Harald Serafin ist gestorben: Er lebte Operette

Ein älterer Mann im Frack steht auf einer Treppe, umgeben von Tänzerinnen in roten Kostümen mit großen Federkopfbedeckungen.
Harald Serafin (1931 – 2025). Zum Tod des großen Intendanten und Unterhaltungskünstler, der als „Mister Wunderbar“ noch ganz neue Publikumsschichten erreichte.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Zuletzt hat man ihn in St. Margarethen öffentlich gesehen, bei der Premiere von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“, den sein Sohn Daniel als künstlerisch Verantwortlicher im Steinbruch realisiert hat: Er wirkte schwach, ging am Stock, sein berühmtes Lächeln war aber immer noch da, und er grüßte freundlich in die Menge, nachdem er von der Bühne aus begrüßt worden war. Bis zuletzt war Harald Serafin Teil der Kulturszene dieses Landes, mit einem riesigen Herz für das Theater, speziell für das Musiktheater, und mit einer Leidenschaft, die man so schnell nicht mehr finden wird. Nun ist der Intendant und Sänger, der Schauspieler und Entertainer im Alter von 93 Jahren gestorben.

Ein älteres Paar posiert vor einer Freilichtbühne mit goldenem Bühnenbild am Wasser.

Über 40 Jahre dauernde Liebe: Harald Serafin mit Ehefrau Ingeborg.

Bahnbrechend

Nur ein paar Kilometer entfernt von St. Margarethen, in Mörbisch, hatte der am Heiligen Abend des Jahres 1931 in Litauen zur Welt gekommene Serafin Bahnbrechendes ermöglicht: Mit ihm wurden die Operettenfestspiele zu einem Publikumserfolg, mit dem nicht einmal kühnste Optimisten gerechnet hätten. Mit weit mehr als 100.000 Besuchern pro Jahr, mit Millionen über die Jahre seiner Intendanz. Serafin schaffte es, breite Unterhaltung, ja Kommerz, stets mit Qualität zu verknüpfen und zu einer Einheit zu machen, das Publikum dankte ihm dafür.

Zwei Männer im Smoking mit Fliege lächeln in die Kamera.

Mit seinem Sohn Daniel, der erst als Sänger, dann als Intendant seinem Vorbild folgte.

Ein Retter des Fachs

Zu einem Zeitpunkt, als Operette in Wien totgesagt wurde, als die Volksoper massiv schwächelte, als man sich in Kulturkreisen eher lustig über das altmodische Fach machte, glaubte er an die musikalische Kraft der Operettenhits (und hatte selbstverständlich recht damit). Er trat selbst immer wieder auf, zum Beispiel als Kaiser im „Weißen Rössl“ oder als Obereunuch im „Land des Lächelns“. Und er fuhr tatsächlich von Tourismusmesse zu Tourismusmesse und machte dort Werbung für „sein“ Mörbisch. Busweise reisten die Menschen an – und die Bühne am Neusiedlersee war plötzlich ein Fixpunkt auf den Routen vieler Kulturreiseveranstalter.

Tanzjuror

Die Intendanz in Mörbisch war aber nur eine zentrale Station seiner Karriere. Das große Publikum (noch größer als Mörbisch) hatte er in den Anfangsjahren der ORF-Sendung „Dancing Stars“, als einzelne Sendungen noch von 1,5 Millionen Sehern verfolgt wurden. Er saß am Jurytisch, verstand vom Tanzen wohl wesentlich weniger als seine Kollegen, hatte aber auch dort das richtige Gespür für Unterhaltung, Ausstrahlung und Können. Und wenn er nicht mehr wusste, was er sagen sollte (und das passierte oft), dann sagte er nur „wunderbar“. Mit vielen Rufzeichen und mit seinem Operettenton. Der Beiname „Mr. Wunderbar“ blieb ihm fortan. Und man erkannte wieder einmal sein Talent, sich in verschiedenen Genres zurechtzufinden, weil er eine Liebe zum Publikum hatte.

Jahrzehnte davor hatte er bereits als Sänger Karriere gemacht und war da durchaus erfolgreich - legendär sein Graf Danilo. Dann holte ihn sein Freund Otto Schenk, der nur einen Steinwurf entfernt von ihm am Wiener Rudolfsplatz wohnte, ans Theater. Die New York Times bezeichnete Serafin damals einmal als „Walter Matthau der Operette“, was durchaus zutraf.

Otto Schenk, Harald Serafin, Helmuth Lohner

Mit seinem guten Freund Otto Schenk spielte er in der Altersheim-Tragikomödie "Schon wieder Sonntag" (2015), Helmuth Lohner inszenierte.

Apropos Matthau: Einen riesigen Erfolg feierte Serafin im Jahr 2008 mit Peter Weck im Volkstheater in den „Sunshine Boys“ von Neil Simon, die mit dem legendären grantigen Hollywoodstar verfilmt worden waren.

Zu diesem Zeitpunkt war Serafin als Sänger mehr oder weniger in Pension – nach einer Stimmbandoperation wegen einer Krebserkrankung 1998 hatte er diese Profession (abgesehen von einzelnen kleineren Auftritten) beenden müssen. Die zuletzt von ihm bekannte (und unverkennbare) Stimme resultierte daraus.

Kulturkenner

Serafin war aber nicht nur ein Unterhaltungskünstler erster Klasse, er war auch generell ein Kulturkenner von Rang. Es gab kaum eine Opernpremiere im wesentlich schwereren Fach, der er nicht beiwohnte. Er kannte sich stimmlich aus wie wenige andere. Er liebte es, über das Metier zu philosophieren und kontaktierte Ihren Rezensenten unzählige Male nach Kritiken für einen künstlerischen Austausch – und es war immer eine Freude. Er hatte ganz viele Ideen, wie man Operette auch in Wien besser machen könnte – und kam leider nie in die Position, das auch an einem großen Haus selbst beweisen zu können. Er war ein im wahrsten Sinne „wunderbarer“ Beobachter der Kulturszene und fand, wenn er einem vertraute, gar nicht mehr alles so wunderbar. Er war ein durch und durch ernsthafter, kritischer Mensch, auch wenn er nach außen hin kein Problem hatte, immer wieder den Clown zu geben.

Familienmensch

Aus erster Ehe (mit der Sängerin Mirjana Irosch) stammt Martina Serafin, eine Sopranistin, die an der Wiener Staatsoper und an anderen wesentlichen Bühnen im Opernfach begeisterte (etwas, was ihm selbst nicht auf diesem Niveau gelang). Seine zweite Ehe (mit Ingeborg Serafin) brachte seinen Sohn Daniel hervor, der zunächst als Sänger (Bariton) und dann auch als Intendant im Burgenland in seine Fußstapfen trat.

Die Musiktheater-Szene verliert mit Harald Serafin ein Original, das es in dieser Form nie wieder geben wird. Wenn jemand da oben die Menschen zum Lachen und zum Singen bringt, dann ist er es.

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