Gery Seidl über Weihnachtskomödie: „Brauchen das wie einen Bissen Brot“
Die Liste heimischer Weihnachtskomödien ist nicht lang – aber der entzündete Christbaum von „Single Bells“ hat sich tief in die österreichische Seele eingebrannt. Einen neuen Versuch, das schwierige Genre zu bedienen, startet Gery Seidl mit der Verfilmung seines Kabarettprogramms „Aufputzt is’“. Er sei „wirklich lange damit hirnschwanger herumgegangen“, sagt Seidl im Gespräch. Produzent Florian Gebhardt sei zum richtigen Moment auf ihn zugekommen. „Der Gedanke war auch: Der letzte große österreichische Weihnachtsfilm ,O Palmenbaum‘ ist 25 Jahre her. Ich spiele mein Programm auch schon seit 15 Jahren und es sagen immer wieder Leute: ,Wir schauen uns das an, weil dann ist Weihnachten.‘“
Mit dem Kabarett habe der Film allerdings nicht viel zu tun. „Das sind zwei Paar Schuhe“, sagt Seidl. „Sicher haben wir versucht, ein paar Pointen mitzunehmen, aber viel mehr als die Szene mit der Druckerpatrone hat es nicht geschafft. Letztendlich ist nur die Rahmenhandlung geblieben.“
Marlene Morreis und Seidl mit Film-Töchterchen (Mia Plamberger)
Selbstüberschätzung
Andi Kramer (Seidl) ist ein gestresster Bauleiter, der just am Christtag ein Riesenhotelprojekt an die chinesischen Partner übergeben muss. Sein penetranter Chef (Roland Düringer) sitzt ihm im Nacken, weil er mit den Klotüren in Verzug ist. Auch bei Frau Steffi und Tochter Alma hat er einiges gutzumachen und verspricht, die Weihnachtsorganisation von Baum bis Braten komplett zu übernehmen. Ein Fall von Selbstüberschätzung, denn trotz Zuspruchs von seinem besten Freund Bertl (Thomas Mraz) droht allerhand schiefzugehen. Das Problem sei, sagt Seidl, „dass er in einer Grundvermessenheit sagt: ,Ich check das, ich kann ja auch Häuser bauen.‘ Aber er bekommt überhaupt nicht mit, was es bedeutet, ein Weihnachtsfest für die Familie auszurichten, und scheitert auf ganzer Linie.“
Marlene Morreis spielt Steffi, der Weihnachten besonders wichtig ist. Sie sagt: „Der Stress, in den Andi kommt, hätte auch zu jeder anderen Zeit passieren können, aber dass es zu Weihnachten ist, steigert exponentiell den Stress, weil die Erwartungshaltung so groß ist.“ Sie selbst gehe es im echten Leben „nicht so gach an“, sagt sie: „Diesen Wahnsinn will ich nicht mitmachen, aber in den kommt man eh automatisch rein, ob man will oder nicht. Dekomäßig ist bei mir das meiste von der Oma, ich kaufe nicht drei neue Rehfiguren fürs Fenster.“
Maria Hofstätter und Marlene Morreis
Ob Seidl sich selbst als „Weihnachtsmensch“ sehe?
„Ja, aber erst am 24. Dezember. Die Vorweihnachtszeit ist mir immer zu stressig. Diese Erwartungshaltung, die du nie erfüllen kannst, ist unerträglich. Aber der 24. hat etwas Magisches. Es gibt diese zwei Minuten, wo absolut nichts ist – und die musst du erwischen, dann werden's schöne Weihnachten.“
Und wann kommt bei Morreis dieser Moment?
