Großer Wert, schwammiger Preis: Warum Kunst das kostet, was sie kostet

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Der internationale Kunstmarkt schwächelt, eine neue Messe in Wien setzt auf „leistbare Kunst“. Doch wie kommt der Preis für Kunstwerk zustande?

Auch die großen Player an der Spitze des internationalen Kunstmarkts geben es mittlerweile billiger: Die Auktionen der vergangenen Woche in New York, gern als Gradmesser für die Gesundheit der Branche angesehen, waren fast in allen Kategorien eine Enttäuschung. Top-Lose von Giacometti oder Warhol blieben liegen, Sotheby’s und Christie’s setzten entgegen der vorab publizierten Schätzwerte von 1,6 Milliarden US-Dollar in Summe nur eine Milliarde um. 

Doch diese Trends und Werte repräsentieren nicht „den“ Kunstmarkt. Dieser spielt sich nämlich zu nicht unwesentlichen Teilen in anderen Sphären ab – in Galerien, bei Kunsthändlern und auf unzähligen kleinen und mittleren Messen, wo Käufe nicht erst im fünf- oder sechsstelligen Bereich beginnen. 

Die Preishürde

Der jüngste Zuwachs in der Kunstmesselandschaft Wiens will potenziellen Käufern die Angst vor hohen Preisen nehmen: Bis Sonntag findet die „Affordable Art Fair“ in der Wiener Marx Halle statt. Die „leistbare“ Kunstmesse gibt es bereits in 15 anderen Städten, in Österreich will das Format längerfristig, in jedem Fall aber in den kommenden vier Jahren präsent sein, sagt Leiterin Tanya de Breda Vriesman im KURIER-Gespräch. 

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Dabei ist es nicht so, dass in der von den Veranstaltern als „leistbar“ definierten Preisspanne zwischen 100 und 10.000 Euro nicht auch anderswo Kunst zu erwerben wäre. Sehr oft aber gibt Intransparenz und eine elitäre Aura Menschen das Gefühl, dass ein Kunstkauf jenseits ihrer Möglichkeiten liege.

„Am österreichischen Markt sind sich alle sehr bewusst, dass man mit den Preisen nicht zu hoch gehen kann“, sagt Lena Freimüller. Die Leiterin der „Galerie 3“ mit Standorten in Klagenfurt und Wien hat etablierte Namen wie den Maler Peter Krawagna und die Medienkünstlerin Margot Pilz im Programm, arbeitet aber auch mit Abgängerinnen von Kunstunis und organisiert einen Nachwuchspreis für bildende Kunst in Kärnten. „Da ist es wichtig, dass man Preise operationalisiert und vergleichbar macht“, sagt die Galeristin. 

Die Formel 

Im zeitgenössischen Bereich hat sich dazu eine Formel etabliert: Auf Bilder angewandt, lautet sie „Länge plus Breite mal Faktor“ – wobei der „Faktor“ eine Variable ist, die den Status des oder der Kunstschaffenden ausdrücken soll: Hat die betreffende Person schon viele Ausstellungen oder Messebeteiligungen vorzuweisen – und wenn ja, wie renommiert waren diese Institutionen? Wurde das Werk bereits mit Preisen ausgezeichnet, ist es in Büchern und Katalogen dokumentiert und in der Presse besprochen worden? 

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Einen verbindlichen Schlüssel, mit dem diese Kriterien gewichtet werden, gibt es allerdings nicht. Entscheidend ist: Der Wert eines Künstlers oder einer Künstlerin – und das Potenzial einer Wertsteigerung – hängt davon ab, ob und wieweit er oder sie am „System Kunst“ partizipiert.

Die Galerien

Hier kommen die Galerien ins Spiel, die ihren Schützlingen mehr oder weniger Renommee und Sichtbarkeit sowie den Anschluss an Sammler verleihen können. Branchenüblich ist, dass dafür die Hälfte des Kaufpreises in ihre Tasche wandert – wobei es im Detail Verhandlungsmasse gebe, etwa wenn Kosten für Arbeitsmaterialien oder Rahmungen anfallen. 

