Was für ein (Austro-)Horror! Die Rückkehr der Gruselklassiker

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Hollywood besinnt sich, zu Recht, auf die zwei großen Schreckensfiguren Dracula und Frankensteins Monster. Beides mit prominenter Österreich-Beteiligung.

Hollywood lebte zuletzt von einem aufwendigen, aber im Grunde simplen Erfolgskonzept: Man baute ganze Universen auf, die über den Einzelfilm hinaus zusammenhängen und so dem Publikum Grund gaben, weiterzuschauen. Denn wer sich 10, 12 Marvel-Filme oder eine ähnliche Anzahl aus dem „Star Wars“-Universum angesehen hat, wird sich, damit es die Mühe wert war, vielleicht auch die nächsten derartigen Filme anschauen. Die großen Kinouniversen nützen die sogenannte Fehlinvestitionsfalle, die man aus der Wirtschaft kennt: Man investiert immer weiter – im Kino Zeit und das Geld für das Kinoticket –, weil man schon bisher so viel investiert hat, auch wenn es gescheiter wäre, aufzuhören.

Doch dieses Konzept hat sich zuletzt einigermaßen überlebt, es macht sich Marvel-Müdigkeit ebenso breit wie eine gewisse Unlust, sich neu gedrehte Disney-Filme von vor 20 Jahren anzuschauen, wie etwa die „Arielle“-Neuverfilmung. Neue Stoffe tun sich aber auch schwer – die Bereitschaft, dafür ins Kino zu gehen, ist nicht riesig. Was also tun?

Die Antwort liegt nah: Man nimmt Universen her, die es bereits gibt, und füllt sie mit neuem Leben. Die Pointe liegt nahe: So, wie das Frankenstein bei seinem Monster tut.

Kein Wunder also, dass nun innerhalb weniger Tage zwei der ganz großen Stoffe der Horrorliteratur ins Rennen gehen, noch dazu in Star-Besetzung: Guillermo del Toros „Frankenstein“ auf Netflix rittert gegen Luc Bessons „Dracula – Die Auferstehung“ in den Kinos. Bemerkenswerter Fakt am Rande: In beiden spielt der österreichische Oscar-Preisträger Christoph Waltz mit, in „Frankenstein“ auch der österreichische Burgtheaterschauspieler Felix Kammerer („Im Westen nichts Neues“).

FRANKENSTEIN

Oft verfilmt

Beide Stoffe sind längst so etwas wie vorgefertigte Kino-Universen: Es gibt unzählige „Frankenstein“- und „Dracula“-Filme, die mit verschiedenem Differenzierungsgrad mehr oder weniger das erzählen, was die literarischen Vorlagen bargen. Denn auch wenn man da gleich Schrauben im Hals eines eckigen Schädels bzw. aufgerissene Münder mit Vampirzähnen im Kopf hat: Bram Stoker und Mary Shelley haben ganz andere Urängste des Menschen beschrieben, als die pophistorische Verwurstung und Bebilderung der Motive danach nahelegen würde (die Bücher lesen sich übrigens beide auch ganz anders, als man sich denkt).

Die beiden Neuverfilmungen nun widmen sich einem in beiden Vorlagen stark präsenten Aspekt, der übrigens auch die Blutsauger im Silicon Valley zunehmend antreibt: dem ewigen Leben. In dem dröhnenden Film des dreifachen mexikanischen Oscarpreisträgers Del Toro ist Frankenstein (Oscar Isaac) davon besessen, einen Übermenschen mit ewigem Leben zu bauen. Dracula (Caleb Landry Jones) wiederum wird in Bessons Neuverfilmung mit ewigem Leben bestraft, als er Gott und der Kirche blutig abschwört.

Der Appeal ist klar: Gerade in sorgenvollen Krisenzeiten wächst die Sehnsucht auch im Publikum nach Überwindung des schnöden, begrenzten Hierseins. Und es wächst auch die Lust am gemeinsamen Gruseln.

Worin liegt der wohlige Schauer beim Anblick lebender Toter, ekeliger Monster und dämonischer Serienkiller? Die Lust an der Angst und worin sie besteht – darüber haben sich schon viele die Köpfe zerbrochen. In psychoanalytisch inspirierten Lesarten liegt der Genuss an den Ekelzuständen im Kino etwa darin, an eine Zeit in der Kindheit anknüpfen zu können, die noch keinen Ekel kannte.

Aber es gilt auch die umgekehrte These: Horror im Kino erlaube es uns, alle möglichen (Todes-)Ängste und Schreckensmomente zu durchleben – allerdings aus der sicheren Distanz des Filmzuschauers. Das hat doch eine gewisse Anschlussfähigkeit an den derzeitigen Status quo: In angstreichen Zeiten widmet man sich wohl lieber als sonst jenem Horror, der einem nichts anhaben kann.

Und Horrorfilme können, das war eine Erkenntnis der Pandemie, noch etwas: Sie schaffen ein Gemeinschaftserlebnis, für das es sich lohnt, ins Kino zu gehen. Denn gemeinsames Gruseln ist lustiger als im kleinen Kreis zuhause. Dass Netflix „Frankenstein“ nicht in die österreichischen Kinos bringt, ist da umso bedauerlicher – auch, weil Del Toro tief in jene Art von cinematischer Trickkiste greift, die auf der großen Leinwand umso besser wirkt.

Im Kino aber läuft „Dracula“ – und ein Film, der zumindest dem Titel nach den Horrortrend gut zusammenfasst: „Alles voller Monster“ ist ein sehr lieber, kindertauglicher Film darüber, anders zu sein als die anderen.

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