Der autoritäre Staatspräsident von Panem, dem Schauplatz der berüchtigten Hungerspiele, war ebenfalls einmal nett und jung. Bei dem eiskalten Diktator, weißbärtig gespielt von Donald Sutherland, liegen die guten Zeiten allerdings weit in der Vergangenheit. Über sechzig Jahre kehrt die Vorgeschichte der neuen „Hunger Games“-Folge zurück, um seine „Origin Story“ zu erzählen.
Tom Blyth spielt den jungen Coriolanus ehrgeizig und hübsch im adretten Hosenrock. Seine einst mächtige Familie verlor ihr Vermögen und zwingt Coriolanus, als Mentor der Hungerspiele Geld zu verdienen.
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Zwar befinden sich die „Hunger Games“ im Quotentief. Trotzdem treten wie jedes Jahr die Tribute – Abgesandte aus Panems unterdrückten Außenbezirken – zum tödlichen Gladiatorenspiel an. Dem Mentor des Siegers winkt ein Preisgeld.
Coriolanus’ Enttäuschung ist groß, als er zum Mentor einer jungen Frau namens Lucy Gray Baird aus Distrikt 12 ernannt wird: Lucy Gray ist keine Kämpferin, sondern Sängerin. Allerdings erweckt sie mit ihrer glockenhellen Stimme viel Aufmerksamkeit, gewinnt das Herz von Coriolanus – und verspricht durch ihr couragiertes Auftreten hohe Einschaltquoten.
Spießiges Pärchen
Das Geheimnis des Erfolgs der „Tribute von Panem“-Reihe hieß Jennifer Lawrence, deren charismatische Actionheldin Katniss Everdeen zur Triebkraft der dystopischen Blockbuster-Serie wurde. In ihre Fußstapfen zu treten ist schwierig, auch wenn Rachel Zegler – gesangserprobt aus Steven Spielbergs „West Side Story“ – als Lucy Gray stimmgewaltig um die Gunst des TV-Publikums buhlt.
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Allerdings muss sie sich die Show mit Tom Blyth teilen und kann daher keine tragende Strahlkraft entwickeln. Sogar als Verliebte wirken Lucy Gray und Coriolanus ungefähr so sexy wie ein Liebespaar aus einem Heimatfilm der 50er-Jahre.
Auch der eigentlich immer lustige Jason Schwartzman tut sich schwer, als halbwitziger Fernsehmoderator die Hungerspiele mit ausreichend Humor zu unterfüttern. Die zerbombte Arena, in der die tödlichen Kämpfe stattfinden, bietet als graue Schutthalde wenig visuelle Attraktionen. Auch die Kämpfer und Kämpferinnen bleiben weitgehend unprofiliert, während Lucy Gray mit ihnen Versteckerln spielt.
Nach ihrem Verschwinden verlässt Coriolanus das Kapitol, Panems Hauptstadt mit dem Charme einer kommunistischen Kommandozentrale, und folgt Lucy Gray zu den Aufständischen in die Außenbezirke. Dort verwandelt er sich vom verliebten jungen Mann zum faschistoiden Verräter. Und obwohl Regisseur Francis Lawrence sein Coming-of-Age-Epos in drei Kapitel auf 157 Minuten ausdehnt und um mindestens eine Stunde zu lang erzählt, gerät ihm das Finale dennoch entscheidend zu kurz.
INFO: USA 2023. 157 Min. Von Francis Lawrence. Mit Tom Blyth, Rachel Zegler.
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