Filmkritik zu "Thanksgiving": Serienmörder schlachtet Opfer wie Truthähne
Familienfest mit dem Schlachtmesser feiern: „Thanksgiving“
Von Gabriele Flossmann
Der Horrorthriller von Eli Roth ist quasi der Film zu einem Fake-Trailer, den der Regisseur 2007 für das Double-Feature „Grindhouse“ von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez beigetragen hat.
Nachdem ein Aufstand am Black Friday in einer Tragödie endet, taucht in einer Kleinstadt in Massachusetts ein mysteriöser Serienmörder auf. Offenbar nimmt er das bevorstehende „Thanksgiving“-Fest zum Anlass, der Bevölkerung zu diesem Familienfest eine Schlachtplatte der besonderen Art zu servieren.
Der Film sieht aus wie eine Rückkehr zu Roths blutrünstigen Wurzeln, indem er zunächst die attraktiven und jungen Protagonisten der Handlung vorstellt, um sie dann einen nach dem anderen brutal abzuschlachten. Wie Truthähne zu „Thanksgiving“. An diesem Erntedankfest soll nichts und niemand übrig bleiben. Nicht einmal für ein „Restlessen“.
Das Splatter-Genre erlebt zwar gerade ein Revival, steckt aber in Wahrheit in der Sinnkrise: Wie weit kann, darf und muss man gehen, um mit einer Horror-Blutorgie noch Schlagzeilen zu machen? Roth macht jedenfalls keinen Hehl aus seinen Vorlieben: Blutig muss es sein. Dann machts erst richtig Spaß. Seine Mission: Tabubruch.
Eine Kleinstadt unter Schock: "Thanksgiving" von Eli Roth
Schlachtmesser
Nach dem Überraschungserfolg seines Low-Budget-Horrorfilms „Cabin Fever“ und dem Folterschocker „Hostel“ wollte der Regisseur, Autor, Produzent und Kumpel des Kultregisseurs Quentin Tarantino noch einige Schritte weitergehen. Noch brutaler und voyeuristischer wollte er mit seinem neuesten Werk sein und damit die Grenzen des massenkompatiblen Horrorfilms weit hinter sich lassen. Dem Genre geschuldet, mit dem Schlachtmesser, viel Gedärm und Gewalt. Die Frage, warum der Serienmörder hilflose Menschen schlachtet, braucht man sich erst gar nicht zu stellen. Der in letzter Zeit in Thrillern immer modischer gewordenen Form der Psychologisierung, wollte und will sich Roth mit seinen Blutopern gar nicht stellen. „Denn“, so meinte er einmal in einem Interview, „nur zu zeigen, wie ein krankes Hirn funktioniert, wäre langweilig.“
Eine Serienmörder geht um zu "Thanksgiving"
Nun ja, so ganz ist er auch bei diesem Film der Falle der Langeweile nicht entkommen. Wer also nur seinen Spaß haben möchte an herausgeschnittenen Innereien und viel Blut, der findet in „Thanksgiving“, was er sucht. Zuschauer, die hinter dem grotesken Treiben eine Kommentierung der sozialen Wirklichkeit erkennen wollen, kommen nur hie und da auf ihre Kosten. Und zwar dann, wenn Roth die Freude am Gemetzel und die in der Werbung angekündigten Splatter-Superlative beiseitelässt. Dann schafft er zumindest in Anklängen das, was die sonderbare Unterhaltung des Horrorkinos leisten könnte. Potente Alptraumbilder zu produzieren, die unsere gegenwärtigen Schrecken reflektieren: Die zunehmende Gewaltbereitschaft – nicht nur in den USA.
INFO: USA 2023. 147 Min. Von Eli Roth. Mit Patrick Dempsey, Rick Hoffman, Gina Gershon.
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