Gmeiner, Currentzis oder Lueger: Es ist ein Gwirks mit den Ehrungen

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Mit Ehrungen ist es generell ein Durcheinander. Und die Geschichte lehrt zur Genüge, dass man nicht zu früh damit beginnen sollte.

Ihr Tratschpartner sollte recht behalten: Am 22. Oktober berichte der KURIER, dass Andreas Babler (SPÖ), der neue Kulturminister, sein Okay gegeben hat, Teodor Currentzis mit der höchsten Auszeichnung der Republik zu würdigen. Und noch am gleichen Tag schnaubte der Journalist Axel Brüggemann vor Wut. Nicht, weil der Dirigent, unterstützt von russischen Oligarchen, künstlerisch unwürdig wäre. Aber weil wir uns, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen, mit Wladimir Putin im Krieg befinden: Die EU beschließt ein Sanktionspaket nach dem anderen, um den Diktator in die Knie zu zwingen – und Babler findet nichts dabei, den in Russland tätigen Dirigenten mit dem Österreichischen Ehrenzeichen auszuzeichnen. 

Die Forderung, von der Auszeichnung abzusehen, hat übrigens rein gar nichts mit Cancel Culture zu tun, wie der Vizekanzler meint. Sondern nur mit Haltung. Bleibt zu hoffen, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der die Verleihung vorzunehmen hätte, noch eine hat.

Mit Ehrungen ist es generell ein Gwirks. Und die Geschichte lehrt zur Genüge, dass man nicht zu früh damit beginnen sollte. Denn die dunklen Seiten eines Menschen dringen mitunter erst viel später ans Licht.

Kürzlich erhielt Ihr Tratschpartner, der immer wieder gerne spendet, Post vom SOS-Kinderdorf. Auf dem Kuvert stand: „Helfen Sie jungen Menschen in Not!“ Hätte ich gerne, dachte ich mir, durchaus schockiert ob des Zynismus der Spendenkeiler nach den Enthüllungen der letzten Wochen über den Gründer Hermann Gmeiner und andere. Aber ich habe den jungen Menschen, die keine sorgenden Eltern haben, leider nicht helfen können gegen die Übergriffe, die das SOS-Kinderdorf-Management zumindest ein Jahrzehnt lang vertuscht hat.

Ich kann daher nachvollziehen, dass man einem Bubenschänder – wiewohl er weltweit auch Großartiges geleistet hat – nicht länger ein Denkmal setzen will. Der erste Wiener Gemeindebezirk tätigte daher bereits die ersten Schritte, um den Hermann-Gmeiner-Park in Börsepark umzubenennen. Erstaunlicherweise plädiert auch Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler für diesen Schritt. Obwohl sie sich bisher gegen Cancel Culture – und für die Beibehaltung des Dr.-Karl-Lueger-Platzes, der an einen selbstgefälligen wie überzeugten Antisemiten erinnert, ausgesprochen hat: Sie redete immerzu – und durchaus nachvollziehbar – der Kontextualisierung das Wort.

Im Falle der Lueger-Statue wurde 2023 leider völlig falsch entschieden: Es ist nicht alles wieder im Lot, wenn diese mit enorm viel Steuergeld um absurde 3,5 Grad gekippt wird. Da die Umsetzung aber immer weiter hinausgezögert wird (auf zumindest 2026), könnte die Stadtregierung doch noch gescheiter werden – und eine echte Kontextualisierung vornehmen. Mit der Botschaft: Früher hat man Karl Lueger und Gmeiner und Kaiser Franz Joseph, der für Millionen Tote im Ersten Weltkrieg mitverantwortlich ist, verehrt. Heute sehen wir das etwas differenzierter.

Sollte die Stadt in Bezug auf Gmeiner nun eine Cancel-Culture-Gesinnung an den Tag legen, dann bitte auch bezüglich der Gasse und des Weges, die nach Adolf Loos benannt sind. Der Architekt hatte 1928 acht- bis zehnjährige Mädchen in seine Wohnung eingeladen – und zur Begehung „unzüchtiger Handlungen“ verleitet. Loos zeichnete die Kinder nackt. Das wahre Ausmaß wurde damals leider vertuscht. Denn Loos hatte einflussreiche Freunde ...

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