Justin Biebers "SWAG": Seelenbeichte mit Pastorenpredigt
Man wird nicht immer schlau aus Justin Biebers Instagram-Beiträgen. Aber in der Nacht auf Freitag konnte man sich tatsächlich einen Reim darauf machen, was da geschah.
Denn Bieber postete innerhalb weniger Stunden einige Werbevideotafeln in verschiedenen Städten, die immer deutlicher darauf hinwiesen, dass der kanadische Popsänger ganz ohne große Ankündigung ein neues Album veröffentlicht. „SWAG“, so heißt es, ist sein erstes Studioalbum seit vier Jahren.
Das ist schon eine eher lange Zeitspanne heutzutage in der schnelllebigen Popwelt. Dazwischen ist freilich allerhand passiert. Allen voran bekam Justin Bieber, der seit dem Alter von sechs Jahren das anspruchsvolle Leben eines Kinderstars geführt hatte, gravierende gesundheitliche Probleme. Eine ohnehin schon von der Covid-Pandemie beeinträchtigte Tour musste schließlich 2022 abgebrochen werden, weil Bieber eine halbseitige Gesichtslähmung hatte – Symptom einer Erkrankung am Ramsay-Hunt-Syndrom.
Kein Opfer
In den Medien landete der Popstar auch im Zuge des Prozesses gegen Sean Combs. Immer wieder tauchten Gerüchte auf, dass auch Bieber zu den Opfern des wegen Sexualverbrechen verurteilen Musikmoguls gehörte. Erst vor wenigen Wochen hat sich Biebers Sprecher auf dem Promiportal TMZ erstmals dazu geäußert: „Obwohl Justin nicht zu den Opfern von Sean Combs gehört, gibt es Menschen, die wirklich von ihm geschädigt wurden. Den Fokus von dieser Realität abzulenken, lenkt von der Gerechtigkeit ab, die diese Opfer zu Recht verdienen.“
Aber auch Erfreuliches ereignete sich: Bereits seit 2018 ist Justin Bieber mit Model Hailey (geborene Baldwin) verheiratet. Im vergangenen Jahr brachte sie den gemeinsamen Sohn Jack Blues zur Welt. Offenbar als Hommage an ihn hat Bieber zuletzt seinen Namen auf Instagram auf „lilbieber“ (Kleiner Bieber) geändert.
Vaterschaft
Der kleine Bieber ist nun auch auf der Rückseite des neuen Albums zu sehen – allerdings nur sein Hinterteil. Sein mit mannigfaltigen Tätowierungen im Sofahintergrund verschmelzender Vater hält ihn über seinem Kopf.
In den Song mit dem Sprachspiel „Dadz Love“ – der Titel wird mantraartig ohne viel weiteren Text wiederholt – kann man interpretieren, dass die Vaterschaft Justin Bieber erst gelehrt hat, was Liebe ist: „That’s Love“, nämlich die Liebe, die ein Vater für sein Kind empfindet.
Das Lied ist eins der wenigen auf „SWAG“, das etwas schnellere Beats vorzuweisen hat. Anders, als man bei einer Songliste, die durchgehend in schreienden Großbuchstaben geschrieben ist, vermuten würde, ist dieses Album eher langsam, leise und zurückgelehnt. Die Gitarre, wie sie bei einer der unzähligen auf Instagram dokumentierten Jam-Sessions die Song-Entstehung antreibt, spielt sehr oft die Instrumenten-Hauptrolle.
Die sonst beliebten Verfremdungseffekte verwendet Bieber nur selten, vielleicht einmal einen Hall, einen metallischen Störer („Too Long“), einmal eine Art Heliumstimme („Yukon“). Im Club lässt sich höchstens „Sweet Spot“, ein Duett mit der Rapperin Sexyy Red, unterbringen. Es hat nicht nur reichlich explizite Passagen, sondern auch Ohrwurmqualität. Manches Mal erklingt Retrosound, der an 90er-Boybands erinnert („All I Can Take“) oder an sein frühes Idol Michael Jackson.
Einigen Platz nehmen auf diesem Album Dialoge mit dem Comedian Druski ein, der mit Bieber über dessen innere Kämpfe parliert, ihm etwas Gutes zum Rauchen empfiehlt und ihm eine schwarze Seele attestiert. Das letzte Lied auf dem Album singt nicht Justin Bieber, sondern der Pastor Marvin Winans. Seine Predigt über Jesus setzt dann wieder einen originellen Kontrapunkt zu den Sexpraktiken in „Sweet Spot“.
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