Der portugiesische Künstler gewann den Kapsch-Kunstpreis und stellt im mumok aus
15.12.20, 05:00
Der Ausstellungsraum im Zwischengeschoß des Wiener mumok erscheint überflutet. Am tiefblauen Teppichboden, der in einem gesprayten Horizont auszuufern scheint, haben sich Farbpfützen ausgebreitet. Einige Objekte aus Glas, die angeschwemmten Quallen gleichen, liegen herum, dazu amöbenhafte Massen aus gewalktem Filz, die wirken, als seien sie sehr oft gewaschen und ausgequetscht worden.
Schön? Oder eher grauslich? So genau weiß man das nicht bei den Lebewesen des Meeres, die dem portugiesischen Künstler Hugo Canoilas als Inspiration für seine Installation im Wiener mumok (bis 5. 4. 2021) dienten.
Canoilas, der seit zehn Jahren in Wien lebt, realisierte das Projekt, weil er den heurigen „Kapsch Contemporary Art Prize“ verliehen bekam – die Museumsschau, eine goldene Wandernadel am Hut eines jeden Kunstschaffenden, ist Teil der Auszeichnung, die auch 10.000 Euro Preisgeld, einen Katalog sowie den Ankauf einer Arbeit für die mumok-Sammlung beinhaltet.
Mittel und Ziele
„Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich in dieser schwierigen Zeit Arbeit, Ziele und auch die Mittel hatte, meine Ideen zu realisieren“, sagt Canoilas, der die Rolle von – häufig von Privaten gestifteten – Preisen in der pandemiegeschwächten Infrastruktur der Kunstwelt hervorstreicht. „Ich sehe meine Arbeit auch im Dialog mit Preisträgern, die hier schon ausgestellt haben und noch ausstellen werden.“
Auch wenn Canoilas verschiedenste kunsthandwerkliche Techniken von der Textilbearbeitung bis zur Glasbläserei in seine Arbeit einbaut, kommt er doch von der Malerei her. Wohnzimmerbildformate reichen ihm aber nur selten: Einmal malte er Dinosaurier in Lebensgröße, um ihre Dimension zu veranschaulichen; er platzierte bemalte Objekte im öffentlichen Raum oder nutzt, wie jetzt im mumok, den Boden. „Wenn sich die Malerei ausdehnt, wird sie zu etwas Natürlichem und erscheint nicht mehr als menschengemacht“, sagt Canoilas.
Freilich hat der Portugiese mit diesem Zugang zahlreiche Vorgänger – von Jackson Pollocks „Drip Painting“ der 1950er über die „Environments“ und Schütt-Aktionen der 1960er und 70er Jahre bis zu zeitgenössischen Malerstars wie Katharina Grosse lassen sich Verwandtschaften finden. Während es in dieser Entwicklungsgeschichte aber meist um neue Formen der Abstraktion ging, kommt bei Canoilas ein Realismus zurück – in Form einer Natur, in der sich belebte und unbelebte Materie als gleichwertig präsentiert und der Schöpfergeist von Kunst-Akteuren mit jenem von Pflanzen, Tieren und Mikroben in einer kreativen Ursuppe verschwimmt.
Die Nichthierarchie wird im mumok noch unterstrichen, wenn zu bestimmten Zeiten als Hund verkleidete Akteure oder Akteurinnen auftauchen, um das Publikum zum Perspektivwechsel zu animieren. Noch offen ist die Frage, was von alldem in die Museumssammlung soll: Denn auch der Begriff des „Werks“ ist ziemlich flüssig geworden.
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