der Orangerie im Unteren Belvedere (bis 7. September) will das Museum nun also seine technische und restauratorische Kompetenz ins Rampenlicht rücken – naheliegenderweise ist der „Hausheilige“ Gustav Klimt das Zugpferd dafür.
Acht Gemälde im Detail
Die acht Gemälde, die mit verschiedenen Methoden analysiert wurden, rechtfertigen freilich für sich genommen schon einen Besuch. Der Parcours reicht vom frühen „Frauenbildnis“ im Profil (1893/94) über die wunderbare, auf Pergament ausgeführte Miniatur „Freundinnen (Wasserschlangen I)“ von 1904 bis zum Bildnis der Amalie Zuckerkandl, das Klimt möglicherweise bereits 1913 begann, aber bei seinem Tod 1918 unvollendet hinterließ.
Doch wie ist dem Publikum klarzumachen, dass der technisch-analytische Blick auf diese Werke ein gänzlich anderes Sehen bedingt als der gewöhnliche Museumsbesuch?
Die Inszenierung, für die ein Team um den Regisseur und Multimediakünstler Virgil Widrich verantwortlich zeichnet, versucht, den Perspektivenwechsel selbst zu ästhetisieren. Detailansichten hängen also im Gemäldeformat an den Wänden, und Spezialaufnahmen (etwa mit UV-Licht oder Infrarotreflektographie) werden auf Platten übereinander postiert, um etwa zu zeigen, dass Frau Zuckerkandls Mund auf Klimts Unterzeichnung geschlossen war, auf dem Gemälde aber geöffnet ist.
Das Erlebnis ist stimmig, und doch erschließt sich nicht leicht, auf welches Detail zu achten ist: Etwas mehr didaktische Anleitung würde hier nicht schaden.

Im dritten Teil setzt die Schau dann unverhohlen auf den Effekt: Hier geht es um das gemeinsam mit dem Google-Konzern durchgeführte Projekt, die Farbigkeit der sogenannten „Fakultätsbilder“ zu rekonstruieren.
Die einst skandalösen Werke, 1905 von der Uni Wien abgelehnt, waren 1945 verbrannt, nur Schwarz-Weiß-Fotos und ein Farbfoto eines Details existierten. Mithilfe Künstlicher Intelligenz gelang eine Annäherung, in der Orangerie imaginiert man mithilfe von Spiegeln auch die Anmutung am einst vorgesehenen Ort. „Klimt immersiv“ also, aber wissenschaftlich fundiert: Effekthascherischen Multimedia-Inszenierungen kann man so allemal Paroli bieten.
Kommentare