Dank KI in wenigen Stunden zum Buch
Es ist wahrlich nicht mehr die jüngste Kulturform. Aber dafür ist das Buch geradezu erstaunlich widerstandsfähig.
Radio, Film, Fernsehen, Computerspiele, das Internet, Social Media konkurrenzierten zwar der Reihe nach und nun alle gleichzeitig um die Aufmerksamkeit und die Zeit des Publikums. Aber kaum jemand, der etwas auf sich hält, würde seine Wichtigkeit für die Gesellschaft und die Bildung bestreiten: Das Buch ist ein hohes Kulturgut. Und jetzt kommt die KI.
Wie die Künstliche Intelligenz das Schreiben und das Lesen verändern wird, dazu gibt es derzeit viele aufgeregte Gedanken. Ihr Einfluss aufs Verlagswesen, auf die Autorenschaft, auf das Finanzgefüge am Buchmarkt und vor allem auf die Qualität der Texte und des Denkens ist derzeit das große Thema der Buchbranche.
Dazu kommt eine andere Herausforderung: Bücher brauchen Zeit. Mehr Zeit, als der aufgeregte Themendurchlauferhitzer Internet noch zulässt: Große gesellschaftliche Debatten sind längst durchgespielt, wenn dann Monate später die entsprechenden Sachbücher auf den Markt kommen.
KI schreibt mit
Genau hier nun soll – und kann – die Künstliche Intelligenz helfen. Auf erstaunliche Weise, wie ein Wiener Unternehmen zeigt.
story.one ist ursprünglich als On-Demand-Buchplattform gestartet: Jeder kann dort unkompliziert und erschwinglich den Prozess vom selbst geschriebenen Text bis zum gedruckten Buch absolvieren, das dann kurze Zeit später über den regulären Handel erhältlich ist.
Nun aber geht man einen großen Schritt weiter: Mit einer mit Spezialisten eigenentwickelten KI-Umgebung richtet man sich insbesondere an Menschen, die ihr Wissen teilen und als Sachbuch oder Ratgeber veröffentlichen wollen. Die KI soll vorhandene Forschung und Daten strukturieren, verdichten und in ein professionelles Fachbuch überführen. Das Versprechen: Das Buch ist nicht in Monaten, nicht in Wochen oder Tagen – sondern einigen Stunden fertig.
Der Prozess basiert auf dem, was der Autor bereits erforscht hat. Die Autoren können ihre wissenschaftlichen Texte sowie Zusatzinformation – Interviews, Zahlenmaterial, Podcasts – einspeisen, der KI inhaltliche und stilistische Vorgaben geben, festlegen, für welches Publikum und wie der Text geschrieben sein soll, welche Aspekte wichtig sind und wie sie erzählt werden sollen. Die KI erstellt dann daraus einen recht ausführlichen Text – ein Buch (siehe Kasten).
Und dabei, sagt Hannes Steiner, Gründer von story.one, im KURIER-Gespräch, sollen Fehler abgefangen werden – das ist der zentrale Teil der dahinterliegenden technischen Architektur. Die KI zieht Sekundärquellen heran, recherchiert und reichert den Text mit den Ergebnissen an.
Es wurde dafür „eine neurosymbolische Verarbeitungsschicht entwickelt, die Qualität, Logik und Konsistenz absichert“. Sie basiert auf der Forschung des Teams von Marius-Constantin Dinus (Gründer von ExtensityAI).
Es spielt, führt sein Kollege Markus Hofmarcher aus, anders als bei den Sprachmodellen wie ChatGPT die Validierung, also Überprüfung von Information eine zentrale Rolle. Es sei damit „möglich, aus einem wissenschaftlichen Paper die Aussage, Fakten und Ergebnisse zu extrahieren, aufzubereiten und in Buchform wiederzugeben“. Die Info könne von der KI überprüft und durch Recherchen ergänzt werden.
Gedruckt
Den ausformulierten Text kann man nachbearbeiten, unter anderen Vorgaben umformulieren lassen – und letztlich via story.one als Buch drucken lassen.
Denkbar ist etwa auch, Interviews mit einem Verwandten einzuspielen und daraus eine Biografie zu erstellen. Bei einer Tagung einer Telekom-Firma erstellte Steiner live ein Buch von den Inhalten des Tages.
Die Vision war von Anfang an, „den Prozess, wie ein Buch entsteht, grundlegend zu vereinfachen“, sagt Steiner. Denn zu viele Erkenntnisse, Vorträge und Ideen finden aus Zeitmangel oder wegen fehlender redaktioneller Unterstützung nie den Weg zwischen zwei Buchdeckel, sagt Steiner. „Das Hauptthema, das wir für den Buchmarkt lösen, ist jenes der Latenz. Die Menschen lieben Bücher und strukturierte, längere Texte. Aber die Welt hat sich so beschleunigt, dass sie, bis diese Texte in den Markt kommen, überholt, nicht mehr zeitgemäß sind. Wir haben uns gefragt: Wie können wir KI als Werkzeug für Menschen einsetzen, um mehr Wissen zu teilen, kreativer zu sein, etwas Positives auf der Welt zu bewirken? “
Gleichzeitig betont Steiner, dass sein Unternehmen kein reiner Technologieanbieter sein will, sondern bewusst im Ökosystem Buch bleibt: „Ich glaube an das Buch. Und an die Zukunft des Buches.“
Der Story Editor wird bereits von ersten Verlagen als Plattform getestet, auf der sie mit Autorinnen und Autoren Projekte aufsetzen. Und er könne eine Infrastruktur sein, mit der auch kleinere Player Sachbücher in Profi-Qualität schnell auf den Markt bringen können. Natürlich drängt sich dabei eine Sorge auf: Wenn künftig dank KI sehr viel mehr Sachbücher entstehen, wird es für einzelne Titel nicht noch schwerer, durchzudringen? Steiner hält dagegen: „Ich bin der festen Überzeugung, dass die einzige Währung Qualität sein wird.“ Es werde auch immer Menschen brauchen, die aus der Masse der Texte auswählen, diese empfehlen.
Er sieht zwei große Chancen: zum einen das „Matching“ zwischen vorhandenen Inhalten und Menschen, die genau nach diesem Wissen suchen. Da könne es um seltene Krankheiten oder hochspezialisierte Themen gehen. Zum anderen werde ein riesiger Teil des Wissens überhaupt erst zugänglich, weil er bisher nur in Köpfen existiere: Experten, Wissenschaftler, die keine Zeit oder kein Talent haben, ein Buch zu schreiben, könnten ihre Materialien und Gedanken über die Plattform strukturieren lassen.
Keine Kunst
Warum dieser Fokus auf Sachbücher? Warum nicht Belletristik? „Literatur ist Kunst, da will ich mich nicht einmischen“, sagt Steiner. Natürlich wäre es technisch verlockend, Genres mit starkem Formelkern – wie etwa Schlagertexte – von der KI erstellen zu lassen. „Aber ich sehe da keinen Mehrwert, keine Mission für die Menschheit.“
Aber ein gutes Geschäft? Gerade das superpopuläre New-Adult-Genre ist so formelhaft, dass es sich doch anbieten würde. „Vielleicht wird das jemand probieren. Aber wenn ich das vorschlage, würden meine Wissenschaftler wohl kündigen“, sagt Steiner – und lacht.
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