"Giulio Cesare in Egitto" bei den Salzburger Festspielen: Im Bunker des Grauens

SALZBURGER FESTSPIELE 2025: FOTOPROBE ?GIULIO CESARE IN EGITTO?
Dmitry Tcherniakov zeigt "Giulio Cesare in Egitto" von Händel als fulminanten Psychothriller. Ovationen für Dirigentin Emmanuelle Haim, Besetzung und Regie.

Von: Susanne Zobl

Am Ende kann man gar nicht glauben, dass tatsächlich schon fast vier Stunden, Pause inklusive, vergangen sind. Gebannt verfolgte man das Geschehen, um nur ja nichts zu versäumen, was auf der Bühne im Haus für Mozart geschieht. Dort zeigt Dmitry Tcherniakov seine Sicht auf „Giulio Cesare in Egitto" von Georg Friedrich Händel. 

Schon lange habe er diesen Regisseur für die Salzburger Festspiele engagieren wollen, sagte Intendant Markus Hinterhäuser. Sein Vorhaben ging auf und verschaffte ihm bei der Eröffnungspremiere einen Triumph. Händels Oper über den Alexandrinischen Krieg hatte 2012 Cecilia Bartoli ihren ersten Erfolg zum Einstand ihrer künstlerischen Direktion der Salzburger Pfingstfestspiele verschafft. Das lag vor allem an ihr und ihrem Ensemble und weniger an der Regie von Moshe Leiser und Patrice Caurier, die dieses Kapitel aus Cäsars Geschichte als Parodie auf einen Krieg ums Öl verjuxten. Doch die Zeiten haben sich geändert, beim Thema Krieg hört sich heute der Spaß auf. 

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Schutzraum

Tcherniakov, der auch die Bühne gestaltete, verlegt das Geschehen in einen Bunker in der Gegenwart. Der erste Ton kommt aus dem Lautsprecher. Sirenen heulen. Eine rote Leuchtschrift erteilt den Befehl zur Evakuierung. 1,5 Minuten Zeit bleiben, um einen Schutzraum aufzusuchen. Acht Personen finden sich in den mit wenigen Matratzen ausgestatteten grauen Räumen, samt Küche ein. Da offenbart sich die Genialität dieses Regisseurs. Tcherchniakov zeigt keine Figuren, die einen historischen Stoff nachspielen, sondern echte Menschen. Jede und jeder von uns könnte Teil der Gesellschaft in diesem Bunker sein. 

Genau das macht diese Inszenierung so stark. Er zeigt einen Psychothriller, wo sich Menschen in einem Moment mit Dosen-Essen füttern, lieben und im nächsten Moment umbringen wollen. Cäsar erinnert mehr an einen Manager als an einen Feldherrn. Cleopatra ist eine junge Frau, die mit ihrer rosa Langhaarperücke gerade von einer Party kommen könnte. Tolomeo, ihr Bruder und Widersacher, ist ein junger, verzogener Widerling. Cornelia, die Ehefrau von Cäsars Gegner Pompeius, ist eine reife Dame, deren wichtigstes Accessoire ihre Handtasche ist. Sesto, Pompeius„ Sohn, neigt zu Tobsuchtsanfällen und trinkt sich mit Energy-Drinks aus der Dose Mut an. 

Terroristen

Anders als in Nicola Francesco Hayms Libretto überbringt Achilla, der Ratgeber Tolomeos, Cäsar nicht das Haupt seines Gegners Pompeius, sondern schleift den Ermordeten in einem Sack in den Bunker. Wie sich Cornelia die Trauer aus dem Gesicht schminkt, ist filmreif. Eine der stärksten Szenen ist jene, in der Cäsar und Cleopatra, die sich zunächst als ihre Dienerin Lidia ausgibt, zusammentreffen. In dem Moment schlägt irgendwo eine Bombe ein. Der Saal wird dunkel. Langsam hebt sich eine Wand über der Bühne. Kurz denkt man an Terroristen, die von der Decke in den Bunker eindringen. Irrtum. Die Bühnenmusik hebt eine der schönsten Arien dieser Oper, Cleopatras „V'adoro pupille“, an. Selten erlebt man Produktionen, wo das Szenische und das Musikalische eine absolute Einheit bilden. 

Das beginnt schon bei der brillant abgestimmten Besetzung. Christophe Dumaux, der bereits in Bartolis Produktion als Tolomeo auftrat, zählt inzwischen den Cäsar zu seinen Paraderollen. Famos gestaltet er die Koloraturen, drängt sich aber nicht in den Vordergrund. Hier geht es um das Ensemble.

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Olga Kulchynska betört als sehr gute, menschliche Cleopatra. Lucile Richardot beeindruckt als Cornelia mit dem Spektrum ihres dunklen Mezzosoprans. Yuriy Mynenko verkörpert den Tolomeo als echte Ekel. Phänomenales leistet Sopranist Federico Fiorio als Sesto. Er prunkt nicht nur mit seinen Koloraturen. Am Ende, nachdem er Tolomeo getötet hat, gibt er sich in einem furiosen Tanz dem Wahn hin. Andrey Zhilikhovsky profitiert als Achilla von seinem sonoren Bariton. Jake Ingbar ergänzt ausgezeichnet als Nireno. Robert Raso lässt als Curio aufhorchen. Ausgezeichnet intoniert der Bachchor Salzburg. Emmanuelle Haïm hebt am Pult ihres Orchesters Le Concert d“Astrée den Musikdramatiker Händel hervor. 

Manche Passagen klingen trotz historischer Instrumente etwas glatt, aber wichtiger ist, dass sie dem Ensemble auf der Bühne beste Bedingungen schafft. Ovationen für alle Beteiligten.

Infos und Aufführungen

Georg Friedrich Händel: "Giulio Cesare in Egitto" - Musikalische Leitung: Emmanuelle Haim, Inszenierung & Bühne: Dmitri Tcherniakov, Kostüme: Elena Zaytseva, Licht: Gleb Filshtinsky, Dramaturgie: Tatjana Werestchagina.Auf der Bühne: Giulio Cesare: Christophe Dumaux, Cleopatra: Olga Kulchynska, Cornelia: Lucile Richardot, Sesto: Federico Fiorio, Tolomeo: Yuriy Mynenko, Achilla: Andrey Zhilikhovsky, Nireno: Jake Ingbar, Curio: Robert Raso, Bachchor Salzburg (Einstudierung: Michael Schneider), Le Concert d'Astrée, weitere Aufführungen: 29.7., 3., 6., 11., 14.8., www.salzburgerfestspiele.at

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