Kasino am Schwarzenbergplatz: Fluchterfahrung gefällig?

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Aslı Kışlal, die designierte Direktorin des Theaters der Jugend, brachte „Oh no, not again“ zur Uraufführung. Gut gemeint.

Ein Abend im Namen der Rassismuserfahrungen und der „Communities“. Seinen absurd-komischen Höhepunkt erreicht der nicht nur ernst gemeinte Abend, als eine Darstellerin sagt, sie wäre am liebsten auch eine Geflüchtete. Würde sich gerne ihrer „weißen Privilegien“ entledigen. „Ich wünschte, ich hätte auch Fluchterfahrung“, sagt Sabine Haupt in der Rolle der penetrant gut meinenden Schauspielerin. „Ich wünschte, dass sich jemand um mich kümmert!“

„Oh no, not again“ von  Aslı Kışlal, uraufgeführt am Donnerstag im Burgtheater-Kasino am Schwarzenbergplatz, wurde mit Spannung erwartet. Kışlal gilt als Expertin für postmigrantische Zugänge im Theater und leitet ab nächstem Jahr das Theater der Jugend.
Als Regisseurin und Stückentwicklerin will sich Kışlal hier dem oft absurden Bemühen der Kunstwelt, alles richtig zu machen, satirisch nähern. Dem politisch korrekten PR-Geschwafel, den „progressiven Räumen“ und ihren „solidarisch gemeinten Gesten“, die oft bloß weitere Rassismen generieren. Vieles, das man hier hört, kommt einem allzu bekannt vor. Fragen wie: „Kann eine Medea heute noch von einer mitteleuropäischen Schauspielerin gespielt werden?“ (Antwort: natürlich nicht.)

Das Problem dabei ist: Der Abend will selbst alles richtig machen. Auch er ist gut gemeint, ebenso wie vieles, das man hier aufs Korn nimmt. Doch das mit der Selbstironie klappt nicht immer. Vor allem krankt das Stück daran, dass es keinen schlüssigen roten Faden hat. Der Text ist im Spiel entstanden, das merkt man, vieles wirkt unausgegoren. Die Grenzen zwischen Ironie und ernst Gemeintem sind fließend. Etwa, wenn von den „blinden Flecken der Mehrheitsgesellschaft“ die Rede ist.

Dennoch gelingt manches, und es gibt einiges zu lachen. Wenn zum Beispiel eine Darstellerin darauf besteht, „helfen“ zu wollen, in dem sie nicht mehr gewollte Kleidung spendet: Dunja Sowinetz redet sich hier wunderbar in Rage, sie will den armen Hascherln doch bloß helfen, aber „wenn wir nicht mehr helfen können, na servas! Wir sind neutral und hilfreich!“

Im Zentrum des Abends stehen Mitglieder sogenannter „Communities“: Hakan Çepelli, Nadine Abena Cobbina, Luna Al-Mousli und Zeynep Salkök sind die „Expert:innen des Alltags“, die gemeinsam mit Mitgliedern des Burg-Ensembles auftreten und aus ihrem Alltag berichten. Da ist viel Witz dabei, etwa, wenn Al-Mousli klarstellt: „Liebes Österreich, du musst mich aushalten. So wie ich dich an kalten Tagen.“ Wenn die schlagfertige Zeynep Salkök, eine ehemalige Pflegerin, so gar keine Lust darauf hat, Opfer zu sein. Und wenn Hakan Çepelli es stoisch hinnimmt, dass man ihn, weil er ja Migrant ist, mit Blumen überhäuft und ihm eine Mütze mit der Aufschrift „Mensch“ aufsetzt.

Andererseits: Bloß, weil jemand wie Paul Basonga Ensemblemitglied ist, ist längst noch nicht alles gut. So gerne würde er einmal den Kaiser spielen, aber das ist nicht so einfach, wenn man sichtbar kein autochthoner Österreicher ist. Egal, im Lauf des Abends wirft sich Basonga in Schale, also in eine k. u. k. Uniform, und richtet gesalbte Worte „an meine Völker“.

Der schönste Satz des Abend kommt dann von Sabine Haupt, die die Streberin unter den Künstler-Wohltätern gibt: „Ich möchte mich von dieser Inszenierung distanzieren.“

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