Giora Feidman und Majid Montazer: Friedlicher Protest mit Musik

Giora Feidman und Majid Montaz
Der jüdische Klarinettist und der iranische Komponist über ihr „Revolution Of Love“-Projekt - und die Unsinnigkeit von Kriegen

Es gibt einen Moment bei den „Revolution Of Love“-Konzerten von Giora Feidman, der jedem die Tränen in die Augen treibt. Da holt der „King Of Klezmer“ seinen Freund, den iranischen Komponisten Majid Montazer auf die Bühne: „Er ist Muslim, ich bin Jude, er ist Iraner, ich lebe in Israel“, sagt er. Dann nimmt er Montazers Hand und fügt hinzu: „Und schau, wie einfach Frieden ist!“

„Es ist wahr! Und wichtig, zu demonstrieren“, sagt Feidman KURIER-Interview. „Die Leute sind schockiert, denn das ist eine Revolution der Liebe. Genauso wie die Tatsache, dass ich den deutschen Pass beantragt habe, was Juden sonst nicht tun. Ich wollte ein Zeichen für Aussöhnung nach dem Holocaust setzen. Denn ich liebe Deutschland. Ich habe auch eine Wohnung in Hamburg und fühle mich dort sehr, sehr wohl.“

Glühender Aktivist

Der 89-Jährige ist seit Jahren ein glühender Friedensaktivist. Seine Eltern, bessarabische Juden aus Chișinău, wanderten Anfang des 20. Jahrhunderts wegen der einsetzenden Judenpogrome nach Südamerika aus. Mit 21 zog er von Buenos Aires nach Israel, spielte mit dem Israel Philharmonic Orchestra, aber auch Jazz, argentinischen Tango und vor allem Klezmer, die Musik jüdischer Feste.

In Montazer hat Feidman einen kongenialen Partner gefunden. Der Iraner betreibt in Hamburg die Musikagentur Macc-Management. 2019 lernten sich die beiden kennen. Feidman liebt die Kompositionen von Montazer, die klassische Strukturen mit persischen Klangfarben und kultureller Offenheit verbinden – und sofort Frieden in den Raum zaubern. Die Alben „Friendship“ und „Revolution Of Love“ haben die beiden bisher zusammen veröffentlicht. Das dritte, „For A Better World“, erscheint im Jänner.

Die Mission der beiden geht aber weit über das Musikmachen hinaus. „Als wir uns kennenlernten, haben wir über Gott, die Welt, die Gesellschaft, Krieg und Frieden gesprochen“, erinnert sich Montazer. „Ich war fasziniert von Gioras Haltung. Etwa, dass er sagt, die Palästinenser haben in Israel die gleichen Rechte.“

Feidman hackt ein: „In gewisser Weise vielleicht sogar mehr, weil sie dort geboren sind. Ich kam aus Argentinien dorthin, wie der Großteil von uns. Wir kamen aus rund 130 Ländern in die Heimat unserer Vorfahren zurück. Sie ist also für uns und die Palästinenser ein Zuhause. Ich respektiere sie – und ihre Religion.“

Warum ist Krieg?

Montazer erzählt, wie Feidman, immer wenn er mit ihm in Tel Aviv telefoniert, bei arabischen Freunden oder in einem arabischen Restaurant ist. „Ich habe viele arabische Freunde. Und das ist gut, weil ich liebe Humus und Falafel“, grinst Feidman.

Gleich aber wird er wieder ernst: „In Israel kommen viele Araber gut mit Juden zurecht und umgekehrt. Dieses ,Mein Gott ist besser als deiner‘ – Blödsinn! Es gibt nur einen Gott. Und der zeigt uns hundertfach, dass wir alle gleich sind. Ein muslimisches Baby schreit im Spital genauso wie ein jüdisches. Wir haben alle zwei Arme, zwei Beine und die gleichen Organe. Wir sind alle Menschen! Die Palästinenser wollen diesen Krieg nicht und Israel will ihn auch nicht. Also warum ist dann Krieg?“

Vielleicht wegen Benjamin Netanjahu? „Netanjahu ist ein Idiot. Er ist von Trump beeinflusst und von all den anderen Politikern, da geht es nur ums Business. Politiker sind verrückt. Sie sehen nicht, wie sich iranische Zuschauer nach Konzerten bei mir bedanken und mich umarmen.“

Als „friedlichen, musikalischen Protest“ bezeichnen die beiden deshalb ihre Konzerte. „Man kann immer sagen, die Politiker entscheiden“, sagt Montazer. „Aber wir wählen sie. Wenn zehn Prozent unserer Zuschauer rausgehen und sagen, bei der nächsten Wahl achte ich auf meine Stimme, haben wir viel bewirkt.“

Feidman und Montazer sind sich einig, wie der Rechtsruck zu stoppen ist: „Rassismus ist eine Krankheit“, sagt Feidman. „Die kann man mit Bildung heilen.“ Montazer plädiert dafür, den Geschichtsunterricht auszubauen: „Diese Kriege gab es auch vor 100 Jahren schon. Aber wenn man weiß, dass die Juden vor 2.700 Jahren von einem iranischen König beschützt wurden, kann man fragen, wie haben die das gemacht. Und mit dem Wissen von heute kann man es vielleicht noch besser lösen.“

Tränen im KZ

Um all das geht es in dem Buch „For A Better World“, das im November erscheint. Darin erzählen die Freunde, wie sie zu den Stücken ihres nächsten Albums kamen. Wie Montazer mit Feidman im KZ in Dachau war, Feidman dort weinen musste, und der Komponist daraufhin „Longing For Liberty“ schrieb. Oder wie sie über syrische Flüchtlinge sprachen, die „mit einem Koffer Hoffnung“ auf die Reise gingen, wonach „Journey To Freedom“ entstand.

Jetzt sind sie aber noch mit dem Programm von „Revolution Of Love“ auf Tour. Wäre es möglich, damit in Israel oder dem Iran aufzutreten? „Es ist ein großer Traum“, sagt Montazer. „Im Moment bleibt es beim Traum.“ Aber Feidman ist überzeugt: „Das wird passieren!“

Tourdaten: 29. 10. Villach/Congress Center, 30. 10. Steyr/Stadttheater, 1.11. Wien/ Musikverein, 15.11. Kitzbühel/Kulturhaus Reith

Kommentare