"Jedermann" – ein Stück für die Ewigkeit

Sehr geehrtes Kulturamt!
Jetzt wird bei den Salzburger Festspielen schon wieder der „Jedermann“ gespielt, dieses verlogene, erzkatholische, sprachamputierte Ungetüm. Können Sie sich nit erbarmen und dieses Werk endlich aus dem jährlichen Programm streichen lassen? Der geneigte Theaterliebhaber wäre höchsterfreut. Im Glauben an Ihre Guten Werke verbleibe ich hochachtungsvoll, A. K.
Sehr geehrte A. K.,
vielen Dank für Ihren Antrag, dessen Einlangen wir bestätigen (Geschäftszahl 11/2015). Gestatten Sie gleich vorweg die submisseste Belehrung, dass wir im Kulturamt nicht für die Programmation von Festspielen zuständig sind und das auch gar nicht sein wollen, weil wir einen daraus resultierenden Ansturm kulturinteressierter Menschen auf unsere Räumlichkeiten nicht verkraften könnten.
Da Ämter generell, und somit auch wir, das Bewährte und gut Überlieferte jedoch durchaus schätzen, ist uns die Tradition des „Jedermann“ am Domplatz äußerst lieb. Er gehört zu Salzburg wie dessen weltweit gefeierter Compositeur und wurde seit 1920 fast allsommerlich gespielt, mit Ausnahme jener Jahre, als Österreich Teil der Nazi-Diktatur war (allein das schon ein Grund, ihn nie wieder zu streichen). In ökonomisch kundigen Kulturkreisen vernimmt man überdies, dass „Jedermann“ einen Teil des weiteren Programmes mitfinanziere, also auch ein wirtschaftlicher Erfolg sei.
Aber nun zu Ihren künstlerischen Einwänden, zu denen wir als Beobachter durchaus Stellung zu beziehen bereit sind: „Jedermann“ ist kein schlechtes Stück und war auch nie ein solches. Wir sind sogar zu konfirmieren bereit, dass es gerade heute ein zentrales Werk ist, weil es sich mit den Fragen des Diesseits angesichts der Drohung des nahenden Jenseits auf dramaturgisch kluge Weise beschäftigt. Im „Jedermann“ des von uns enorm geschätzten Herren von Hofmannsthal geht es darum, was vielen unserer Zeitgenossen abhanden gekommen zu sein scheint: das Bewusstsein, dass Geld nicht das einzige Maß für ein erfolgreiches Leben sein dürfe. Was nehmen wir mit, wenn wir gehen müssen? Wie behandeln wir die Menschen rundum? Welche Werte halten wir hoch? Wie nützen wir unsere Tage, die stets unsere letzten sein könnten? Und: Gibt es ein Verzeihen, durch Gott oder wen auch immer? Wir sind überzeugt: „Jedermann“ ist österreichisches Kulturgut und ein Beweis, dass Kunst nachhaltiger zu uns spricht als etwa Politik. In einer Sprache, die keinen Zeitgeist braucht. Auch daher müssen wir, werte A. K., Dero Antrag ablehnen.
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