Theater der Jugend: Wiedergeburt im Renaissancetheater

Vielleicht kann man von einer belebenden, längst nötigen Wiedergeburt sprechen: Im Sommer 2026 übernimmt die Regisseurin, Schauspielerin und Drehbuchautorin Aslı Kışlal die Leitung des Theaters der Jugend. Die gebürtige Türkin, geboren 1970 in Ankara, folgt auf Thomas Birkmeir, der bereits seit 2002 als Direktor fungiert. Dies gab Christoph Brenner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des TdJ-Vereins, am Mittwoch bekannt.
Die Entscheidung bedeutet nicht nur einen Generationen-, sondern auch einen Wechsel hinsichtlich Zugang und Ausrichtung. Denn Birkmeir pflegte einen eher traditionellen Theaterbegriff; Aslı Kışlal hingegen gilt als Expertin für postmigrantische Zugänge im Theater. Und der ist wohl dringend notwendig in einer vielethnischen Stadt wie Wien.
Einstimmige Wahl
Birkmeir hatte Ende Jänner angekündigt, die Leitung 2026 zurückzulegen; wenige Wochen später wurde Kritik an seinem Führungsstil laut. Einen Zusammenhang bestritt der Bayer. Am 8. März wurde der Posten ausgeschrieben, insgesamt gingen 40 Bewerbungen ein, fünf Personen wurden zum Hearing eingeladen. Die Findungskommission (u. a. mit Sara Ostertag) entschied sich einstimmig für Aslı Kışlal. Die Vertragslaufzeit beträgt fünf Jahre.
Für Kışlal, die mit 19 Jahren ohne Deutschkenntnisse nach Wien gekommen ist, schließt sich ein Kreis. Denn bereits mit 21 sei sie im Theater im Zentrum, der zweiten Spielstätte des TdJ, auf der Bühne gestanden – als Hauptdarstellerin. Im Rahmen des Stücks über Jugendbanden habe man damals, in den frühen 90er-Jahren, versucht, die Verständigung zwischen migrantischen Gruppen und der rechtsradikalen Szene zu ermöglichen. Dieser Anspruch auf Verständigung habe sie geprägt. „Für mich ist das Theater ein Ort, wo das spielerische Erleben und Gestalten der Welt im Vordergrund steht und wo Erfahrungen junger Menschen ernst genommen werden.“
Seit 25 Jahren arbeitet Aslı Kışlal hauptsächlich in der Freien Szene, 2009/’10 leitete sie das Theater des Augenblicks in Wien, 2024 erhielt sie für ihre Inszenierung von Barbi Markovićs „Minihorror“ mit dem von ihr im Jahr 2013 gegründeten diverCITYLAB eine Nestroy-Nominierung. Im Burgtheater-Kasino am Schwarzenbergplatz bringt sie am 27. November ihre Stückentwicklung „Oh no, not again!“ zur Uraufführung.
Aslı Kışlal will die „Stärken und Qualitäten des TdJ behalten“, das Renaissancetheater würde sie am liebsten umbenennen (Orthografie!), und sicher werde es kein Musical mehr geben.
Warten auf Babler
Zu Birkmeir wollte sich die Politik nicht äußern. „Wir sind ausschließlich hier, um nach vorne zu schauen“, sagte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. Aber auch Kulturminister Andreas Babler (SPÖ), der Aslı Kışlal und das Auditorium eine knappe halbe Stunde warten ließ, wurde nicht konkret – zum Beispiel hinsichtlich des Budgets, das der neuen Direktorin zur Verfügung stehen werde.
Aslı Kışlal ließ sich die Vorfreude nicht nehmen: Sie schloss ihre Ausführungen mit einem „Ja, ich will!“. Die dutzenden Mitarbeiterinnen klatschten eifrig. Wenige Minuten später verließ Gerald Maria Bauer, seit 2002 Chefdramaturg des TdJ, das Haus mit einem Trolley. Er geht mit Birkmeir ab. Kışlals Stellvertreterin wird Bérénice Hebenstreit.
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