Gérard Depardieu: Der Fall des „heiligen Monsters“

Ganz in Schwarz und auf seinen Anwalt gestützt erschien Gérard Depardieu vor Gericht
Seit Jahren sind Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen Gérard Depardieu bekannt. Diese Woche musste sich der französische Schauspieler deswegen erstmals vor Gericht verantworten.

Er hat in mehr als 200 Filmen mitgespielt, Rollen wie den Grafen von Monte Christo, Cyrano von Bergerac und Obelix verkörpert, wurde als einer der bedeutendsten Darsteller Frankreichs verehrt. Doch schon seit Längerem steht Gérard Depardieu nicht wegen seiner schauspielerischen Leistungen im Zentrum des Medieninteresses. Mehrere Frauen werfen ihm sexuelle Übergriffe vor. Diese Woche musste sich der 76-Jährige, der alle Anschuldigungen zurückweist, erstmals vor Gericht deswegen verantworten.

In dem aktuellen Verfahren geht es um Dreharbeiten zum Film „Les volets verts“ (Die grünen Fensterläden) im Jahr 2021. Zwei Frauen werfen Depardieu vor, sie an der Brust und am Po begrapscht zu haben. Die Dekorateurin Amélie K., die sich zuvor bereits gegenüber französischen Medien geäußert hatte, sagte vor Gericht, der Schauspieler habe sie auf einem Hocker sitzend mit den Beinen blockiert und angefasst. Für eine Szene habe sie noch Sonnenschirme organisieren müssen. Depardieu habe dann zu ihr gesagt: „Fass mal meinen großen Sonnenschirm an, den schiebe ich dir in die Muschi.“

Gérard Depardieu: Der Fall des „heiligen Monsters“

Eine der beiden Klägerinnen im laufenden Prozess: Amélie K.

Eine Regieassistentin, die von Medien nicht genannt werden will, berichtete vor Gericht, der Schauspieler habe sie bei dem Dreh gegen eine Tür gepresst und begrapscht: „Ich war wie versteinert, ich war schockiert, ich wusste nicht, was ich sagen sollte“, schilderte sie.

Depardieu widersprach beiden Darstellungen. Die Dekorateurin habe er lediglich berührt, um nicht von seinem Hocker zu rutschen, so der Schauspieler, der ganz in Schwarz gekleidet vor Gericht erschien und sich krankheitsbedingt bei seinem Anwalt Jérémie Assous abstützen musste. Ursprünglich hätte der Prozess bereits im Herbst stattfinden sollen, wurde aber wegen Depardieus Gesundheitszustand – er leidet u. a. an Diabetes und Arthrose – verschoben.

Gérard Depardieu: Der Fall des „heiligen Monsters“

Depardieu saß während der Verhandlungen wegen Oberschenkelproblemen auf einem Hocker - so wie beim mutmaßlichen Übergriff auf Amélie K.

Weitere Vorwürfe

Es sind nicht die einzigen Vorwürfe gegen den Mimen, der in Frankreich auch „Monstre sacré“ (heiliges Monster) genannt wird und für seine provokante bis ungehobelte Art bekannt ist. Die Schauspielerin Charlotte Arnould, die nun ebenfalls im Gerichtssaal anwesend war, hatte ihn bereits 2018 angezeigt. Sie wirft ihm zweifache Vergewaltigung vor. Ob es zu einem Prozess kommt, ist noch unklar. Die Schauspielerin Hélène Darras hatte ihn wegen sexueller Belästigung angezeigt (das Verfahren wurde wegen Verjährung jedoch eingestellt), die Journalistin Ruth Baza verklagte Depardieu wegen Vergewaltigung im Jahr 1995 in Spanien. Mehr als ein Dutzend Frauen erhoben zudem in einem Bericht des französischen Magazins Mediapart Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen Depardieu.

Der Schauspieler weist all das zurück. In einem in der Zeitung Le Figaro 2023 veröffentlichten Brief bezeichnete er sich als Opfer einer „medialen Lynchjustiz“. Er habe niemals eine Frau missbraucht, schrieb er, und Arnould sei freiwillig mit ihm auf sein Zimmer gegangen.

Gérard Depardieu: Der Fall des „heiligen Monsters“

Wirft Depardieu Vergewaltigung vor: Charlotte Arnould

Reportage mit Folgen

Im Dezember desselben Jahres erschien dann eine Fernsehreportage mit Aufnahmen von einer Nordkorea-Reise des Franzosen. Darin sagte Depardieu vor laufender Kamera beim Besuch eines Gestüts Dinge wie: „Frauen reiten gerne, weil ihre Klitoris am Sattel reibt.“ Vor einer Dolmetscherin erklärte er: „Ich wiege 124 Kilo – mit Erektion 126.“

Das blieb nicht ohne Folgen: Frankreichs damalige Kulturministerin Rima Abdul Malak bezeichnete Depardieus Verhalten als „Schande“ für das Land. Die kanadische Provinz Québec entzog ihm den Nationalorden, mehrere TV-Anstalten nahmen Abstand von ihm.

Gérard Depardieu: Der Fall des „heiligen Monsters“

Protest vor dem Gericht in Paris: Frauen fordern ein Ende des Schweigens über Machtmissbrauch

„Bewunderer“ Macron

Rückendeckung bekam er von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser verwies auf die Unschuldsvermutung und bezeichnete sich 2023 als großer „Bewunderer“ von Depardieu. Nach heftiger Kritik räumte er ein: Er hätte in seinem Statement auch auf die Opfer sexueller Gewalt eingehen sollen.

Auch Schauspielerin Fanny Ardant, eine Freundin Depardieus, steht auf dessen Seite und sagte im aktuellen Prozess für ihn aus. Doch viele sprechen sich mittlerweile offen gegen Depardieu aus und kritisieren, dass sein Verhalten in der Branche jahrelang geduldet wurde – darunter die Schauspielerinnen Sophie Marceau und Anouk Grinberg. „Wir mussten uns von morgens bis abends seine Schweinereien anhören“, sagte Grinberg der Nachrichtenagentur AFP. „Wenn Produzenten Depardieu engagieren, wissen sie, dass er ein Aggressor ist.“ Depardieu beklagte nun vor Gericht, dass er seit Jahren nicht mehr gedreht habe.

Die Staatsanwaltschaft befand im laufenden Verfahren: „Es handelte sich eindeutig um sexuelle Übergriffe.“ Gefordert werden 18 Monate auf Bewährung sowie Bußgeld und Entschädigungszahlungen – die Höchststrafe wären fünf Jahre Gefängnis. Ein Urteil wird für Mai erwartet.

Kommentare