Filmkritik zu "A Quiet Place 2“: Wer schreit, stirbt

Auch bei größten Schmerzen kein Mucks machen: Emily Blunt und Noah Jupe in "A Quiet Place 2"  
Auch die Fortsetzung des apokalyptischen Thrillers, in dem jedes Geräusch tödliche Aliens anlockt, sorgt für Hochspannung

Ein hörbarer Seufzer der Erleichterung ging durch die US-amerikanische Filmbranche, als die ersten Erfolgszahlen von „A Quiet Place 2“ eintrudelten. Knapp 40 Millionen Euro spielte der Horror-Hit an seinem ersten Wochenende ein und erreichte damit fast die Rekordsumme seines Vorgängers.

Das große Kino-Comeback ist gelungen, der Kinosommer hat optimistisch begonnen. Auch hierzulande nehmen alle Cineplexx-Standorte in ganz Österreich ihren Betrieb wieder auf.

Der Horror-Schocker „A Quiet Place 2“ bietet sich als post-pandemisches Kinoerlebnis trefflich an.

Nicht nur, weil das Sequel ein gutes Jahr nach einer menschheitsbedrohenden Katastrophe einsetzt: Blinde, aber höchst hellhörige Aliens, die aussehen wie eine Mischung aus Echse und Weberknecht, fallen kreischend vom Himmel, sobald sie das leiseste Geräusch wahrnehmen.

Wer Lärm macht, wird gefressen. Oft genügt schon das geringste Geräusch und die Viecher hauchen einem hungrig in den Nacken. Ein seltsames Klappern, als käme es von einem Riesenstorch, kündigt ihr drohendes Nahen an. Dann geht alles sehr schnell – und die arme Lärmquelle wird gnadenlos schnabuliert.

Pssssst!

Der Schauspieler John Krasinski, zuletzt bei Dreharbeiten der Amazon-Serie „Jack Ryan 3“ in Wien gesichtet, hatte bereits mit „A Quiet Place“ einen Regie-Coup und Boxoffice-Hit gelandet. Er selbst spielte im ersten Teil die Rolle des Familienvaters Lee Abbott und starb am Ende einen ehrenwerten Tod. Um sich im Sequel doch noch einen Kurzauftritt zu gönnen, setzt die Fortsetzung an Tag 1 der Alien-Invasion an – wo der Vater noch am Leben ist und die Bewohner einer Kleinstadt nicht ahnen, was auf sie zukommt – ehe sie zu Tag 474 in die apokalyptische Zukunft springt.

Filmkritik zu "A Quiet Place 2“: Wer schreit, stirbt

Regisseur John Krasinski als Lee Abbott ist am Tag 1 der Alien-Invasion noch am Leben: "A Quiet Place 2"

Mutter Evelyn Abbott, verkörpert von der umsichtigen Emily Blunt, ist nun mit ihrer gehörlosen Tochter, ihrem Sohn und einem Baby allein. Das Baby darf alles, nur nicht schreien – bekanntlich eines der Lieblingsbeschäftigungen von Neugeborenen. Als der Sohn in eine Bärenfalle tappt und vor Schmerz zu brüllen beginnt, geht eine wilde Jagd los.

Die Familie flüchtet sich in die verlassene Fabriksanlage eines Stahlwerks und versteckt sich in einer tonnenschweren Ofenröhre. Die alten Overalls der ehemaligen Arbeiter hängen wie Leichen von der Decke der Werkshalle – als stimmungsstarke Erinnerung an Amerikas größte Industrieregion im „Rust Belt“, von der nur noch ein Industriefriedhof übrig geblieben ist.

Filmkritik zu "A Quiet Place 2“: Wer schreit, stirbt

Millicent Simmonds als gehörlose Tochter Regan auf der Suche nach anderen Überlebenden

Tatsächlich bietet sich das Kino als idealer Abspielort für Krasinskis soundsensiblen Horror an. Dort lassen sich die Nuancen zwischen Stille, winzigen Geräuschen und einem plötzlich hereinbrechenden Höllenlärm in ihrer Bandbreite am besten erlauschen. Nervenaufreibende Hochspannung garantiert.

