Kate Tempest: Eine kritische Beobachterin rechnet ab

Rapperin, Pop-Poetin und Buchautorin: Kate Tempest.
"The Book Of Traps And Lessons“, das neue Album von Kate Tempest, ist ein musikalischer Gedichtband, ein fesselnder Monolog – produziert von Produzentenguru Rick Rubin.

Kate Tempest macht sich Gedanken – oder besser gesagt: Sorgen. Sie fordert mehr Liebe, mehr Empathie, weniger Konsum und Ignoranz. Auf ihrem neuen, dritten Album „The Book Of Traps And Lessons“ macht das die britische Poetin und Rapperin im Stile einer Predigerin, die den Schäfchen einen Spiegel vor die Augen hält. Dabei erzählt sie mit mal eindringlicher, mal hauchender, mal wütender, mal zittriger Stimme Geschichten von Liebe, Freundschaft und Vertrauen. Aber auch von Rassismus, Nationalismus, Umweltzerstörung, Konsumwahn und eigenen psychischen Problemen. Wo Gott ist, ist der Teufel nicht weit.

Mit Hip-Hop im herkömmlichen Sinne hat das nur noch am Rande zu tun. Beats spielen hier kaum noch eine Rolle und es wird nicht gerappt. Stattdessen werden die Monologe von sanften Streichern, schweren Klaviermelodien und klagenden Chören untermalt. Verantwortlich dafür: Der US-amerikanische Alleskönner am Mischpult, der Mann für alle Fälle: Rick Rubin. Er hat sich um die Zusammenarbeit mit Kate Tempest bemüht, da er sie an die Essenz ihrer Kunst heranführen wollte. Mit dem Resultat: Rubin hat ihr das Rappen abgewöhnt. „Er ermutigte mich, die Sprache vom Flow, vom Takt, von der Musik zu lösen“, sagt die 33-Jährige in einem Interview.

Reisepass

Das neue Album der im Südosten Londons lebenden Künstlerin ist in ein braunes Ledercover gehüllt. Darauf sind die in Gold geprägten Umrisse des Vereinigten Königreichs zu sehen. Es sieht aus wie ein Reisepass und spielt natürlich auf Brexit-Absurditäten an: „Das Privileg, die richtigen Papiere zu besitzen, ist manchmal der Unterschied zwischen Leben und Tod. In England haben wir diesen lautstarken Streit – bringt den alten blauen Pass zurück, macht Großbritannien wieder britisch – diese ganze bizarre, giftige Diskussion über Nationalität und wer britisch ist und wer nicht“, erklärt Kate Tempest. In zahlreichen Songs, Theaterstücken und Romanen hat sie sich mit detaillierten Charakterstudien und Situationsbeschreibungen als Chronistin der britischen Seele einen Namen gemacht.

Ihre Texte schöpft sie aus Alltagsbeobachtungen: Sie hört und sieht in Londoner Cafés, Pubs und bei Bussi-Bussi-Events genau hin, was und wie die Menschen miteinander kommunizieren. Dass diese Gespräche oftmals nicht über Oberflächlichkeiten hinausgehen, ist für Tempest eine Art Realitätsflucht – von den Mieten, die sich im Zentrum Londons nur noch die Reichen leisten können, von der sozialen Ungerechtigkeit, die voranschreitet, von schlecht bezahlten Jobs und zwischenmenschlichen Grabenkämpfen. „The lessons will come again tomorrow / If they’re not learned today“, droht sie. Tja, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans eben nimmermehr.

Gegen Ende des tollen Albums sieht Kate Tempest trotz aller Sorgen Licht am Ende des Tunnels. Es gibt Hoffnung. Aber nur dann, wenn wir uns ändern, so die Botschaft. Besser heute als morgen. Marco Weise

Kate Tempest: Eine kritische Beobachterin rechnet ab

Album-Cover im Reisepass-Look.

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