„Erst wenn man dann ins Bett geht. (lacht) Dann ist es ganz still und dann ist es eigentlich am allerschönsten.“
Im Film tauchen allerlei Größen aus Kabarett und Fernsehen auf. Adele Neuhauser spielt eine Psychiaterin, Christopher Seiler einen grantigen Straßenmusiker. Die Schwiegereltern, bei denen Steffi im Waldviertel Zuflucht sucht, werden kongenial von Maria Hofstätter und Johannes Silberschneider verkörpert. Und Heinz Marecek spielt den besserwisserischen Onkel Heinzi. Mit ihm zu spielen, machte Seidl ehrfürchtig: „Bitte, ich bin mit dem im Fernseher aufgewachsen!“
„Aufputzt is’“ erinnert an vergangene Komödienerfolge – ähnlich wie bei „Hinterholz 8“ stand ein Kabarettprogramm Pate. Auch die Besetzung mit Gery Seidl, Roland Düringer, Thomas Stipsits, Adele Neuhauser, Maria Hofstätter, Heinz Marecek verspricht Aufmerksamkeit. Die Regisseurin, Claudia Jüptner-Jonstorff, inszenierte 2023 auch den Stipsits-Film „Griechenland“ (287.000 Besucher).
30 Prozent weniger Besucher konnten bis Oktober für in Österreich produzierte Filme gezählt werden, sagt das Österreichische Filminstitut (ÖFI) auf Anfrage. „Neo Nuggets“ mit Pizzera & Jaus liegt mit rund 70.000 Besuchern an der Spitze, vor „Altweibersommer“ von Pia Hierzegger mit rund 60.000. Im Vorjahr verkaufte allein Josef Haders „Andrea lässt sich scheiden“ 180.000 Tickets. ÖFI-Chef Roland Teichmann hofft, dass „Aufputzt is’“ und „Bibi Blocksberg“ (Ö/D) die Bilanz noch aufbessern.
Großer Wunsch
Seidl habe sich beim Casting eingebracht. Auch Erika Mottl als betagte Nachbarin sei „ein ganz großer Wunsch“ gewesen, „weil sie mit Herwig Seeböck verheiratet war. Er war mein Schauspiellehrer, da schließt sich irgendwie ein Kreis.“ Er komme allerdings „von einer anderen Sportart“, sagt Seidl. „Beim Kabarett stehst du alleine auf der Bühne, hast kein Gegenüber. Für mich war das komplettes Neuland.“
Er wollte bei jedem Prozess – bis zum Schnitt – zumindest ein Mal dabei sein, um davon zu lernen. Besonders herausfordernd seien die Nachtdrehs gewesen. Andis Versuch, einen Christbaum zu ergattern – Thomas Stipsits als Christbaumverkäufer kann nur mehr Schnaps anbieten – drehte man bei Nacht. „Wir haben von 22 Uhr bis sechs Uhr Früh vor dem Burgtheater im Regen gedreht. Das war ein Wahnsinn. Wir hatten drei Mäntel für mich, die zwischendurch wieder trocken geföhnt wurden.“
Erika Mottl und Thomas Mraz
Nicht leicht sei es gewesen, die traumatisierte und verstummte Tochter Alma zu besetzen. „Beim Casting waren acht Mädchen“, erzählt Seidl. „Wir haben die Szene geprobt, wo ich Alma vor dem Schlafengehen etwas vorlese. Vier von den acht haben gesagt, sie machen das nicht: ,Ich lege mich nicht zu dem Mann in den Arm.‘ – obwohl Mama oder Papa dabei waren.“ – „Schlaue Kinder eigentlich“, kommentiert Morreis, „aber für den Film war das halt notwendig“.
Mia Plamberger hat dann das Rennen gemacht. „Sie hatte überhaupt keine Scheu vor der Kamera, obwohl das für ein siebenjähriges Mädchen schon viel ist, was bei so einem Dreh alles los ist“, sagt Seidl.
Druck, ein bisher maues Kinojahr für den heimischen Film (siehe Infobox oben) zum Abschluss herauszureißen, spüre er nicht, sagt Seidl: „Weil ich so etwas gar nicht weiß. Von denen, die sich auskennen, traut sich niemand Zahlen zu nennen. Ich hoffe natürlich, dass ganz viele kommen. Weil ich finde, dass es ein wunderschöner Film geworden ist. Ich glaube, dass er die Leute zusammenbringt, und das brauchen wir zurzeit wie einen Bissen Brot.“
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