INFO: USA 2020. 97 Min. Von und mit John Krasinski. Mit Emily Blunt, Millicent Simmonds

Filmkritik zu "A Quiet Place 2“: Wer schreit, stirbt

Nur wer lautlos dahin schleicht, hat Überlebenschancen: Familie Abbott in "A Quiet Place 2"

Filmkritik zu "Fuchs im Bau": Apfelstrudel in der Gefängnisküche

Es beginnt und endet mit einem Trommelwirbel. Am Anfang  als Ausdruck von Wut und Verzweiflung, am Ende als Schlag der Befreiung. Dazwischen entfaltet sich ein  Spektrum an dramatischen Ereignissen, das mit lakonischem Humor und Mut zum Schmäh immer wieder  durchgelüftet wird.

Der Lehrer Hannes Fuchs tritt einen neuen Job im Gefängnis an. Dort soll er eine Klasse inhaftierter Jugendlicher unterrichten. Die Oberaufsicht hat aber immer noch Frau Berger (Maria Hofstätter), deren unkonventionelle Unterrichtsmethoden – Zeichnen! Apfelstrudel backen! – die Gefängniswärter  auf die Palme bringt. Die Klasse selbst setzt sich aus einem bunten Haufen desillusionierter Jugendlicher zusammen und verlangt höchste Konzentration ab. Als unter der Aufsicht von Fuchs eine Schlägerei zwischen der traumatisierten Samira und   einem jungen Burschen losgeht, spitzen sich die Ereignisse zu.

Filmkritik zu "A Quiet Place 2“: Wer schreit, stirbt

Maria Hofstätter und Aleksandar Petrovic als gestresste Lehrer in "Fuchs im Bau“

Nach seiner Antiintegrationskomödie „Die Migrantigen“ hat Regisseur Arman T. Riahi in seinem zweiten Spielfilm „Fuchs im Bau“ sein Regietalent noch einmal deutlich gesteigert: Hervorragend inszeniert und  gespielt, erzählt er dynamisch von schmerzhaften Coming-of-Age-Prozessen unter verschärften Bedingungen. Nur sein Zug zum Melodrama ist   manchmal zu stark. Ein paar Schicksalsschläge weniger hätten auch gereicht. 

INFO: Ö 2020. 103 Min. Von Arman T. Riahi. Mit Maria Hofstätter, Aleksandar Petrovic

 

Filmkritik zu "A Quiet Place 2“: Wer schreit, stirbt

Schulunterricht im Gefängnis: "Fuchs im Bau"

Filmkritik zu "Vitalina Varela": Die Scherben des Lebens aufsammeln

Für seinen neuen, preisgekrönten Film hat der Portugiese Pedro Costa eine reale Lebensgeschichte künstlerisch in Szene gesetzt.

Die Titelheldin ist eine Witwe, die seit 40 Jahren getrennt von ihrem Mann gelebt hat. Nicht ganz freiwillig, wie man erfährt. Vierzig Jahre hat sie auf das Flugticket von den Kap Verden nach Portugal gewartet. Denn vor so vielen Jahren hat ihr Mann Joaquim sie in der ehemaligen portugiesischen Kolonie zurückgelassen. Wortlos, ohne irgendeinen Grund für sein Verschwinden zu nennen.

Jetzt ist er tot und Vitalina sammelt die Scherben seines und ihres Lebens auf. Passend zur Grundstimmung des Films wird er in düsteren Bildern erzählt. In jeder Einstellung des Films ist jeweils nur eine kleine Stelle ausgeleuchtet, in der sich  langsam, sehr langsam das nächste kleine Ereignis in Richtung Klarheit entwickelt. Gemeinsam mit Joaquims Witwe wartet man als Zuschauer auf ein Licht der Erkenntnis ins bisher so ratlose Leben der Vitalina. Spannend und meditativ zugleich.

Text: Gabriele Flossmann

INFO: PRT 2019. 124 Min. Von Pedro Costa. Mit Vitalina Varela,  Manuel Tavares Almeida

Filmkritik zu "A Quiet Place 2“: Wer schreit, stirbt

"Vitalina Varela" von Pedro Costa

Kommentare