"Horses": Ein wilder Ritt als Stepptanz in die Gefilde des Musicals

Bis das Pferd den Geist aufgibt: Claudia Kottal und Ivan Vlatković
Bei den Vereinigten Bühnen Wien, subventioniert mit Abermillionen, sinniert man jahrelang über ein neues Musical – um dann erst recht wieder auf angloamerikanische Mainstream-Produktionen (zuletzt „Cats“ und „Miss Saigon“, derzeit Disneys „Der Glöckner von Notre Dame“) zurückzugreifen. Oder man puzzelt hinlänglich bekannte Lieder zu einem halbwegs glaubwürdigen Plot zusammen. Auf Udo Jürgens und Rainhard Fendrich wird 2023 wagemutig Falco folgen.
Wie man es auch machen kann, zeigt eine bunt zusammengewürfelte Truppe mit einem anfänglichen Budget von nur 40.000 Euro: Der aus Serbien gebürtige Jazztrompeter und Regisseur Imre Lichtenberger Bozoki heckte mit dem Dramatiker Johannes Schrettle – sie kennen sich aus Graz – bei einem Kaffee den Plan aus, ein Musical zu realisieren, ein ziemlich schräges natürlich. Schrettle schrieb das pointierte Libretto, und mehrere Komponisten, darunter der Kontrabassist Georg Breinschmid, steuerten Songs bei. Die Palette reicht vom Schmachtfetzen bis zum Kunstlied, vom Austropop bis zu Punk-Polka, ein wenig Rap ist auch dabei.
Die Handlung von „Horses“ lässt sich kaum zusammenfassen: Der orientierungslose René landet bei seiner Fahrerflucht auf einem Gut namens „Mensch“, das eine Tochter aus höherem Haus geerbt hat. Er wird für einen Schamanen gehalten und vermag tatsächlich das kranke Therapiepferd, in dessen Bauch Drogen geschmuggelt worden sind, zu heilen. Da wird die Gutsverwalterin schwach: Sie schläft mit dem Pferdeflüsterer, betrügt ihren Walter, der krude Geschäftskonzepte schreiben darf, in denen es um Flüchtlinge, Führungskräfte, Integration und Anarchie geht. Der konservative Bürgermeister aber hält nichts von Gutmenschen-Engagement, er will mit Kultur punkten und zwingt die Gruppe zur Erarbeitung eines Musicals. Et cetera.
In Galoschen im Galopp
Das Schöne dabei: Im Gegensatz zu normalen Musicals gibt es kein Happy End.
Die Uraufführung war einst für den März 2020 geplant gewesen, musste aufgrund der Pandemie auf Februar 2021, dann auf Dezember 2021 verschoben werden. Nun endlich konnte sie stattfinden – am Montag im Werk X Petersplatz unter beengten Bühnenverhältnissen: Es sind immerhin elf Musiker und Schauspieler beteiligt.
Mit minimalistischer Ausstattung, aber einer Fülle an Ideen – der Ausritt von Martin Hemmer (als Pferd in Galoschen) und Suse Lichtenberger (als Birgit) wird im Galopp gesteppt – gelingt ein wunderbar leichter Abend.
Ivan Vlatković tanzt um sein Leben, Claudia Kottal begeistert als Rockröhre, die niemals Musicals singen will, Barbara Kramer erheitert als verdeckte Ermittlerin und Christian Strasser als Wittgenstein zitierender Politiker. Man würde dieser fetzigen (und kaum fair bezahlten) Produktion einen größeren Rahmen und viel Publikum wünschen. THOMAS TRENKLER
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