Oft liegt hier ein Konfliktherd zwischen Künstlern und Galerien. Die Gepflogenheit, bei einem „Ab-Hof-Verkauf“ den Vermittler außen vor zu lassen, falle aber meist auf das Standing der Künstler – und auch jenes der Käufer - zurück, erklärt Freimüller: „Wer im Atelier Deals zum Sonderpreis einfädelt, treibt einen Keil zwischen den Künstler und den, der ihn repräsentiert", sagt die Galeristin. „Man honoriert nur einen Teil der Arbeit.“ 

Das Renommee

Während Papierarbeiten von Kunstuni-Absolventen oft schon um ein paar hundert Euro zu haben sind, ist etwa für Gemälde des jüngst verstorbenen Malers Hubert Schmalix der „Faktor 100“ anzulegen, erklärt Alexander Giese. Bei den Großformaten von Schmalix‘ letzter vollendeter Serie, die bis 4. Juni in einer Schau bei „Giese & Schweiger“ in der Wiener Akademiestraße zu sehen sind, kommt man so auf Preise bis zu 54.500 Euro, inklusive Mehrwertsteuer.

 Auf die Bilder des Biedermeiermalers Ferdinand Georg Waldmüller oder des Ringstraßen-Künstlers Hans Canon, die bei Giese in einem Schauraum nebenan hängen, trifft die Formel aber nicht zu – die Bilder sind eher klein, zwischen 3.000 und 300.000 Euro ist vieles möglich. Mit Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts war die Kunsthandlung groß geworden – als Sohn des Co-Firmengründers steht Alexander Giese nun mit einem Bein im klassischen Kunsthandel und mit dem anderen im zeitgenössischen Galerienwesen. 

Der so genannte „Sekundärmarkt“ – der Handel mit Kunst, die schon einen oder mehrere Vorbesitzer hatte – orientiert sich oft am Ruhm des betreffenden Künstlers: Ein Rembrandt ist teurer als ein Hoogstraten, ein eindeutig zugeschriebenes Werk mehr als eines, bei dem Schüler involviert waren. Auktionsergebnisse spielen als Richtwert eine Rolle, und nicht zuletzt der Preis, den der Verkäufer für sein Bild haben möchte. Nicht immer entspricht dessen Schätzung der aktuellen Nachfrage am Markt.

Die Qualität

So steht am Ende oft ein abstrakteres Verständnis von Qualität: Ist das Werk für sich genommen gut? Ist es ein gutes oder eher schlechtes Beispiel dafür, wofür der Künstler, die Künstlerin bekannt ist? 

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Gerade abseits der Spitzen-Liga hat sich hier in jüngerer Zeit viel verschoben: Die Kennerschaft für weniger bekannte historische Namen nimmt ab, und Sammler, die eher mit zeitgenössischer Kunst sozialisiert wurden, kaufen historische Ware eher aus Geschmacksgründen und aus Impulsen heraus. Als Resultat sind viele Bilder des 19. Jahrhunderts oder kleinere Altmeisterwerke in die Sphäre unterhalb der 10.000 Euro gerutscht. Ob sie wieder an Wert gewinnen? Kann sein, aber sehr wahrscheinlich wird es so bald nicht der Fall sein. 

Das Potenzial

„Ich weiß nicht, wann sich die Idee eingeschlichen hat, dass ein Kunstkauf auch schlau sein muss“, sagt Giese. „Wenn mich jemand fragt, womit er beim Kunstkauf anfangen soll, sage ich: Am besten mit einem Fehler.“ Niedrige Einstiegspreise könnten eine positive Dynamik in Gang bringen, meint der Händler. 

Bei Preisen unterhalb der 1000 Euro bleibe aber oft ohnehin nur das Nötigste – und das ist, neben etwas Geld für Arbeitsmaterial und Lebensmittel, eine Form von Bestätigung für die Schaffenden. Wenn man sich die Preise für Luxustaschen und andere massenproduzierte Güter vor Augen führe, relativiere sich rasch auch der Preis für ein künstlerisches Originalwerk, sagt „Galerie 3“-Chefin Freimüller: „Man soll sich da ruhig etwas trauen. Denn man fördert damit die eigene Inspiration - und die Kunst- und Kulturszene als Ganzes.“

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